Mehr neue Antibiotika sind nötig und möglich
(Berlin) - Es werden mehr neue Antibiotika gebraucht, als derzeit entwickelt werden / Heute können Unternehmen, die Antibiotika entwickeln, nicht damit rechnen, ihre Entwicklungskosten zu refinanzieren / Dieses Handicap ließe sich durch Forschungsförderung und angemessene Marktkonditionen überwinden
Noch sind sie in Deutschland selten, doch wenn sie auftreten, ein großes Problem: Infektionen mit hochgradig resistenten Bakterien. Ein Themenabend des ZDF befasst sich damit am 26. November. Gegenmaßnahmen sind mehr Hygiene, Impfungen und ein kluger Umgang mit vorhandenen Antibiotika, doch werden auch neue Antibiotika gebraucht. Solche Medikamente können aber unter den bestehenden Marktgegebenheiten ihre Entwicklungskosten oft kaum wieder einspielen. Denn sie sollen möglichst nur als letztes Mittel der Reserve angewendet werden.
Dieses Dilemma ließe sich überwinden, sagt Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa): "Mehr Unternehmen könnten neue Antibiotika entwickeln, wenn die ökonomischen Handicaps für diese Mittel durch bessere Rahmenbedingungen ein Stück weit ausgeglichen würden. Länderübergreifend könnte die klinische Erprobung von Antibiotika gefördert werden; und es sollte für die erfolgreiche Entwicklung solcher Antibiotika eine Prämie geben, die wenigstens einen Teil der Entwicklungskosten refinanziert. Speziell in Deutschland sollte die rasche Erstattung neuer Antibiotika auch im Krankenhaus gewährleistet werden. Zudem sollte einem Antibiotikum die Fähigkeit, eine Resistenz zu überwinden, in der frühen Nutzenbewertung als Zusatznutzen angerechnet und in den anschließenden Preisverhandlungen berücksichtigt werden."
Antibiotika-Entwicklung heute
Trotz der bestehenden Handicaps entwickeln forschende Pharma-Unternehmen soweit möglich neue Antibiotika, die einzelne Resistenzen überwinden: Zwei solcher Medikamente sind zugelassen und könnten in Zukunft in Deutschland vermarktet werden. Weitere fünf neue Antibiotika befinden sich im Zulassungsverfahren der EU. Mehr als 25 Antibiotika (teils gegen viele, teils gegen einzelne Erreger) werden derzeit in klinischen Studien (Phase II und III) mit Patientinnen und Patienten erprobt. Außerdem sind einige Impfstoffe gegen bakterielle Krankheiten wie Lungenentzündung oder Darmkoliken (durch Clostridium difficile) in Entwicklung.
All diese Medikamente können einen Beitrag zur Entschärfung der Resistenzsituation leisten - für einen nachhaltigen Schutz vor resistenten Bakterien müssten es aber noch mehr Entwicklungsprogramme sein.
Erstattung von Antibiotika in Kliniken
Die Kosten für die stationäre Behandlung von Patientinnen oder Patienten werden größtenteils über Fallpauschalen (DRGs) abgerechnet. In diese ist der Einsatz älterer Antibiotika eingepreist; Kosten für neue Antibiotika gegen multiresistente Keime sind darin hingegen nicht berücksichtigt.
Benötigt ein Patient ein solches neues Mittel, müssen die Kliniken es daher bislang zunächst weitgehend aus eigener Tasche zahlen, bis diese Kosten bei der Neuberechnung der DRGs berücksichtigt werden. Hier müssen Modalitäten geschaffen werden, die es Kliniken ermöglichen, zügig eine Erstattung für solche Medikamente zu bekommen.
Antibiotika
Antibiotika sind Medikamente, die bestimmte Bakterien abtöten oder deren Vermehrung blockieren. Viele werden aus Naturstoffen hergestellt, andere synthetisch. Gegen Viren sind sie unwirksam.
Einige Antibiotika enthalten neben dem eigentlichen antibakteriellen Wirkstoff auch noch einen Betalactamase-Inhibitor, der bestimmte Resistenzmechanismen von Bakterien aushebeln kann. Gegen viele Resistenzmechanismen sind allerdings keine solchen Inhibitoren verfügbar.
Neben neuen Antibiotika werden derzeit auch andere Mittel gegen Bakterien entwickelt, darunter Mittel, die schädliche Bakterien "entwaffnen", ohne sie zu töten. Auch Bakterien-befallende Viren (sogenannte Bakteriophagen) werden erprobt.
Quelle und Kontaktadresse:
Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA)
Dr. Rolf Hömke, Wirtschaftspresse
Hausvogteiplatz 13, 10117 Berlin
Telefon: (030) 206040, Fax: (030) 20604222