Krankenhausreform beschlossen – die Folgen für die Versorgung sind unklar
(Berlin) - Zahlreiche Änderungen, aber leider nicht die für die Krankenhäuser wichtigen. Gestern hat der Bundestag mit den Stimmen der Ampelparteien das Gesetz zur Krankenhausreform beschlossen. Der Vorstand des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) zeigte sich in seiner heutigen Sitzung enttäuscht, wenn auch wenig überrascht. Das Ergebnis hatte sich nach der Pressekonferenz des Bundesgesundheitsministers am 8. Oktober, also kurz vor der gestrigen 2. und 3. Lesung im Bundestag, bereits abgezeichnet. Vorgestellt wurden den Medien – nicht zuerst dem Gesundheitsausschuss! – hier rund 50 vielfach kleinstteilige Änderungsanträge am vorgesehenen Krankenhaus¬versorgungs¬verbesserungs-gesetz (KHVVG).
„Wenngleich wir einige der vorgesehenen Änderungen im ersten Überblick durchaus als sinnvoll bewerten“, so der VKD-Vorstand, „sehen wir andere vor allem in der aktuellen wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser deutlich kritischer. Ein Beispiel ist die vorgesehene erhebliche Ausweitung der ambulanten Fälle und der Hybrid-DRG-Fälle. Hier hat unser Verband bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es dafür struktureller und baulicher Voraussetzungen bedarf, die derzeit meist erst aufgebaut – und natürlich finanziert – werden müssten.“
Die Kritik aus den Bundesländern und den Krankenhäusern, auch aus dem VKD, sei dagegen im Wesentlichen von Beginn an ignoriert worden, so die Vorstandsmitglieder. Immer wieder habe der VKD darauf verwiesen, dass die nun einzuführende Vorhaltefinanzierung ihr Ziel – die Stabilisierung vor allem der Grundversorgungskrankenhäuser in der Fläche sowie die Förderung hochspezialisierter Behandlungen in Zentren – weitestgehend verfehlen werde. Es sei nicht nur ein überkomplexes, bürokratisches Konstrukt, sondern führe die Abrechnung nach Fallpauschalen, wenn auch in etwas verkürzter Form, fort und setze auf dem bisher schon unzureichenden Finanzierungsvolumen auf, das lediglich umverteilt werde. Hier bestehe in der Umsetzung nun die Gefahr erheblicher Wartelisten für die Patienten. Von der versprochenen Entökonomisierung könne keine Rede sein.
Der VKD hatte hier vorgeschlagen, bereits etablierte und bewährte Regelungen, wie den Sicherstellungszuschlag oder den Notfallstufenzuschlag, zu nutzen, bevor eine bessere Lösung gefunden ist. So käme man dem Ziel einer fallzahlunabhängigen Existenzsicherung von Grundversorgungshäusern vor allem in der Fläche für eine Übergangszeit näher. Leider ist auch dieser pragmatische Vorschlag aus der Praxis nicht aufgenommen worden.
Dass die Abgeordneten der Ampelparteien auch die aktuelle wirtschaftliche Lage der meisten Krankenhäuser offenbar nicht als so schwerwiegend einschätzten, wie die Opposition, zeigte die Ablehnung des Entschließungsantrags der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Vorschaltgesetz jetzt beschließen und kalte Strukturbereinigung in der deutschen Krankenhauslandschaft verhindern“ (20/8402). „Sie schicken damit viele Häuser, die darauf dringend angewiesen sind, auf eine weitere finanzielle Talfahrt, die in weiteren Insolvenzen und Abteilungsschließungen münden wird. Ein Blick auf die Bilanzen dieses Jahres und auf das kommende Jahr zeigt weiterhin eine große Kosten-Erlös-Lücke, die durch dieses Gesetz nicht annähernd geschlossen wird. Damit werden uns als kaufmännischen Führungskräften Entscheidungen abverlangt werden, die unseren Mitarbeitern und auch den Patienten schwer zu erklären sein werden. Und auch unsere Träger und Gesellschafter werden gezwungen sein, Schließungen oder massive Umstrukturierungen ohne regionale Planung umzusetzen, wenn nicht systemfremde Mittel zu einem Ausgleich eingesetzt werden. Hier unterscheiden sich die Sicht der Praktiker auf die Realität ihrer Krankenhäuser offenbar deutlich von der Sicht der Ampelparteien – und jeder Abgeordnete, der im Bundestag für dieses Gesetz gestimmt hat, sollte in seinem Wahlkreis auch Verantwortung übernehmen, wenn Kliniken jeglicher Trägerart schließen oder die Versorgung durch Abbau von Leistungen schlechter wird.“ kommentierte VKD-Präsident Dirk Köcher.
