Krankenhausstrukturreform / Montgomery: "Politik fehlt Mut und Wille für nachhaltige Reformen"
(Berlin) - Anlässlich der öffentlichen Anhörung des Gesetzentwurfs für eine sogenannte Krankenhausstrukturreform am kommenden Montag im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages erklärt der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery:
"Wer eine Qualitätsoffensive ausruft, der muss auch den Mut zur Qualität haben. Bund und Länder aber wollen ihrem erklärten Willen zur Krankenhausreform keine wirklichen Taten folgen lassen. Mit Symptombekämpfung allein lassen sich jedoch weder die äußerst problematischen Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern, noch die Versorgungslage der Patienten verbessern.
Der Politik muss endlich klar werden, dass gute medizinische Versorgung nicht zum Nulltarif zu haben ist. Eine jährliche Steigerung von 1,5 - 2 Prozent der stationär versorgungsbedürftigen Patienten auf mehr als 19 Millionen Patienten pro Jahr, die gleichzeitige Verkürzung der Verweildauer und immer mehr Notfallpatienten haben zu immenser Arbeitsverdichtung und Mehrarbeit geführt. Ärzte und Pflegekräfte arbeiten am Limit, um die Folgen der unzureichenden Finanzierung zumindest zu mildern. Wir brauchen gesetzgeberische Maßnahmen zur umfassenden Refinanzierung der Tarifabschlüsse sowie zur Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Gesetzentwurf ist davon jedoch nichts zu finden.
Fest steht, dass der Finanzierungsbedarf der Krankenhäuser in einer älter werdenden Gesellschaft weiter steigen wird. Immer noch aber müssen Kliniken in erheblichem Maße Finanzmittel, die für die Patientenversorgung bestimmt sind, für dringend notwendige Investitionen verwenden, weil die Bundesländer ihren Investitionsverpflichtungen seit Jahren nicht nachkommen. Die Investitionsmittel der Länder sind seit 1991 um rund 30 Prozent gesunken. Das daraus entstandene Defizit beläuft sich bundesweit mittlerweile auf mehr als 30 Milliarden Euro. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Festschreibung des Investitionsvolumens auf lediglich den Durchschnitt der Jahre 2012 - 2014 ist hingegen völlig unzureichend. Leidtragende sind die Patienten und die Mitarbeiter in den Kliniken. Wir brauchen deshalb klare und einklagbare Verpflichtungen der Länder für Krankenhausinvestitionen und auch der Bund muss ergänzend Mittel zur Verfügung stellen.
Diskussionsbedürftig ist auch das dem Reformansatz zugrunde liegende Verständnis zur weiteren Ausgestaltung und Anwendung der Qualitätssicherung. Künftig sollen Qualitätszuschläge und -abschläge für Leistungen eingeführt werden, die in außerordentlich guter oder unzureichender Qualität erbracht werden. Die bisherigen Erfahrungen mit solchen Pay-for-Performance-Ansätzen sind alles andere als überzeugend. Zusätzlich zu dem erheblichen methodischen Entwicklungsbedarf dieser Verfahren besteht ein enormes Potenzial an Fehlanreizen. Insbesondere Krankenhäusern, die multimorbide Patienten mit hohem Betreuungsaufwand bei gleichzeitig ungünstiger Prognose behandeln, droht eine systematische Benachteiligung. Erst kürzlich hat die Fachzeitschrift JAMA eine US-amerikanische Studie mit dem paradoxen Ergebnis veröffentlicht, dass ausgerechnet die Krankenhäuser, die aufwändige Betreuungsangebote vorhalten und auch problematische Verläufe akribisch dokumentieren, um aus ihnen zu lernen, mit finanziellen Abschlägen wegen vermeintlicher Qualitätsmängel bestraft wurden. Das eigentlich vorbildliche Engagement wurde für sie unter Pay-for-Performance-Bedingungen zum Bumerang."
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