Pressemitteilung | Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)

Mehr Beschäftigung heißt nicht mehr Arbeit

(Köln) - Seit geraumer Zeit zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung ihr wichtigstes Wahlversprechen von 1998 nicht wird halten können: Die Arbeitslosigkeit im Laufe der Legislaturperiode auf 3,5 Millionen Erwerbslose zu drücken. Nun wird argumentiert, dass zuletzt immerhin 1 Million neue Arbeitsplätze entstanden sind. Ein Blick in die Statistik zeigt jedoch: Mehr Arbeit gibt es deswegen noch lange nicht.

Aus beschäftigungspolitischer Sicht hatte die sich jetzt ihrem Ende nähernde Regierungsperiode verheißungsvoll begonnen. Die Wirtschaft wuchs mit dem einsetzenden Aufschwung relativ kräftig um 1,8 Prozent im Jahr 1998 und 3 Prozent in 1999. Das genügte, um dem Arbeitsmarkt wieder Leben einzuhauchen. Der Einbruch der Wirtschaft im vergangenen Jahr auf ein Wachstum von nur noch 0,6 Prozent machte die zwischenzeitlichen Erfolge im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aber wieder zunichte.

Weil die Lage in diesem Jahr kaum besser ist, rechnen die großen Wirtschaftsforschungsinstitute und selbst die Bundesregierung im Jahresschnitt mit knapp 4 Millionen Arbeitslosen, etwa 150.000 mehr als 2001. Auch die Erwerbstätigenzahlen werden dann wohl wieder zurückgehen.
Von 1998 bis 2001 hatte die Zahl der Erwerbstätigen noch kräftig zugelegt - und zwar um mehr als 3 Prozent von 37,6 Millionen auf knapp 38,8 Millionen.

Doch auch diese Erfolgsmeldung hat ihre Tücken. Denn das Arbeitsvolumen, also die Zahl der tatsächlich gearbeiteten Stunden, ist nur um 0,4 Prozent gestiegen. Die durchschnittliche Arbeitszeit je Erwerbstätigen sank seither um 40 auf 1.467 Stunden im Jahr.

Diese Entwicklung hat gleich mehrere Ursachen:

- Niedrigere Wochenarbeitszeit. Die tarifvertraglich festgelegte Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte ging im Durchschnitt leicht von 37,83 auf 37,79 Stunden zurück.

- Mehr Krankheiten. Verschiedenste Malaisen knappsten 2001 fast 2,03 Milliarden Stunden vom jährlichen Arbeitsvolumen ab. Das sind 37 Millionen Stunden mehr als 1998.

- Mehr Teilzeitler. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den Arbeitnehmern lag im vergangenen Jahr bei über einem Viertel – 1998 waren es noch zweieinhalb Prozentpunkte weniger. Gleichzeitig ging die jährliche Arbeitszeit des durchschnittlichen Teilzeitbeschäftigten um 3,5 Prozent auf 665 Stunden zurück.

- Mehr Feiertage. Der Kalender 2001 zählte fast drei Feiertage mehr als 1998.
Die Arbeitsmenge verteilt sich also größtenteils nur anders auf die einzelnen Beschäftigungsformen. Rechnet man den Zuwachs des Arbeitsvolumens in Vollzeitstellen um, gibt es nur 124.000 oder 0,3 Prozent Arbeitsplätze mehr als 1998.

Die Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) sind jedoch in vielerlei Hinsicht mit Vorsicht zu genießen. So kam zum Beispiel im Jahr 2000 nach mehrmaliger Revision der VGR heraus, dass es viel mehr Teilzeitbeschäftigte gab, als zunächst angenommen. Der Grund für die Abweichung: Geringfügig Beschäftigte unterliegen erst seit Mitte 1999 der Sozialversicherungspflicht. Die Meldungen trudelten bei den Sozialversicherungsträgern zunächst nur zögerlich ein, sind aber für die Statistik relevant.

So liegt es wohl zu einem guten Teil an der mittlerweile verbesserten Meldepraxis, dass die Statistik mehr Teilzeitbeschäftigte auswirft – weniger daran, dass solche Arbeitsplätze wirklich so kräftig zugelegt haben, wie die Zahlen suggerieren.

Wie groß dieser Effekt ist, vermag jedoch niemand genau zu beziffern. Laut Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen stieg die Zahl der Teilzeitler seit 1998 um rund 1,23 Millionen oder gut 16 Prozent. Nach dem nicht revidierten Mikrozensus betrug das Plus nur 914.000 bzw. rund 15 Prozent.
Nachträgliche Revisionen der Erwerbstätigenzahlen sind ohnehin üblich. So wies das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Anfang 2001 noch 33,6 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte für 1998 aus, Anfang 2002 für das gleiche Jahr aber 800.000 mehr. Es ist also noch deutlich zu früh, von einer Trendwende auf dem Arbeitsmarkt zu sprechen.

Quelle und Kontaktadresse:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Gustav-Heinemann-Ufer 84-88 50968 Köln Telefon: 0221/49811 Telefax: 0221/4981592

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