MedInform-Konferenz: Neues Umweltrecht gilt auch für Medizinprodukte
(Frankfurt am Main/Berlin) - Die neue Umweltgesetzgebung mit dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG), der Chemikaliengesetzgebung (REACH) oder der Diskussion um PVC-Weichmacher hat immer größere Auswirkungen auf die Entwicklung und Herstellung von Medizinprodukten. Das zeigte die MedInform-Konferenz "Künftiges Umweltrecht und Medizinprodukte" am 15. Februar 2006 in Frankfurt auf. MedInform ist der Informations- und Seminarservice des Bundesverbandes Medizintechnologie, BVMed. Nach Ansicht der Experten aus der MedTech-Branche müssten die neuen Umweltvorschriften aber so umgesetzt werden, dass die Versorgungssicherheit der Patienten gewährleistet bleibt und die Hersteller nicht in ihrer Existenz bedroht werden.
Umweltrecht und Medizinprodukte entwickelten sich nach Ansicht von Elke Vogt vom Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) von der Konfrontation zur pragmatischen Kooperation. Das Umweltrecht tangierte zum ersten Mal mit der Verpackungsverordnung Anfang der 90er Jahre die Medizinprodukteindustrie. Heute bestimmen der Kostendruck im Gesundheitswesen und die Europäisierung der Gesetzgebung die Rahmenbedingungen. Unternehmen erwarten sich von ökologischen Maßnahmen zunehmend Kosteneinsparungen, Marketingvorteile und eine bessere Kundenpflege. Wichtig sei der Vorrang der Gesundheit vor dem Umweltschutz. Im Vordergrund müsse der Ausschluss von Risiken für den Menschen stehen, so Elke Vogt. Sie sprach sich für einen verstärkten Informationsaustausch der Unternehmen und der Verbände wie BVMed, Spectaris, VCI und VDGH zu den Umweltthemen aus. Die MedInform-Konferenz biete hierfür einen guten Ansatz.
Jürgen Seitel vom Umweltbundesamt (UBA) führte in die Anforderungen und den Stand der Umsetzung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG) ein. Die Melde- und Registrierungspflichten für die Hersteller sind bereits im November 2005 in Kraft getreten. Alle B2B-Hersteller (Business-to-Business), die bis zum 23. November 2005 bei der Stiftung EAR einen korrekten und glaubhaften Registrierungsantrag gestellt haben, werden bis Ende Februar 2006 registriert sein. Der "Registrierungsstau" kommt aufgrund der unerwartet hohen Zahl von Registrierungen und einem höheren Prüfungsaufwand zustande. Nach § 6 ElektroG ist jeder Hersteller verpflichtet, sich bei der EAR registrieren zu lassen, bevor er Elektro- und Elektronikgeräte in Verkehr bringt. Ein Inverkehrbringen ohne Registrierung ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro belegt werden. Für die Kennzeichnung der Geräte gibt es mittlerweile die Norm DIN EN 50419 mit einer durchgestrichenen Mülltonne. Detailregeln der Elektrogeräteentsorgung werden künftig von der Herstellern in Produktbereichsversammlungen selbst gesetzt, sobald alle Hersteller registriert sind. Eine Liste der registrierten Hersteller gebe es im Internet unter www.stiftung-ear.de.
Joachim Giesekus, Leiter der Technologieberatung bei SPECTARIS, präsentierte mit "eom Recycling" ein Branchenkonzept für Medizinprodukte zur praxisorientierten Umsetzung des neuen Elektrogerätegesetzes (ElektroG). Die Branchenlösung soll den Anforderungen des Gesetzes auf der einen und den Besonderheiten der Medizinproduktebranche auf der anderen Seite gerecht werden. Als neutrale Plattform ist "eom Recycling" eine zentrale Datenschnittstelle zwischen den Herstellern, den Kunden und den Entsorgern. Sie soll sicherstellen, dass der Entsorger ausgetauscht werden kann und das Problem der "Nichtlieferung" gelöst ist. Der Gerätehersteller bekommt einen RFID-Chip und bringt das Gerät dann in den Verkehr. Mit dem Chip ist das Gerät einzeln identifizierbar. Die zentrale Registrierung bei "eom Recycling" bietet den Vorteil, dass die Einzelregistrierung bei 27 Stellen in Europa entfällt. Vertriebsverbote können mit der Lösung sicher ausgeschlossen werden. Dank der RFID-Technologie "zahlt nur der, der wirklich Hersteller ist", so Giesekus. Die Hersteller sind bei eom in den Beirat einbezogen und können alle drei Jahre neu verhandeln. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Hersteller eine genaue Kenntnis über die Verbreitungswege ihrer Produkte erhalten und der "graue Markt" die Umsätze mit Neugeräten nicht mehr belastet. eom sei eine "gute Lösung für kleinere, hochpreisige Serien", jedoch weniger für große und niedrigpreisige Produktserien.
