Medizinische Zweiklassengesellschaft für Kinder in Deutschland / Kinderklinik-Sterben
(Köln) "Kinder in Deutschland sind medizinisch oft schlechter versorgt als ihre Eltern", kritisiert Dr. med. Klaus Gritz, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, anlässlich des bevorstehenden Weltkindertages. "Falsch verstandener Sparzwang führt dazu, dass das Recht von Kindern und Jugendlichen auf eine kompetente kinderärztliche Betreuung allmählich ausgehöhlt wird", so der Hamburger Kinderarzt. Eine Gefahr für die drohende Verschlechterung der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen besteht in dem immer geringeren Bedarf an Kinderklinikbetten. Dieser resultiert aus den in letzter Zeit drastisch gesunkenen Geburtenraten in Deutschland, aus den verkürzten Verweildauern der Patienten in den Kliniken infolge hocheffektiver Diagnostik und Therapie sowie aus einer immer qualifizierteren ambulanten Betreuung.
Wenn auch die beiden letzteren Entwicklungen im Interesse des Kindes sehr begrüßt werden müssen, führt die Reduzierung der Kinderklinikbetten zur Verminderung der zur Verfügung stehenden Gelder für die stationäre Pädiatrie. Es muss gefordert werden, dass diese "Einsparmaßnahmen" nicht die Qualität der Versorger gefährden, denn in einer Kinderklinik besteht ein nicht unerheblicher Finanzbedarf. Dieser resultiert u.a. aus der Notwendigkeit des Einsatzes einer ausreichenden Zahl von Kinderkrankenschwestern und ausgebildeten Erzieherinnen, dem Vorhalten von kindgerechten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie in der Möglichkeit der Mitaufnahme von Begleitpersonen. Für all diese Maßnahmen muss auch bei reduziertem Bedarf zukünftig eine ausreichende Finanzierung gesichert werden.
Die seit 1990 allein in den neuen Bundesländern halbierte Anzahl der Kinderklinikbetten zeigt, wie drastisch diese Entwicklung verläuft.
Völlig unverständlich bleibt dem Verbandspräsidenten, warum etwa die Hälfte aller stationär zu behandelnden Kinder nicht in Kinderkliniken, sondern auf Stationen der Organfächer (HNO, Augen, Haut, Chirurgie) liegt, statt kindgerecht in Kinderkliniken betreut zu werden. "Der Spezialist muss zum Kind kommen, denn Kinder sind keine kleinen Erwachsenen", fordert Dr. Gritz.
Mit dieser Forderung berufen sich die Kinderärzte auf einen Beschluss einer Konferenz aus dem Jahre 1997. Damals versprachen die Gesundheitsminister der Länder, bei der weiteren Krankenhausplanung des Recht der Kinder, vorrangig in Kinderfachabteilungen und von Kinderärzten und schwestern behandelt zu werden, zu respektieren. Dr. med. Klaus Gritz: "Wir warten nun darauf, dass die Minister ihr Wort halten und die kindgerechte Krankenhausversorgung sicherstellen."
Kinderärzte-Nachwuchs gefährdet
Der Kahlschlag auf den Kinderstationen hat noch weitergehende Folgen: Immer weniger junge Ärztinnen und Ärzte haben die Möglichkeit, ihre Weiterbildung im Bereich Kinderheilkunde und Jugendmedizin zu machen. "Langfristig", so Dr. Klaus Gritz, "gerät damit auch die ambulante kinderärztliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Gefahr. Vor allem das von Kinderärzten entwickelte System der regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen droht Schaden zu nehmen, wenn es nicht mehr genug niedergelassene Fachärzte gibt, die es aufrechterhalten". Hochrechnungen haben ergeben, dass in 10 bis 15 Jahren eine flächendeckende ambulante Versorgung von Kindern und Jugendlichen durch Kinderärzte kaum noch möglich sein wird." Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte fordert daher: Schluss mit dem Kinderklinik-Sterben! Kinder und Jugendliche müssen weiterhin die Möglichkeit haben, in Kliniken und Fachabteilungen behandelt zu werden, die auf ihre besonderen Bedürfnisse eingerichtet sind.
Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte
Präsident Dr. med. Klaus Gritz
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