Konjunkturtief und schlechte Zahlungsmoral sorgen für neuen Pleitenrekord
(Hannover) - Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), Hamburg, hat die Zahl der Firmenpleiten im ersten Quartal 2002 um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zugenommen. Dieses Jahr rechnet der Verband mit einem Negativrekord von 37.200 Firmenzusammenbrüchen. Das sind fast 10 Prozent weniger, als von mehreren Instituten noch Anfang April prognostiziert wurden. 550.000 bis 600.000 Arbeitsplätze sind bedroht. Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden beträgt fast 40 Milliarden Euro. Gleichzeitig gibt es rund 30.000 Insolvenzen von Verbrauchern und ehemals Selbstständigen - eine Verdoppelung gegenüber 2001. "Das ist die größte Pleitewelle in der Nachkriegsgeschichte", sagt Inkasso-Präsident Ulf Giebel am 23. April.
Ein Grund ist die schlechte Zahlungsmoral. In ihrer traditionellen Frühjahrsumfrage sagen fast zwei Drittel (60 Prozent) der 472 BDIU-Mitgliedsunternehmen, die Zahlungsmoral habe im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum dritten Quartal 2001 weiter nachgelassen. "Egal ob gewerbliche oder private Schuldner, in Ost- oder in Westdeutschland: Alle zahlen sie gleich schlecht", so Giebel. Aussicht auf Besserung in absehbarer Zeit besteht laut Inkasso-Branche kaum.
Ein Drittel aller Pleitefirmen stammt aus dem Baugewerbe. Hier ist die Zahlungsmoral besonders schlecht. 85 Prozent der Inkasso-Unternehmen bestätigen das. Häufigste Gründe für Baupleiten sind laut 78 Prozent der BDIU-Mitglieder verspätete Zahlungen der Kunden, die schlechte Konjunktur (54 Prozent) und Forderungsausfälle privater Auftraggeber (53 Prozent). 70 Prozent der Inkasso-Firmen machen zu wenig Eigenkapital für eine Handwerker- oder Baupleite verantwortlich.
Die restriktive Vergabe von Krediten gefährdet die Betriebe zusätzlich, nicht zuletzt weil viele Institute Basel II vorgreifen - einer Richtlinie, die ab 2006 die Kreditvergabe der Banken von der Bonität der Unternehmen abhängig macht. Unternehmen mit wenig Eigenkapital und geringem Umsatz könnten dann schwieriger an Kredite gelangen. 76 Prozent der Inkasso-Unternehmen glauben, dass das für noch mehr Pleiten sorgen wird. 68 Prozent befürchten eine weitere Verschlechterung der Zahlungsmoral gewerblicher Schuldner. Ulf Giebel: "Der Mittelstand ist das Herz der Wirtschaft. Wir appellieren an Politik und Banken, die Finanzierung des Mittelstandes auch künftig zu sichern."
Überschuldung (94 Prozent der Inkasso-Unternehmen bestätigen das) und Arbeitslosigkeit (73 Prozent) sind der Grund, warum private Schuldner ihre Rechnungen nicht bezahlen. Viele Verbraucher sind zudem durch die Euro-Einführung verunsichert. Zwei Drittel rechnen noch immer in Mark und Pfennig.
Massive Preiserhöhungen etwa beim Bäcker, in der Kneipe, beim Frisör- oder Restaurantbesuch haben zu Kaufzurückhaltung geführt. Viele sind noch unsicher mit den neuen Eckpreisen - einige Verbraucher fühlten sich von den niedrigen Summen verführt, gaben mehr Geld aus als beabsichtigt und bezahlen dann auch immer später oder gar nicht offene Rechnungen. Fazit der Inkasso-Branche: Die Deutschen müssen den Umgang mit dem neuen Geld noch lernen.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU)
Brennerstr. 76
20099 Hamburg
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