Pressemitteilung | Marburger Bund - Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V. - Bundesverband

Marburger Bund warnt Bundesregierung vor Streik in Krankenhäusern

(Berlin) - Der Klinikärzteverband Marburger Bund hat auf seiner 100. Hauptversammlung gedroht, im kommenden Jahr mit Abrechnungsstreiks in den Krankenhäusern gegen überlange Arbeitszeiten zu protestieren. Sollte die Bundesregierung ein im Oktober 2000 vom Europäischen Gerichtshof ergangenes Urteil zu Arbeitszeiten von Klinikärzten nicht umgehend ins deutsche Recht umsetzen, werde man die ärztlichen Bürotätigkeiten boykottieren. Der EuGH hatte entschieden, dass der Bereitschaftsdienst in Kliniken entgegen der deutschen Rechtssprechung als volle Arbeitszeit zu werten ist.

Der 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Frank Ulrich Montgomery, betonte, dass die Arbeitsbelastung in vielen Krankenhäusern längst das menschenwürdige Maß überschritten habe, da Ärzte über 30 Stunden am Stück ohne nennenswerte Pausen arbeiten müssten. „Wenn die Politik endlich das EuGH-Urteil umsetzen würde, könnte man soziale Dienstpläne erstellen, die Übermüdung und somit Patientengefährdung ausschließen.“ Hierfür seien 15.000 zusätzliche Ärzte und Mehrkosten von zwei Milliarden Mark notwendig.

Die Bundesregierung und die Arbeitgeber zweifeln bisher die Relevanz des EuGH-Urteils für Deutschland an, da es von spanischen Ärzten erwirkt wurde. Auf seiner Hauptversammlung präsentierte der Marburger Bund ein bisher unveröffentlichtes Rechtsgutachten der Universität Bonn, das die Umsetzung des europäischen Richterspruchs ins deutsche Arbeitszeitgesetz als unumgänglich ansieht. Montgomery: „Es gibt Urteile deutscher Gerichte und Gutachten im Sinne des EuGH. Nun ist das Maß voll, wenn das Urteil nicht bald umgesetzt wird, erwartet die Bundesregierung ein heißer Wahlkampf in den Krankenhäusern.“ Der mb-Vorsitzende droht mit „Computer-Streiks“, bei denen Ärzte die Dokumentation verweigerten und somit den Klinikträgern den Geldhahn zudrehten. Eine Einschränkung der Patientenversorgung schloss Montgomery aus ethischen Gründen jedoch aus.

Kritik übte der Ärzteverband auch an der neuen Krankenhausvergütung nach Fallpauschalen, die ab 2004 bindend eingeführt wird. „Wegen steigender Patientenzahlen und einer erlösorientierten Vergütungsform rechnen wir mit zusätzlichem Arbeitsdruck auf die Klinikärzte“, erklärt Montgomery. Solange die gravierenden Personalprobleme im Krankenhaus nicht gelöst seien und das EuGH-Urteil nicht in die Kalkulation der neuen Krankenhausvergütung eingearbeitet werde, dürfe das neue Fallpauschalengesetz nicht angewendet werden. Der Ärztefunktionär plädiert deshalb für eine behutsame Einführung ab 2006.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sei für Preisstabilität und Qualitätssicherung im Gesundheitswesen angetreten. Leider blieben viele ihrer Vorhaben weit hinter diesen Anforderungen zurück. Montgomery: „Die Ministerin ist gut beraten, das knappe Geld nicht für Ideen wie dem Gesundheitspass zu verschwenden, sondern in die beste ‚Hardware’ zu investieren: in die Menschen, die in den Krankenhäusern arbeiten.“ Dies sei eine Investition, die dauerhaft wirke, Patientenzufriedenheit schaffe und endlich humane Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern ermögliche.

Quelle und Kontaktadresse:
Marburger Bund - Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e. V. - Bundesverband Riehler Str. 6 50668 Köln Telefon: 0221/9731680 Telefax: 0221/9731678

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