Landwirtschaft und Industrie fordern praktikable Pflanzenschutzpolitik / Gemeinsame Pressekonferenz der Agrarverbände in Brüssel
(Brüssel) - Mit Sorge verfolgt die deutsche Agrarwirtschaft die Fortschreibung der Pflanzenschutzpolitik in Europa. Derzeit wird die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln neu geregelt. Außerdem ist eine Richtlinie mit gemeinsamen Vorgaben für den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Arbeit. Die Landwirte befürchten, dass zahlreiche Pflanzenschutzmittel verloren gehen und die neuen Auflagen ihre Wettbewerbsfähigkeit empfindlich beeinträchtigen könnten. Die Industrie sieht ihre Möglichkeiten stark beschnitten, innovative Produkte zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Der Deutsche Bauernverband (DBV), der Deutsche Raiffeisenverband (DRV), der Bundesverband des Großhandels mit Dünge- und Pflanzenschutzmitteln (BGDP), der Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft (BVA) und der Industrieverband Agrar (IVA) als Zusammenschluss der Hersteller von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland appellieren deshalb in einer gemeinsamen Position an Kommission und Europäisches Parlament, auf Überregulierungen zu verzichten und die Vorschriften für die Anwendung praktikabel zu gestalten.
Die Kommission sagt, dass sie mit der neuen Zulassungsverordnung die Innovation im Pflanzenschutz fördern will; herausgekommen ist eine Innovationsbremse ersten Ranges, erklärte IVA-Präsident Hans Theo Jachmann vor der Presse in Brüssel. Der Datenschutz für die forschungsintensive Industrie soll erheblich vermindert werden. Dann aber lohnen sich Investitionen in Neu- und Fortentwicklungen nicht mehr für die Unternehmen.
Außerdem könnte sich der Marktzugang für innovative Pflanzenschutzmittel erheblich verzögern. Künftig soll zudem nicht mehr das tatsächliche Risiko einer Pflanzenschutzmaßnahme für eine Zulassung entscheidend sein, sondern die theoretische Gefahr, die vom konzentrierten Wirkstoff ausgeht. Dadurch könnten bis zur Hälfte aller Pflanzenschutzmittel vom Markt verschwinden. Viele Schädlinge und Krankheiten, vor allem bei Obst und Gemüse, können dann nicht mehr behandelt werden, so Jachmann.
Für Friedhelm Decker, den Umweltbeauftragten des Deutschen Bauernverbands (DBV) und Vorsitzenden der Beratenden Gruppe Landwirtschaft und Umwelt der EU-Kommission, ist die von der Kommission vorgeschlagene zonale Zulassung ein wichtiger Schritt zur Harmonisierung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Europa. Die landwirtschaftlichen Betriebe stehen mit ihren Erzeugnissen im internationalen Wettbewerb. Es ist nicht länger tragbar, dass bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in jedem EU-Land unterschiedliche Bedingungen gelten betonte Decker. Dies sei für die Landwirte ein erheblicher Wettbewerbsnachteil, für die Verbraucher eine Mogelpackung. Decker kritisierte aber die drohende weitere Nationalisierung der Pflanzenschutzmittel-Zulassung, die sich aus den Vorschlägen des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments ergebe. Hiermit sei das Ziel eines europäischen Binnenmarktes ad absurdum geführt.
Auf erheblichen Widerstand stoßen beim Deutschen Bauernverband die Forderungen aus dem Umweltausschuss des Europäischen Parlaments, die Auflagen für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln deutlich auszudehnen. Die Gefahr der Überregulierung und übermäßigen Einschränkung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln sei offensichtlich. Decker verwies auf die großen Fortschritte beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Hierzu zählten verbesserte Anwendungstechniken, innovative Mittel, gestiegenes Bewusstsein der Landwirte und die schnelle und konsequente Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Praxis. Damit verfolgten die deutschen Landwirte erfolgreich das Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft, die Landbewirtschaftung möglichst effizient und Umwelt schonend zu betreiben.
Wir können hochwertige Nahrungsmittel nur erzeugen und vermarkten, wenn wir über eine breite Palette von Pflanzenschutzmitteln verfügen, erklärte Volker Petersen, Stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV). Bei Kirschen beispielsweise sei die Toleranzschwelle des Verbrauchers bereits mit der ersten Made überschritten. Die Mitgliedsunternehmen des DRV versorgen die Landwirtschaft einerseits mit den notwendigen Betriebsmitteln und vermarkten andererseits die landwirtschaftlichen Erzeugnisse.
Auch Petersen begrüßte die Pläne für eine zonale Zulassung. Vorrangiges Ziel muss sein, die Zulassungen schnell und möglichst flächendeckend zu erhalten. Eine gegenseitige Anerkennung müsse zudem auch über die Zonengrenzen hinweg möglich sein. Wein beispielsweise werde sowohl in der südlichen als auch in der mittleren Zone angebaut.
Im Sinne des freien Warenverkehrs pocht der Stellvertretende DRV-Generalsekretär auf klare Regelungen zum grenzüberschreitenden Handel und zur Abgabe an die landwirtschaftlichen Verwender. Nur mit verbindlichen Vorgaben könnten die angestrebten Schutzziele auch eingehalten werden, so Volker Petersen.
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