Pressemitteilung | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

Lohnpolitik in Frankreich und Deutschland: Verteilungsspielräume in Deutschland stärker ausschöpfen

(Berlin) - Frankreich hat seit 1997 ein solides und beschäftigungsreiches Wirtschaftswachstum ohne Inflation erreicht. Deutschland weist für diese Zeit eine vergleichsweise ungünstige Entwicklung von Wirtschaft und Beschäftigung auf. Dabei ist es nicht gelungen, eine niedrigere Inflation und geringere Defizite der öffentlichen Haushalte als Frankreich zu erzielen.

In seinem aktuellen Wochenbericht 50/2001 weist das DIW Berlin darauf hin, dass die französische Lohnpolitik den Verteilungsspielraum stärker ausschöpfte als die deutsche. Das Berliner Institut betont, dass sich dies in Deutschland nicht in einer Zunahme der Beschäftigung niedergeschlagen hat. Dies nährt starke Zweifel an der Lohnzurückhaltungsthese – Lohnzurückhaltung also nicht zwangsläufig zu mehr Beschäftigung und weniger Arbeitslosigkeit führt.

Der für Lohnerhöhungen zur Verfügung stehende Verteilungsspielraum ergibt sich aus dem trendmäßigen Produktivitätszuwachs und einem Referenzwert für die Inflationsrate. Konjunkturelle Überzeichnungen werden so vermieden. Setzt man den Inflationsreferenzwert – entsprechend dem von der EZB angestrebten Wert für den Anstieg des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) – mit 1,5 Prozent an, so ergibt sich für Deutschland, Frankreich und die EWU insgesamt ein lohnpolitischer Verteilungsspielraum für die 90er Jahre von 2,7 Prozent bis 3 Prozent. In Frankreich wurde dieser Spielraum in dieser Zeit weitgehend und stetig genutzt. In Deutschland kam es Anfang der 90er Jahre als Folge der Wiedervereinigung zu starken Überziehungen des Spielraums. Mitte der 90er Jahre folgte dem eine große Lohnzurückhaltung. Seit 1997 wird der Verteilungsspielraum wieder zunehmend stärker ausgeschöpft.

Von 1997 bis 2001 wuchs die französische Wirtschaft um 12,6 Prozent, die deutsche um 7,7 Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen nahm in diesem Zeitraum in Frankreich mit knapp 8 Prozent doppelt so rasch zu wie in Deutschland; gleichzeitig konnte die Arbeitslosenquote um etwa 4 Prozentpunkte, und damit doppelt so stark wie in Deutschland, gesenkt werden. Der Verbraucherpreisanstieg fiel in Deutschland mit 5,9 Prozent sogar stärker aus als in Frankreich (4,8 Prozent). Dabei sind die gesamtwirtschaftlichen Arbeitsentgelte (Einkommen aus unselbständiger Arbeit) seit Beginn des letzten Aufschwungs (1997) in Frankreich doppelt so schnell gestiegen wie in Deutschland.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Königin-Luise-Str. 5 14195 Berlin Telefon: 030/897890 Telefax: 030/89789200

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