Leichte Erholung: Von Aufschwung kann aber noch keine Rede sein
(Frankfurt am Main) - In der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, der zweitgrößten Industriebranche in Deutschland, scheint das Ende der konjunkturellen Talsohle erreicht. Von einem Aufschwung kann zwar noch keine Rede sein, so Gotthard Graß, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V., doch erwarte man eine leichte Erholung. Während der Verband in diesem Jahr mit einem Umsatz von rund 153 Mrd. Euro und damit einer roten Null rechnet, soll 2004 ein leichtes Wachstum von ein bis zwei Prozent erreicht werden.
Die Auftragseingänge belegen diesen Trend; die Orders aus dem Ausland legten dem ZVEI zufolge im dritten Quartal um fünf Prozent zu. Sorgen bereitet der Branche eher die Inlands-Nachfrage, die zwar im ersten dreiviertel Jahr um knapp ein Prozent höher ausgefallen sei, aber auch weiterhin zu Stagnation neige. Die erwartete Aufwärtsentwicklung wird also wieder einmal fast ausschließlich vom Export getragen, erläuterte Graß anlässlich der Herbst-Pressekonferenz seines Verbandes.
In den ersten neun Monaten dieses Jahres meldet der ZVEI für die Elektrotechnik- und Elektronikindustrie einen Umsatz von 112 Mrd. Euro, das sind 1,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Trotz einer sich aufhellenden Nachfrage liege der Umsatz auch im dritten Quartal noch fast zwei Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Wesentliche Ursachen sind neben der aktuellen Konjunkturschwäche der anhaltende Preisdruck, der Höhenflug des Euro sowie die zunehmende Verlagerung der industriellen Wertschöpfung an kostengünstigere Standorte.
Allerdings bessere sich die Stimmung in der Branche. Viele Unternehmen berichteten von einer Aufhellung, wenn auch auf niedrigem Niveau. Die aktuelle Ertragsumfrage, die der ZVEI unter seinen Mitgliedern durchführt, gebe ebenfalls Anlass zu etwas mehr Hoffnung: Danach scheinen die Restrukturierungsprogramme in vielen Unternehmen zu einer Stabilisierung der Erträge zu führen. Die ertragsbeeinflussenden Faktoren werden nun deutlich weniger negativ eingeschätzt als noch im Frühjahr. Für 2004 lägen die Erwartungen überwiegend im positiven Bereich.
Die Kapazitätsauslastung habe sich von 78 Prozent im Juni auf gut 80 Prozent im September erholt. Die sich nun langsam erholende Nachfrage mache zuversichtlich, bei der Umsatzentwicklung bis Jahresende nahe an die Null heranzukommen. Die preisbereinigte Produktion verzeichne ein Plus von 1,6 Prozent, das aber im Wesentlichen auf die ersten drei Monate des Jahres und einen Basiseffekt aus dem Vorjahr zurückzuführen sei. Über den Jahresverlauf verzeichne man auch hier Stagnation.
Fast 15.000 Beschäftigte weniger in 2003
Die schwierige Situation in der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie habe Spuren auch bei der Beschäftigung hinterlassen. Ende September arbeiteten noch 827.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Branche, Fast 15.000 weniger als zu Jahresbeginn. Anders stelle sich die Situation bei den Ingenieuren und Informatikern dar, deren Zahl in den letzten fünf Jahren gegen den Trend um 15.000 auf 175.000 zulegte. Unverändert sei der Bedarf größer als die Zahl der Absolventen. Weitgehend unabhängig von der unerträglich hohen Arbeitslosigkeit entsteht hier jedes Jahr eine Lücke von mehreren tausend Nachwuchsingenieuren, so ZVEI-Hauptgeschäftsführer Graß. Das hat unmittelbare Folgen für die Innovationsfähigkeit und damit für die Wachstumspotenziale in Deutschland.
Leichtes Wachstum im nächsten Jahr unter Vorbehalt
Für die erwartete leichte Erholung und ein Umsatzwachstum von ein bis zwei Prozent im nächsten Jahr sprechen Graß zufolge die Hoffnung auf ein Wiedererstarken der US-Konjunktur, aber auch die Investitionserwartungen in Mittel- und Osteuropa sowie Südostasien. Allerdings seien die Risiken unübersehbar; eine weitere Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar und den fest an diese Leitwährung gebundenen Währungen in Asien und Lateinamerika könne einen Strich durch die Rechnung machen. Der kräftige Rückenwind der Wechselkurse der Jahre 1999 bis 2001 hat sich nachhaltig gedreht und weht uns jetzt mitten ins Gesicht, warnt Graß.
Impulse müssten aber auch aus dem Inland kommen. Zwar könnte das Vorziehen der nächsten Steuerreformstufe für das Vertrauen der Verbraucher ein wichtiges Signal sein, doch werde die Wirkung unter dem Strich in Wirklichkeit schnell verpuffen. Für die Investoren sei es wichtig, dass die nun eingeleiteten Strukturreformen weiter kontinuierlich vorangetrieben werden und dazu beitragen, den Investitionsstau aufzulösen. Gerade im Infrastrukturbereich und der Energieversorgung sieht der ZVEI einen erheblichen Bedarf. Hier würde sich ein niedriges Zinsniveau und eine verbesserte Kostensituation positiv auf die Investitionsneigung auswirken.
Graß verwies darauf, dass die historisch niedrige Investitionsquote nicht das Ergebnis eines Technologiedefizits sei. Innovative Lösungen seien auf vielen Feldern vorhanden. Insofern müssten die politischen Reformen grundsätzlich innovationsfördernd wirken. Denn, so Graß, wie, wenn nicht mit Innovationen, sollen wir international wettbewerbsfähig sein und an diesem High-Tech-Standort weiter wachsen?
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