Massive Kritik des Lehrerverbandes an bildungspolitischen Forderungen des Sachverständigenrates / "Es gibt keinen Grund, die Grundschule zu verlängern"
(Bonn) - Der Deutsche Lehrerverband (DL) hat zentrale Forderungen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung massiv kritisiert. Unter anderem wirft der Lehrerverband den "Wirtschaftsweisen" vor, Bildung rein ökonomisch zu betrachten. Vor allem aber kritisiert der Lehrerverband die Forderung des Sachverständigenrates, die Grundschule nach dem Vorbild Berlins und Brandenburgs auf sechs Jahre auszudehnen.
Verbandspräsident Josef Kraus stellte dazu fest:
"Ausgerechnet Berlin und Brandenburg zum Vorbild für andere Bundesländer ernennen zu wollen, zeugt von einer Menge Realitätsverweigerung. Schließlich rangieren diese beiden Länder nicht gerade im vorderen Bereich der Bildungsliga.
Was den Zeitpunkt der Differenzierung betrifft, so sagen die Fakten und alle namhaften Studien für Deutschland eindeutig aus: Sechsjährige Grundschule bringt nichts - weder kognitiv noch sozial. Die Belege dafür sind erdrückend.
- Prof. Kurt Heller (Ludwig-Maximilians-Universität München) hält fest: `Eine Verlängerung der vierjährigen Grundschule würde keine erkennbaren Vorteile, wohl aber mit Sicherheit Nachteile für viele Grundschüler mit sich bringen.´
- Prof. Peter Roeder (vormals Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin) stellt fest: `Die Leistungen nach sechsjähriger Grundschule liegen erheblich unter denen von Schülern, die den Wechsel aufs Gymnasium bereits nach der 4. Grundschulklasse vollzogen haben.´
- Die ELEMENT-Studie von Prof. Rainer Lehmann (Humboldt-Universität Berlin) hat als zentrale Ergebnisse: Kinder werden durch eine sechsjährige Grundschule gebremst. Der Rückstand am Ende der 6. Grundschulklasse beträgt im Lesen eineinhalb Jahre, in Mathematik und Englisch zwei Jahre (im Vergleich mit Schülern, die nach der 4. Klasse in eine weiterführende Schule gehen können). Zwei Extrajahre bringen keinerlei Abbau sozialer Disparitäten. Die soziale Schere öffnet sich sogar noch weiter. Vor allem stärkere Schüler werden zu wenig gefördert.
- Selbst der Lehmann-Kritiker Jürgen Baumert räumt in einem Interview mit "spiegel-online" im Mai 2009 ein: Es gibt keine belastbare Studie, die bestätigen könne, dass ein längeres gemeinsames Lernen sinnvoll sei.
Abschließend: Von Wirtschaftswissenschaftlern sollte man etwas mehr Kenntnis vorhandener Bildungsstudien erwarten können. Ansonsten gilt: Schuster, bleib´ bei deinen Leisten! Nicht jeder Wissenschaftler ist zugleich ein Bildungswissenschaftler."
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