Pressemitteilung | Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.

Literatur im Fernsehen: "Unsere Gesellschaft braucht das öffentliche Gespräch über Bücher"

(Frankfurt am Main) - Börsenverein kritisiert kontinuierliches Verschwinden von Buchthemen im öffentlich-rechtlichen Programm / Statements von Verleger*innen und Buchhändler*innen

Bücher verschwinden zunehmend aus der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat angekündigt, im Zuge von Sparmaßnahmen ab 2021 die Literatursendung "Bücherjournal" einzustellen. Nach Streichungen in den letzten Jahren etwa beim BR Fernsehen ("Lesezeichen", "Lido", "Südlicht", "Gottschalk liest?"), SWR Fernsehen ("Lesenswert Sachbuch") und ZDF ("Lesen!", "Die Vorleser") gehen im Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens vermehrt Sendeplätze für Buchthemen verloren.

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels
"Unsere Gesellschaft braucht das öffentliche Gespräch über Bücher. In den Programmen von ARD und ZDF aber haben Bücher in den vergangenen Jahren massiv an Sichtbarkeit eingebüßt. Seinem Auftrag einer kulturellen Grundversorgung kommt der öffentlich-rechtliche Rundfunk damit nicht mehr ausreichend nach. Dies ist gesellschaftlich besorgniserregend. Bücher stehen für solide recherchierte und differenzierte Informationen, sie vermitteln komplexe Zusammenhänge, geben dialektische Denkanstöße und tragen neue Themen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Sie sind Teil unserer kulturellen DNA und leisten einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen einer freien, demokratischen Gesellschaft. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen wirkt als Katalysator gesellschaftlicher Debatten in alle Bevölkerungsgruppen hinein. Bücher zunehmend aus der Wahrnehmung der Menschen zu rücken, ist nicht erst in Zeiten von Fake News und Verschwörungstheorien fatal. Literatursendungen abzusetzen und Zuschauer*innen literarischen Austausch vorzuenthalten, schmälert einmal mehr die Möglichkeit der kulturellen Teilhabe aller."

Stimmen von Verleger*innen und Buchhändler*innen

Philipp Keel, Verleger Diogenes Verlag
"Warum ausgerechnet am Futter für den Geist sparen? Es war einmal Kultur im Fernsehen."

Florian Illies, verlegerischer Geschäftsführer Rowohlt Verlag
"Wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen seinen Auftrag zur Grundversorgung weiter ernst nehmen will, dann sollte es wissen, dass Bücher und die Vermittlung von Büchern ein zentraler Bestandteil der mentalen Grundversorgung sind und dass es naiv ist, zu glauben, man könne ausgerechnet bei der Kultur unbemerkt und schadensfrei mit dem Sparen beginnen."

Felicitas von Lovenberg, Verlegerin Piper Verlag
"Leser*in wird und bleibt nur, wer die passenden Bücher für sich findet. Bei dieser Entdeckungsreise durch die literarische Welt ist das Bücherjournal des NDR ein zuverlässiger Kompass, mit einer klugen, überraschenden, einleuchtenden Auswahl und guten Beiträgen. Fernsehen besteht darin, dass jemand irgendwo sitzt und hinschaut. Gutes Fernsehen regt dazu an, nach dem Schauen aufzustehen und weiter zu denken. Dass jetzt ausgerechnet wieder eine Sendung eingestellt werden soll, die dazu beiträgt, ist ein Skandal."

Tim Jung, Verleger Hoffmann und Campe Verlag
"Bücher sind für den Erhalt einer demokratisch-aufgeklärten Gesellschaft unverzichtbar. Zugleich brauchen Bücher Öffentlichkeit. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen steht nicht nur über seinen Kulturauftrag in der dringenden Pflicht, Büchern diese Öffentlichkeit zu verschaffen und damit zum Erhalt unserer demokratisch-aufgeklärten Gesellschaft beizutragen."

Thomas Rathnow, CEO Verlagsgruppe Random House
"Der Auftrag des NDR lautet nach Auskunft des Senders, dass 'das Programm informieren, bilden, beraten, unterhalten und insbesondere Beiträge zur Kultur anbieten' soll. Das aktuelle Programmschema des NDR weist gewiss kein Übermaß an kulturellen Sendungen auf. Da Kultursendungen vermutlich nicht zu den besonders teuren Produktionen zählen, ist schwer nachzuvollziehen, dass ausgerechnet das Bücherjournal mit seiner 30-jährigen Geschichte den aktuellen Sparbemühungen zum Opfer fallen soll. Die Verantwortlichen sollten ihre Entscheidung überdenken und nach kreativen Lösungen suchen, um ihrem Selbstverständnis gerecht zu werden. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird bei der Vermittlung von Literatur und Kultur zurecht eine besondere Verantwortung zugewiesen. Hier sollte er seine Chancen wahrnehmen."

Björn Bedey, Geschäftsführer Bedey Media
"Literatur ist ein fester und prägender Bestandteil unserer Kultur - seit Jahrhunderten. Gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist aufgrund seines verfassungsrechtlich vorgegebenen Auftrages dazu verpflichtet, dies in seiner Berichterstattung zu berücksichtigen. Dieser Verpflichtung wird in den letzten Jahren immer unzureichender nachgekommen. Die angekündigte Einstellung der Literatursendung Bücherjournal des NDR stößt in diesem Kontext auf mein vollkommenes Unverständnis und stellt hierdurch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an sich in Frage."

Nina Hugendubel, geschäftsführende Gesellschafterin Hugendubel
"Wir wissen aus Umfragen, dass das Bücherlesen bei den Menschen an sich sehr positiv besetzt ist. Allein im Wettbewerb um Aufmerksamkeit kann es sich nicht immer durchsetzen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Menschen auf vielseitigen Wegen an das so wertvolle Medium Buch zu erinnern. Auch Fernsehformate wie das Bücherjournal sind solch ein Weg. Wir hoffen, dass der NDR als wichtiger öffentlich-rechtlicher Sender ein neues Format für das Buch entwickelt."

Robert Duchstein, Geschäftsführer Buchhandlung Reuffel, Koblenz
"Literatur ist unser wichtigstes Kulturgut. Die Geschichten, mit denen Autor*innen uns Menschen bewegen, inspirieren und zum Nachdenken bringen, verdienen Aufmerksamkeit und Diskurs im öffentlichen Raum. Dafür brauchen wir neben Print- und digitalen Medien auch gute Literatursendungen im Fernsehen."

Quelle und Kontaktadresse:
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. Cathrin Mund, Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Braubachstr. 16, 60311 Frankfurt am Main Telefon: (069) 1306-0, Fax: (069) 1306-201

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