Pressemitteilung | (BKK) Betriebskrankenkassen Landesverband Hessen KdöR

Krankenkassen brauchen umgehend Perspektiven und Planungssicherheit / BKK fürchtet Zuspitzung der Finanzierungsprobleme während konjunkturschwacher Zeit

(Frankfurt am Main) - Die Bundesregierung lässt sich mit der angekündigten Kehrtwende in der Gesundheitspolitik unangemessen viel Zeit. Der Vorstandsvorsitzende des BKK Landesverbandes Hessen, Jürgen Thiesen, fordert daher, "die angekündigte Regierungskommission muss baldmöglichst Signale setzen, wie die Finanzierungsprobleme der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gelöst werden sollen." Ansonsten bliebe die wettbewerbsferne Gesundheitspolitik von Ulla Schmidt mit Einheitsbeitragssatz und begrenztem Zusatzbeitrag mittelfristig erhalten.

Brisante Finanzlage der GKV

Der Bundeszuschuss in Höhe von 3,9 Mrd. Euro an den Gesundheitsfonds federt krisenbedingte Einnahmeschwächen der GKV nur teilweise ab. Der Schätzerkreis kalkuliert darüber hinausgehende Forderungen in Höhe von circa 4 Mrd. Euro allein für das Jahr 2010. Statistisch ergibt sich hieraus ein monatlicher Zusatzbeitrag von ca. 6 Euro je Mitglied. Um diesen Bedarf kassenindividuell und wettbewerblich regeln zu können, sei das Zugeständnis vollständiger Beitragsautonomie an die gesetzlichen Krankenkassen überfällig. Andernfalls deckt nur eine verbindliche Zusage weiterer Staatshilfen das erwartete Defizit.

Weitere Belastungen in Milliardenhöhe stehen an durch die Rückzahlungspflicht des Darlehens aus Steuermitteln aus dem Jahr 2009 in Höhe von 2,1 Mrd. Euro sowie der Belastung aus der Konvergenzklausel 2009 von ca. 0,5 Mrd. Euro. Verstärkt wird der Handlungsbedarf durch die Rückführung des Steuerzuschusses im Jahr 2011 von 15,7 Mrd. Euro auf 13,3 Mrd. Euro und im Jahr 2012 auf 14 Mrd. Euro.

Vorschläge für kurzfristige Maßnahmen

In jedem Fall, so Thiesen, muss über eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel nachgedacht werden. Dies ist in anderen EU-Staaten längst ein Standard und bedeutet für die GKV jährliche Einsparungen in Höhe von 2,7 Mrd. Euro. Derzeit verteile der Staat seinen Obolus aus dem Pharmageschäft ohne Zweckbindung, willkürlich und ohne Nießbrauch der Patienten innerhalb des Bundeshaushalts um. Das Management des Arzneimittelsegments sei in der unmittelbaren Verantwortung der Kostenträger sehr viel besser aufgehoben.

Auch die aktuelle Regelung zur Beitragszahlung für Arbeitslose ist reformbedürftig: Derzeit dürfen die Krankenkassen das Arbeitslosengeld nur teilweise verbeitragen (80 Prozent des Bezugs). Und pro Bezieher der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II) werden der zuständige Kasse sogar nur ca. 135 Euro erstattet. Zahlt die Bundesagentur für Arbeit in den Gesundheitsfonds einen kostendeckenden Beitrag von rund 260 Euro je Mitglied, ergeben sich allein für die Bezieher der Grundsicherung gerechte Mehreinnahmen in Höhe von derzeit ca. 4,9 Mrd. Euro für die GKV.

Sollte die Bundesregierung an dem Instrument des Zusatzbeitrages festhalten, könnte sie eine zusätzliche Belastung der Beitragszahler für den Beitragseinzug in Höhe von ca. 2,5 Mrd. Euro für die GKV dadurch vermeiden, dass der Einzug des Zusatzbeitrages über die Arbeitgeber, Deutsche Rentenversicherung und Bundesagentur für Arbeit läuft. Ansonsten entstehen diese zusätzlichen Kosten bei den Krankenkassen für die Einrichtung von versichertenbezogenen Einzelkonten, aufwendigen Einkommensprüfungen und Mahnverfahren.

Vereinfachung des Solidarausgleichs

Die Koalitionspläne zur Reduzierung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA), so Thiesen, müssen "umgehend konkretisiert werden. Eine Vereinfachung und Entbürokratisierung ist bereits durch standardisierte Zuschläge nur für schwere und sehr kostenintensive Krankheitsbilder zu erreichen. Die derzeit gültige Regelung mit 80 Krankheitsbilder und rund 3.800 Diagnosen macht die Kalkulation angemessener Zuteilungen unmöglich und beweist sich als gleichermaßen intransparent wie manipulationsanfällig." Dies sei inakzeptabel und geht mit unvertretbarem Verwaltungs- und statistischem Aufwand einher.

Hausarztverträge ohne staatlichen Vertragszwang

Die BKK befürwortet den von Einzelverträgen mit Ärzten ausgehenden Versorgungswettbewerb. Oktroyierte Hausarztverträge hingegen, so Thiesen, setzen allerdings falsche Akzente. Die mit dem Koalitionsvertrag um drei Jahre verlängerte Verpflichtung zum Abschluss entsprechender Verträge mit Hausärzten verteuere die Versorgung, ohne deren Qualitätszuwachs nachweisen zu können. Bei Verhandlungen mit dem Monopolisten "Hausärzteverband" fehle die Wirkung des Interessenausgleiches für andere Arztgruppen, der bisher durch die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen zur Sicherstellung der Gesamtversorgung der Versicherten vertreten wurde. Denn die Mittel aus dem Gesundheitsfonds seien nicht unerschöpflich. Es hat sich gezeigt, so Thiesen, dass der Vertragszwang zu diesen Fehlentwicklungen geführt hat. Der Wettbewerb um eine gute Versorgung sollte deshalb kurzfristig vom staatlichen Vertragszwang befreit werden. Ärzte und Krankenkassen sollten eine Option erhalten, freiwillig Hausarztverträge zu schließen.

Eine inhaltlich vertiefte Langfassung zur Position des BKK Vorstandes finden Sie unter: Position zu Koalitionsverabredungen (http://www.bkk-hessen.de/index.php?dms_id=141&article_id=374).

Quelle und Kontaktadresse:
BKK Betriebskrankenkassen Landesverband Hessen KdöR Stefan Eckerlein, Pressereferent, Presse Stresemannallee 20, 60596 Frankfurt am Main Telefon: (069) 963790, Telefax: (069) 96379100

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