Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Prüfstand ungleiche Behandlung von ambulanten und stationären Angeboten
(Düsseldorf) - Welche Leistungen das öffentliche Gesundheitssystem beinhalten soll, wird in vielen Ländern ständig hinterfragt. Der so genannte Leistungskatalog wird insbesondere mit Blick darauf diskutiert, welche medizinischen Innovationen wie neue Arzneimittel, neue Diagnose- und Behandlungsverfahren zu Lasten der Kostenträger, also der Krankenkassen, erbracht werden dürfen und welche bestehenden Leistungen nicht mehr dazu gehören sollen. Ein von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Projekt unter Leitung von Prof. Dr. Jürgen Wasem hat untersucht, wie diese Aufgabe in Deutschland im Vergleich zur Schweiz, England und den USA, also Ländern mit sehr unterschiedlichen Gesundheitssystemen, angegangen wird.
Die wesentlichen Ergebnisse stellte der Wissenschaftler am Mittwoch in Berlin vor: Im Vergleich zu den anderen Ländern fällt besonders auf, dass in Deutschland nach Sektoren getrennt entschieden wird, also unterschieden nach ambulanter und stationärer Behandlung. Auf dieses Projektergebnis hat der Gesetzgeber bereits reagiert und den Gemeinsamen Bundesausschuss (GemBA) installiert. Auch dieses Gremium ist wiederum personell getrennt zusammengesetzt und entscheidet nach unterschiedlichen Regeln für den ambulanten und den stationären Bereich. So gehören im ambulanten Bereich Innovationen erst dann zum Leistungskatalog, wenn der Bundesausschuss eine positive Entscheidung trifft. Im Krankenhaus gehört umgekehrt alles solange zum Leistungskatalog, bis der Bundesausschuss eine medizinische Leistung ausgrenzt. Diese ungleiche Behandlung ist kontraproduktiv, insbesondere mit Blick darauf, dass alle Seiten die integrierte Versorgung stärken wollen.
Die demokratische Legitimation des Bundesausschusses ist sehr begrenzt. So wäre eine größere Transparenz über die Entscheidungen wünschenswert. Es fehlt darüber hinaus auch eine allgemeinverständliche Übersetzung der Entscheidungen für die Patienten. Ein Schritt zur Verbesserung der demokratischen Legitimation ist aber, dass künftig Patientenvertreter mit beratender Stimme in den Bundesausschuss einbezogen werden. In anderen Ländern sind weitere Betroffene, z.B. Hersteller teilweise stärker beteiligt.
Der Bundesausschuss beschränkt sich bei seinen Entscheidungen nahezu ausschließlich auf die Frage, ob Innovationen einen zusätzlichen Nutzen bringen unabhängig von den zusätzlich entstehenden Kosten. Damit vermeidet er zwar einerseits, dass den Versicherten Leistungen mit geringem Zusatznutzen und hohen Zusatzkosten vorenthalten werden. Andererseits werden so Potenziale nicht genutzt, um die Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems zu verbessern - was bei insgesamt begrenzten Mitteln zu Rationierungen an anderer Stelle führen kann.
Quelle und Kontaktadresse:
Hans-Böckler-Stiftung
Margitta Reicharz, Pressestelle
Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf
Telefon: 0211/77780, Telefax: 0211/7778120
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