Landwirtschaftliche Unfallversicherung soll reformiert werden / DBV und Arbeitgeberverband unterbreiten Vorschläge
(Berlin) - In einer gemeinsamen Entschließung haben der Deutsche Bauernverband(DBV) und Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände Reformen zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung gefordert, um deren mittelfristige Finanzierung sicherzustellen. Die vom erweiterten DBV-Präsidium beschlossene Entschließung hat folgenden Wortlaut:
"Die landwirtschaftliche Unfallversicherung (LUV) ist eine Pflichtversicherung, der die landwirtschaftlichen Unternehmer per Gesetz angehören. Neben den Arbeitnehmern sind auch die landwirtschaftlichen Unternehmer, deren mitarbeitende Ehegatten und Familienangehörigen versichert.
Eine Vielzahl von land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen hält die Beiträge zur LUV für zu hoch. Die Beiträge stehen oftmals in keiner Relation zum Unfallrisiko. Daher ist ein Bündel von Maßnahmen erforderlich, um die Beiträge zu senken, damit die LUV mittelfristig finanzierbar bleibt.
1. Bundesmittel
Die Bundesmittel sind zumindest in der derzeitigen Höhe von 250 Mio. Euro gesetzlich festzuschreiben. Die Kürzung der Bundesmittel in den letzten Jahren von 314 auf 250 Mio. Euro hat die landwirtschaftlichen Unternehmen zusätzlich belastet, obwohl die derzeitige Rentenlast ca. 440 Mio. Euro beträgt. Der Bund muss angesichts des Strukturwandels seiner Einstandspflicht für das von ihm geschaffene Sondersystem gerecht werden.
2. Verwaltungskosten
Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften werden aufgefordert, die Verwaltungskosten zu senken. Dazu gehört neben der Überprüfung der Notwendigkeit der sachlichen Verwaltungskosten auch die Einleitung eines dauerhaften Personalabbaus. Dies erzwingt alleine schon der fortlaufende Strukturwandel.
3. Leistungsspektrum
Das Leistungsspektrum der LUV ist zu reduzieren. Es ist auf eine Absicherung der wesentlichen und schweren Unfälle zu konzentrieren. Dabei sind neben den Unternehmern, ihren Ehegatten und Familienangehörigen auch die Arbeitnehmer mit einzubeziehen. Um den Grundsatz der solidarischen Absicherung nicht zu gefährden und die bestehenden Beitragszahler nicht zu überfordern, sind u. a. die folgenden Änderungen des bisherigen Leistungsspektrums erforderlich:
- Wegfall "Neuer Unfallrenten" bei Unfällen im Rentenalter und bei Bezug einer Alters- bzw. Erwerbsminderungsrente
Altersrentenbezieher sind bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und erhalten aufgrund ihres beruflichen Werdegangs eine individuelle Altersrente. Daher ist ein Erwerbsschadensausgleich nicht mehr erforderlich. Weiterhin soll die Zahlung einer Unfallrente dann enden, wenn das Rentenalter erreicht wird oder eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen wird. Zu prüfen ist, ob eine Beschränkung auf bestimmte Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit aus sozialen Gesichtspunkten notwendig ist.
- Kapitalisierung von Unfallrenten mit weniger als 35 Prozent Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
Die Abfindung eines Rentenanspruchs bewirkt u. a., dass die Kosten unmittelbar der aktuellen Versichertengemeinschaft angelastet werden. Eine Begrenzung der Abfindungssumme ist allerdings notwendig, um im Umlageverfahren Einsparungen zu erzielen. Vorgeschlagen wird eine Begrenzung der Abfindungssumme auf fünf Jahre, wobei geprüft werden muss, inwieweit das Alter des Anspruchsberechtigten dabei Berücksichtigung findet.
- Einführung einer Wartezeit von 52 Wochen für Unfallrentenzahlung
Die Einführung einer Wartezeit von z. B. 52 Wochen bedeutet, dass eine Rentenzahlung nur dann erfolgt, wenn die rentenberechtigende MdE 52 Wochen ab dem Tag der Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Die Rente wird ab Beginn der 53. Woche gezahlt.
- Unfallrentenanspruch erst ab 30 Prozent MdE
Nach geltendem Recht haben Versicherte Anspruch auf eine Unfallrente, wenn die MdE infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 Prozent gemindert ist. Durch eine Erhöhung auf 30 Prozent wird ein erhebliches Sparpotenzial freigesetzt. Aufgrund der Schwere des Eingriffs ist eine freiwillige private zusätzliche Absicherung anzubieten.
- Herausnahme des landwirtschaftlichen Haushalts
Die Haushalte der Unternehmer und der im Unternehmen Beschäftigten gehören zum landwirtschaftlichen Unternehmen, wenn die Haushalte dem Unternehmen wesentlich dienen. Die veränderten Strukturen in der Landwirtschaft bedingen zunehmend, dass der Haushalt nicht unmittelbar dem landwirtschaftlichen Unternehmen zugerechnet werden kann. Somit ergeben sich eine Vielzahl von Abgrenzungsproblemen. Daher und zur Reduzierung der Leistungsausgaben sind die Haushalte nicht mehr in den Versicherungsschutz einzubeziehen.
- Selbstbeteiligung bei Betriebs- und Haushaltshilfe
Eine obligatorische Selbstbeteiligung bei Betriebs- und Haushaltshilfe ist einzuführen, um die Inanspruchnahme zu begrenzen und eine Kostenreduzierung zu erreichen.
- Honorierung der Ärzte in der gesetzlichen Unfallversicherung
Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften werden aufgefordert, die ärztlichen Gebührenregelungen in der Krankenversicherung und Unfallversicherung auf dem Niveau der Krankenversicherung anzupassen. Soweit notwendig sind dabei die unterschiedlichen Zielsetzungen von Krankenversicherungen und Unfallversicherungen zu berücksichtigen.
- Strenges Kausalprinzip bei Berufskrankheiten
Das Kausalprinzip bei Berufskrankheiten muss streng angewendet und ausgebaut werden. Die entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten müssen exakt von "Volkskrankheiten" abgegrenzt werden. Der generelle Abgrenzungsmaßstab muss dabei sein, dass die entscheidende Ursache für die Berufskrankheit typischerweise und überwiegend im Berufsleben liegt.
4. Freiwillige Zusatzversicherung
Die dargestellten Änderungen im Leistungsbereich führen zu einer Konzentration der LUV. Dieser Verringerung des Leistungsspektrums in seiner Gesamtheit ist durch die Möglichkeit eines bundesweiten Angebots von freiwilligen Versicherungen durch die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zu begegnen. Diese sind zentral anzubieten, privatrechtlich auszugestalten und zu finanzieren. Dabei ist jedoch sicherzustellen, dass es für jeden Teilbereich zu einer Kostendeckung der freiwilligen Versicherung kommt. Eine Mitfinanzierung durch Pflichtbeiträge ist auszuschließen.
5. Katasterbereich
In der LUV sind ca. 1,7 Millionen Unternehmen versichert, von denen ca. 900.000 eine Fläche von weniger als fünf Hektar bewirtschaften. Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften werden aufgefordert, die Beiträge für die Unternehmen im unteren Katasterbereich kostendeckend festzusetzen. Dabei sind nicht nur die Rentenaufwendungen einschließlich der so genannten Renten-Altlast, sondern auch die Aufwendungen für Heilbehandlung und insbesondere die Verwaltungskosten entsprechend zu berücksichtigen."
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