Kulturpolitischer Rückblick 2022 und Wünsche für 2023 / Reden ist Silber, Handeln ist auch in der Kulturpolitik Gold
(Berlin) - 2022 war das dritte kulturpolitisches Ausnahmejahr in Folge. Die Coronapandemie hat den Kulturbereich weiterhin fest im Griff, zusätzlich hat der Überfall Russlands auf die Ukraine auch im Kulturbereich tiefe Spuren hinterlassen. Für 2023 erhoffen wir uns eine Verbesserung der Gesamtsituation für den Kulturbereich und erwarten von der Bundesregierung ein beherztes Angehen der überfälligen Reformen (Humboldtforum, Soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler, Kulturfonds Energie, Staatsziel Kultur ins Grundgesetz, u.a.).
Hier einige Stichworte:
Ukrainekrieg
- 24.02.2022 war ein tiefer Einschnitt für den Kulturbereich, Russland überfällt die Ukraine
- große Hilfsbereitschaft aus dem Kulturbereich, Unterstützung von Kulturinstitutionen in der Ukraine bei der Rettung von Kulturgut; Unterstützung von ukrainischen Künstlerinnen und Künstler, die nach Deutschland kommen
- Krieg gegen die Ukraine: Schnell helfen und Perspektiven entwickeln
Energiekrise
- höhere Energiepreise treffen den Kulturbereich mit voller Wucht
- viele Künstlerinnen und Künstler, aber auch viele Kultureinrichtungen befinden sich in energetisch schwierigen Gebäuden; Investitionen in eine energetische Sanierung der Kulturorte wurde viele Jahre aufgeschoben
- der geplante Kulturfonds Energie des Bundes wird Kulturorte und Kulturveranstalter und hoffentlich auch Orte der kulturellen Bildung unterstützen, leider kann offensichtlich keine Unterstützung aus dem Fonds für Künstlerinnen und Künstler erwartet werden
- trotzdem, der Kulturfonds Energie ist sehr wichtig, wir erwarten von der Bundesregierung schnelle Entscheidungen in den ersten Januarwochen; Lücken, wie bei der Förderung von Künstlerinnen und Künstler, müssen die Länder schnell schließen
- zusätzlich muss ein Investitionsprogramm aufgelegt werden, damit die energetische Sanierung der Kulturorte erfolgen kann
- Energie für Kultur: Vielfalt der Kultur unterstützen und stärken
documenta
- die documenta 15 ist ein dunkles Kapitel im zu Ende gehenden Jahr,
- ein Konflikt zwischen Postkolonialismusdebatte und Antisemitismus ist überdeutlich aufgebrochen
- wir haben konkrete Vorschläge für eine Reform der documenta vorgelegt und erwarten von der Bundesregierung, dem Land Hessen und der Stadt Kassel, dass eine zügige Reform der Documenta in Angriff genommen wird
- documenta: Kunstfreiheit sichern und stärken, Strukturen verbessern
Corona
- die Pandemie hat tiefe Spuren im Kulturbereich hinterlassen
- lange Schließzeiten von Kultureinrichtungen haben dazu geführt, dass Menschen teilweise den Kontakt zu Kultur verloren haben und dass sie Kultur weniger nutzen
- die Einkommen der Künstlerinnen und Künstler sind noch nicht wieder auf dem Vorkrisenniveau
- viele privatwirtschaftliche Kulturunternehmen sind eher zögerlich, was Experimente angeht und setzen nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen auf Bewährtes
- wichtige Hilfsmaßnahme für Veranstalter (Sonderfonds Kulturveranstaltungen des Bundes mit der Wirtschaftlichkeitshilfe und Ausfallhilfe) fand das ganze Jahr 2022 statt und hat viele ermutigt, auch Veranstaltungen mit Risiko zu planen, leider läuft die Maßnahme am 31.12.2022 aus
- das Programm NEUSTART KULTUR läuft nur noch im Mitte 2023
- die Erholungszeit für den Kultursektor wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen
- wir erwarten von der Bundesregierung weiterhin Unterstützung des Kulturbereiches
Soziale Lage der Künstler
- die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler ist schon lange schwierig