Für den Bereich der Diagnostika-Industrie merkte Dr. Johannes Odenthal vom VDGH an, dass die Umstellung bei 90 bis 95 Prozent der Fälle technisch möglich sei. Er sprach sich aber für eine Übergangszeit von mindestens zehn Jahren aus, um die technische Umstellung zu gewährleisten. Zudem seien spezifische Ausnahmen notwendig, wenn ein Ersatz derzeit nicht absehbar ist, beispielsweise bei bestimmten Blei- und Quecksilberbestandteilen. Dr. Bernd Braunert vom 3M Qualitätsmanagement beklagte, dass Informationen von Zulieferern teilweise schwer zu bekommen seien und erläuterte, welche Fragen ein Unternehmen jetzt beantworten müsse, das die nationalen Anforderungen zur Entsorgung von Elektrogeräten EU-weit erfüllen müsse.
In die neue EU-Chemikaliengesetzgebung (REACH) führte Dr. Dieter Fink vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) ein. Die erste Lesung der EU-Verordnung erfolgte am 17. November 2005 im Europäischen Parlament. Am 13. Dezember 2005 gab es eine politische Einigung des Ministerrats, die nun bis Juni 2006 in einem gemeinsamen Standpunkt einfließen soll. Ausnahmen für Medizinprodukte sind zwischen Parlament und Ministerrat umstritten. Die zweite Lesung im EU-Parlament und dem Ministerrat erfolgt voraussichtlich im ersten Quartal 2007. 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt tritt die Verordnung dann in Kraft. Nach dem in Kraft treten gelten die Regelungen zur Kommunikation in der Produktkette sofort. 18 Monate nach dem Inkrafttreten läuft die Frist zur Vorregistrierung ab, die wichtig sei, da nur dann die vorgesehenen Übergangsfristen genutzt werden können, so Dr. Fink. Die Registrierung betreffe Hersteller und Importeure der Stoffhersteller. Zu melden sei jeder Stoff, sobald er eine Tonne im Jahr bei einem Unternehmen überschreitet. Aus dem Auditorium erläuterten die Unternehmensvertreter, Christoph Pescheck, Abbott, und Dr. Joachim Kolb, Ethicon, die Aspekte, die für die Unternehmen der Medizintechnologie besonders relevant sind: die Aufgaben der "nachgeschalteten Anwender" in der Lieferkette sowie die Anforderungen an die Hersteller von Erzeugnissen.
Letzter Themenkomplex der MedInform-Konferenz waren Polymere in der Medizintechnik sowie die spezielle Problematik des PVC-Weichmachers DEHP und seiner Alternativen. DEHP ist der mit Abstand am umfangreichsten untersuchte Weichmacher für PVC, so Georg Kühlein von der RAUMEDIC AG. "Positiv zu gewichten sind 50 Jahre Erfahrung mit dieser Substanz in den medizinischen Einmalartikeln." Alternative Weichmacher stünden zwar zur Verfügung, dafür seien aber noch weitere Untersuchungen erforderlich. Gute Alternativen seien zudem im Preis sehr hoch. PVC sei für die überwiegenden Bereiche in der Medizintechnologie unverzichtbar, nicht ersetzbar und mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis ausgestattet. Vorteile des PVC sind beispielsweise eine geschmeidige Oberfläche, eine gute Knickbeständigkeit von Schläuchen, gut untersuchte physiologische Eigenschaften, und eine gute Öko-Bilanz bei niedrigem Preis. An diesen Vorteilen müssen sich alternative Werkstoffe messen lassen.
Gegen ein Verbot von Weichmachern sprach sich Dr. Rainer Otter, Leiter Toxikologie bei der BASF in Ludwigshafen, aus. Weichgemachtes PVC sollte weiter eingesetzt werden können. Die Kosteneffizienz sei hervorragend, die technische Gebrauchstauglichkeit unbestritten. "Es gibt keinen vernünftigen Grund, Weichmacher und PVC in der Anwendung beispielsweise in Medizinprodukten pauschal zu verbieten." Man müsse vielmehr das Risiko gegen den Nutzen abwägen und im Einzelfall über Alternativen entscheiden. Wissenschaftlich basierte, tolerable Aufnahmewerte könnten festgelegt und eingehalten werden.
Hinweis an die Medien: Digitale Bilder zur Veranstaltung können im Internet unter www.bvmed.de (Bilder - Veranstaltungen) abgerufen werden. 300-dpi-Bilder können bei der BVMed-Pressestelle (Mail an beeres@bvmed.de) angefordert werden.
Quelle und Kontaktadresse:
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