Kritik an Wahlwerbung der Parteien / Werberat mahnt Moral an / Gremium auch unzufrieden mit Tendenzen in der Wirtschaft
(Berlin) - Für künftige Wahlkämpfe ruft das Selbstkontrollorgan der Werbebranche, Deutscher Werberat, die politischen Parteien zu mehr Anstand und Respekt vor den konkurrierenden Bewerbergruppen auf. Würden die Werbegesetze der Wirtschaft auf politische Reklame anwendbar sein, müsste ein Teil davon als irreführend oder diskriminierend und damit als unlauter eingestuft werden.
Einzelne Vorgänge aus dem aktuellen Bundestagswahlkampf wolle das Gremium um seiner Neutralität willen nicht benennen. Gerade weil die politischen Parteien aber im Vergleich zur kommerziellen Werbung einen wesentlich größeren rechtlichen Spielraum hätten, sollten sie auf schlechte Vorbilder verzichten. Man könne von der Wirtschaft nicht verlangen, was man selbst an Werten nicht einhalte.
Auch Richtung Unternehmen mahnt der Werberat bei der Vorlage seiner Halbjahresbilanz 2005. Zwar seien die über kommerzielle Kommunikation bei ihm eingereichten Beschwerden auf 383 zurückgegangen (Vorjahr 480). Auch hätten die von den Protesten betroffenen Werbemaßnahmen trotz des heftigen Wettbewerbs mit 139 zu beurteilenden Werbesujets (Vorjahr 140) nicht zugenommen. Aber am Rande des Werbegeschehens entwickle sich eine Art Masche mit Moral. Spenden im Sozialbereich oder für die Umwelt würden mit dem Kauf der offerierten Produkte manchmal in einer Weise verknüpft, die den Konsum zu einer moralischen Handlung verändert. Häufig sei diese Form der Kundenansprache eben nicht nur rechtlich problematisch.
Erfreulich sei dagegen, dass der Werberat im ersten Halbjahr des laufenden Jahres keine Rüge aussprechen musste. Bei den 25 vom Berliner Gremium beanstandeten Werbekampagnen erklärten sich alle betroffenen Firmen im Laufe des Beschwerdeverfahrens zur Korrektur oder Rücknahme der Werbung aus dem Markt bereit.
So warb der Hörfunkspot für eine staatliche Lottogesellschaft mit kirchlicher Orgelmusik. Eine pathetische Ansprache verkündete mit der Einleitung "Ach, Du heiliger Geist" die Gewinnchancen und endete mit den Worten "Gott sei Dank".
Eingestellt wurde gleichzeitig die Anzeige eines Möbelhauses. Es warb für seine Polstermöbel mit einem von oben fotografierten tiefen Dekolleté sowie dem Text "Sie wollen's gut gepolstert?"
Aus dem Verkehr gezogen hatte ebenso ein Automobilhersteller seinen TV-Spot. In einem Kaufhaus fordert eine Mutter ihr kleines Kind dazu auf, ein Spielzeugauto vor dem Kauf doch erst einmal zu testen, worauf der Junge das Fahrzeug eine Etage tiefer warf, wo es zerbrach. Anschließend verließen Mutter und Kind das Kaufhaus. Der Werberat teilte die Meinung des Beschwerdeführers, dass die Zerstörung fremden Eigentums zur Nachahmung animieren könnte und strafbares Fehlverhalten nicht als billigenswert dargestellt werden sollte.
Unter den 111 von Protesten betroffenen Werbekampagnen war das Plakat einer Fluggesellschaft für die Flugstrecken Krakau, Paris und Bratislava und dem Werbeslogan "Keiner liebt mich!". Diese Aussage hielt eine Beschwerdeführerin für frauendiskriminierend die Flugziele stünden in enger Verbindung zur käuflichen Liebe. Dieser Interpretation konnte sich der Werberat nicht anschließen.
Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. (ZAW)
Am Weidendamm 1a, 10117 Berlin
Telefon: 030/590099-700, Telefax: 030/590099-722
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