"Kunst darf an die Grenzen gehen, bis es schmerzt" - ver.di-Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht zur "Schmähkritik" von Böhmermann
(Berlin) - In einer heute veröffentlichten Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) einen als "Schmähgedicht" überschriebenen Vortrag von Jan Böhmermann im ZDF als "von der Kunstfreiheit gedeckt" bezeichnet. "Eine demokratische Gesellschaft muss aushalten können, dass Künstler*innen in künstlerischer Form an Grenzen gehen, bis es schmerzt", erläuterte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz. "Die Satire aus dem Jahr 2016 ging möglicherweise in Teilen über Grenzen hinaus. Genau das hat der Künstler jedoch mit seinem Gesamtwerk beabsichtigt und künstlerisch konzeptionell umgesetzt. Das Gesamtkunstwerk aus Einleitung und Vortrag ist damit von der Kunstfreiheit gedeckt."
Nachdem Jan Böhmermann Verfassungsbeschwerde gegen die Gerichtsentscheidungen des Landgerichts (LG) Hamburg aus dem Jahr 2017 und des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg aus dem Jahr 2018 eingelegt hat, wurde ver.di als mitgliederstärkste Vertretung von Kunst- und Medienschaffenden neben anderen Stellen und Vereinigungen vom Bundesverfassungsgericht Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Wesentliche Verfahrensfragen sind nun, ob die als "Schmähgedicht" bekannt gewordene Satire, in deren Mittelpunkt der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan stand, der durch Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützten Kunstfreiheit unterfällt oder die sich aus Art. 5 Abs. 2 GG ergebenden Schranken der Meinungsäußerungsfreiheit hierdurch überschritten wurden. Das Bundesverfassungsgericht muss dabei die Reichweite und Grenzen von Satire und der Beeinträchtigung der Kunst- und Meinungsfreiheit in Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beurteilen.
Ihrer Einschätzung zu den mit der Entscheidung des Gerichts verbundenen Weichenstellungen und potentiellen Auswirkungen auf das Arbeiten und Schaffen von Künstler*innen hat ver.di ein Kurzgutachten des Verfassungsrechtlers und Künstlers Prof. Dr. Bernhard Schlink zur Seite gestellt. In seiner Bewertung kommt dieser zu dem Ergebnis, dass der Künstler durch die angegriffenen Entscheidungen unverhältnismäßig in seiner Kunstfreiheit beschränkt wurde und die Verfassungsbeschwerde von Jan Böhmermann damit begründet ist.
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