Dass die Bürokratiekosten mit der Reform ungebremst durch die vielfältigen kleinteiligen Regelungen und Vorschriften weiter ansteigen werden, war ebenfalls vorauszusehen. Entbürokratisierung bleibt – wie schon gewohnt – nur ein Schlagwort, auch wenn Bundesgesundheitsminister Lauterbach und Redner der Ampelparteien darauf verwiesen, dass die Reform doch zum Bürokratieabbau führen werde. Hier und da vielleicht, aber dafür kommen neue Bürokratiepflichten hinzu. Noch mehr kostbare Arbeitszeit muss für überflüssige Dokumentations- und Nachweispflichten aufgebracht werden und kommt damit den Patienten nicht zugute.
Ein „ungefangener Fisch“ bleibt die Finanzierung des notwendigen Transformationsfonds für die Umsetzung der Reform, denn die vorgesehenen Finanziers – Länder und gesetzliche Krankenkassen – sollen das allein stemmen, zeigen sich aber dazu weder willens noch in der Lage. Und auch der Versuch einer freiwilligen Beteiligung der privaten Krankenversicherungen ist nachvollziehbar schwierig, wenn selbst die gesetzlichen Krankenversicherungen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Entnahme der Mittel aus dem Gesundheitsfonds haben.
Und auch der Umgang mit der lang geforderten Auswirkungsanalyse lässt das Vertrauen in eine gemeinsame Lösung nicht wirklich wachsen. Laut Medienberichten soll die Auswirkungsanalyse innerhalb der Regierungskoalition bereits längere Zeit genutzt werden. Nun soll sie angeblich in den nächsten Tagen zumindest den Länderministern zugehen. Man kann es als Skandal bezeichnen, dass die Abgeordneten der Ampelparteien ohne jede Ahnung, wie sich die Reform zum Beispiel in ihren Wahlkreisen auswirken wird, ein so weitreichendes, komplexes Reformwerk mit ihren Stimmen beschlossen haben.
Die „Revolution“ des Bundesgesundheitsministers ist nun also im Bundestag beschlossene Sache. Die gut begründeten maßgeblichen Kritikpunkte am Reformgesetz von Ländern und Verbänden wurden im Wesentlichen ignoriert, die größten Probleme bleiben ungelöst. Dass es nach wie vor an einer veröffentlichten Auswirkungsanalyse dieses komplexen Reformvorhabens fehlt, die sowohl von den Ländern als auch von den Krankenhausverbänden gefordert und vom Bundesgesundheitsminister auch zugesagt worden war, zeigt, dass die Reform nun auf einen gefährlichen Blindflug geschickt wird. Wie sich dieser auf die Versorgung der Bürger auswirken kann, ist völlig unklar.
Dass die Länder als Zuständige für die Krankenhausplanung dem Gesetz nicht zustimmen mussten, das tief in ihre Planungshoheit eingreift, ist an sich schon völlig unverständlich. Wir bauen darauf, so der VKD-Vorstand, dass die Länderkammer als letzte Instanz und mit Blick auf eine zukunftssichere Versorgung in ihrer Sitzung am 22. November geschlossen den Vermittlungsausschuss anrufen wird, um die wesentlichen Kritikpunkte zu entschärfen und so die Reform noch zu einem halbwegs guten Ende zu führen, denn wir brauchen sie. Mut machte hier die Rede von Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit, Soziales in Nordrhein-Westfalen, vor dem Bundestag, der erklärte, das Gesetz müsse überarbeitet werden. Er wolle die Reform nicht stoppen, aber es müsse dezidiert darüber gesprochen werden, an welchen Punkten Veränderungen notwendig seien. Dass die Auswirkungsanalyse erst nach der Abstimmung im Parlament kommen soll, sei die falsche Reihenfolge. Man werde den Weg über den Vermittlungsausschuss gehen. Ähnlich äußerte sich auch die bayerische Staatsministerin Judith Gerlach. Sie erklärte, der nun beschlossene Reformentwurf werde zu unakzeptablen Verwerfungen führen.
Wenn sich abschließend in der Praxis zeigt, wo überall Teile der Reform nicht umsetzbar sind oder zu einer deutlich schlechteren Versorgung führen, werden die Krankenhausleitungen es mit immer neuen Änderungsverordnungen zu tun bekommen, die dann von ihnen wieder mit viel Aufwand umzusetzen sind. Wir stehen als VKD weiterhin dafür, dass wir eine Strukturanpassung im Rahmen dieses Gesetzes unterstützen. Die Rahmenbedingungen müssen für die Kliniken aber so sein, dass der kalte Strukturwandel, wie wir ihn bisher sehen, gestoppt wird und der notwendige Strukturwandel plan- sowie sinnvoll für eine regionale Versorgung gestaltet wird. Dafür ist eine im Gesetz festgeschriebene wirtschaftliche Auskömmlichkeit auf Bundesebene sicherzustellen. Und an dieser Forderung halten wir weiterhin fest!
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