Lücken in neuer Verordnung zu Reserveantibiotika gefährden die menschliche Gesundheit / Funde von multiresistenten Keimen in Gewässern müssen Politik wachrütteln
(Bonn/Berlin) - Nach Funden von multiresistenten Erregern in niedersächsischen Gewässern im Zuge aktueller NDR-Recherchen fordert Germanwatch konsequente Maßnahmen zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen in der Tierhaltung. Die jüngst von Bundestag und Bundesrat auf den Weg gebrachte neue Verordnung, mit der der Einsatz von für den Menschen besonders wichtigen Antibiotikaklassen in der Tierhaltung beschränkt werden soll, enthält nach Ansicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation große Lücken. "Die Verordnung umfasst nur die Hälfte der Wirkstofftypen, die laut Weltgesundheitsorganisation WHO höchste Priorität für die Humanmedizin haben. So wird zum Beispiel Colistin nicht reguliert, obwohl Gewässer in der Nähe von industriellen Tierhaltungen mit Keimen belastet sind, die übertragbare Resistenzen gegen dieses wichtige Antibiotikum aufweisen", kritisiert Germanwatch-Agrarexpertin Reinhild Benning. Zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen aus Tierhaltungen seien massive Verbesserungen beim Tierschutz und maßgebliche Nachbesserungen bei der aktuellen Verordnung für tierärztliche Hausapotheken nötig.
Benning weiter: "Es darf nicht sein, dass gesetzliche Auflagen für Tierärzte bei nur einem Bruchteil der Antibiotika mit höchster Priorität für die Humanmedizin gelten sollen. Die Bundesregierung gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung, wenn sie die Liste der WHO für die wichtigsten Antibiotika für uns Menschen ignoriert. Davon profitieren die Geflügel- und Schweinefleischindustrie sowie Tierärzte, die Antibiotika zugleich verschreiben und verkaufen dürfen, während Bauern und Verbraucher wachsenden Risiken ausgesetzt werden."
Germanwatch fordert daher, die Verordnung über tierärztliche Hausapotheken unverzüglich nachzubessern. Dazu gehöre ein Verbot aller Antibiotika mit höchster Priorität für den Menschen entsprechend der aktuellen WHO-Liste als Medizin in Tierhaltungen. Grundsätzlich sollte die Bundesregierung vor jedem Antibiotikaeinsatz in Tierhaltungen einen Wirksamkeitstest (Antibiogramm) vorschreiben, mit dem Tierärzte durch unabhängige Laborbefunde den Sinn von Antibiotikaeinsätzen nachweisen. Zudem müsse, wie vom Bundesrat gefordert, mit Hilfe von Festpreisen für Antibiotika dem "Verramschen" dieser Wirkstoffe ein Riegel vorgeschoben werden.
"Antibiotika sind systembedingte Bestandteile der industriellen Tierhaltung. Daher brauchen wir einen Wandel der Fleisch- und Milcherzeugung hin zu tiergerechteren, agrarökologischen Verfahren", fordert Benning. "Nur mit maßgeblich verbesserten Regeln für Haltung, Betreuung, Zucht und Fütterung der Tiere kann Deutschland den Einsatz von Antibiotika und Reserveantibiotika, das sind die allerwichtigsten Antibiotikaklassen in der Humanmedizin, wirksam senken."
Quelle und Kontaktadresse:
Germanwatch e.V.
Stefan Küper, Pressesprecher
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