- die Corona-Pandemie hat Problembewusstsein geschärft
- zentral zur Verbesserung der Situation ist die Erhöhung der Einkommen
- die Kulturministerkonferenz hat in 2022 mit dem Vorschlag von Basishonoraren einen ersten Schritt gemacht
- diese müssen nun mit Leben gefüllt werden, verschiedene Vorschläge aus dem Kulturbereich (ver.di, BBK, unisono u.a.) liegen vor; die Diskussionen und Verhandlungen müssen in den Ländern stattfinden
- zusätzlich ist die Debatte um die Arbeitslosenversicherung für Künstlerinnen und Künstler wichtig
- wir erwarten von der Bundesregierung eine zügige Umsetzung der aus dem Kulturbereich vorliegenden Vorschläge
- Deutscher Kulturrat plädiert für faire und angemessene Vergütung von Solo-Selbständigen im Kulturbereich
Kulturelle Integration
- die von uns initierte Initiative kulturelle Integration hat beim Kampf gegen den Antisemitismus und Rassismus in unserem Land auch 2022 Zeichen gesetzt
- die Jahrestagung fand zum Thema Rassismus statt
- der Schreibwettbewerb L'Chaim - Schreib zum jüdischen Leben in Deutschland!" wurde durchgeführt wird
- im Frühjahr 2023 großer Schultheaterwettbewerb mit Blick auf den Anschlag in Hanau im Deutschen Theater Berlin
Kolonialismus
- die Rückgabe der ersten Benin-Bronzen nach 125 Jahren hat stattgefunden
- wir begrüßen die Anstrengungen der Bundesregierung bei der Aufarbeitung des kolonialen Unrechts
- wir sehen besonders das Humboldt Forum als den Ort der dafür notwendigen öffentlichen Debatte
- Zur Zukunft des Humboldt Forums
Geschlechtergerechtigkeit
- Gender Pay Gap von rd. 24 Prozent weiterhin erschreckend, Steigerung um 3 Prozent vom Stand 2019 - 2022
- 2022 wurde die Unterstützung von Frauen, die Führungspositionen anstreben, in unserem Mentoringprogramm noch einmal ausgebaut
Staatsziel Kultur
- bereits in ihrem Zwischenbericht 2005 hat sich die Enquete-Kommission Kultur des Deutschen Bundestages klar für das Staatsziel Kultur im Grundgesetz ausgesprochen und einstimmig empfohlen, Art. 20 GG um einen Abschnitt b mit dem Wortlaut "Der Staat schützt und fördert die Kultur" zu ergänzen.
- diese Handlungsempfehlung der Enquete-Kommission wird vom Deutschen Kulturrat nachdrücklich unterstützt
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: "Im dritten Krisenjahr in Folge hat der Kulturbereich in Deutschland weiter mit der Coronakrise zu kämpfen. Zusätzlich hat der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Situation auch für den Kulturbereich insgesamt verschärft. Für das kommende Jahr erhoffen wir uns eine Verbesserung der Situation, zuallererst für die von Krieg unmittelbar betroffen Menschen, dann aber auch für den Kulturbereich. Ohne Unterstützung durch die öffentliche Hand wird der Kulturbereich aber nicht wieder in die "Normalität" vor den Krisen zurückfinden.
Hier ist die Bundesregierung und besonders die Kulturstaatsministerin gefordert, konkrete Hilfen auf den Weg zu bringen. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass im kommenden Jahr auch die überfälligen Reformen des Humboldt Forums und der documenta beherzt angegangen werden. Wir haben hierzu konkrete Vorschläge gemacht. Außerdem erwarten wir, dass in 2023 zur Verbesserung der sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler und zur Implementierung das Staatsziel Kultur in Grundgesetz, das seit nunmehr 18 Jahren gefordert wird, endlich konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Reden ist Silber, Handeln ist auch in der Kulturpolitik Gold."
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Kulturrat e.V.
Olaf Zimmermann,
Markgrafendamm 24, 10245 Berlin
Telefon: (030) 226 05 28-0, Fax: (030) 226 05 28-11