Pressemitteilung | Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB)

Konjunkturbericht – Februar 2001 / Keine harte Landung der Weltwirtschaft zu befürchten

(Berlin) - In den letzten beiden Monaten hat die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft merklich zugenommen. Sorge bereitet vor allem der überraschend schnelle und heftige Konjunktureinbruch in den USA. Lag das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten im zweiten Quartal 2000 noch 1,4 % über dem Vorquartal, so ist der Zuwachs im vierten Quartal auf 0,35 % zurückgegangen. Wegen der weiterhin nachlassenden Frühindikatoren ist in den ersten drei Monaten 2001 sogar eine Stagnation beziehungsweise ein leichter Rückgang des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts zu befürchten.

Einen Schatten auf die Weltkonjunktur werfen aber auch die neuesten Konjunkturdaten aus Japan. Nach einer kurzen und zunächst recht viel versprechenden Erholung in der ersten Jahreshälfte des vergangenen Jahres ist die gesamtwirtschaftliche Leistung im dritten Quartal 2000 gegenüber dem Vorquartal um 0,6 % gesunken. Wegen der weiterhin sehr hartnäckigen Strukturprobleme der japanischen Wirtschaft ist eine schnelle Rückkehr auf einen ansprechenden Wachstumspfad gegenwärtig nicht in Sicht.

Vor diesem Hintergrund wurden in den letzten Wochen die Prognosen für das Wachstum der Weltwirtschaft im laufenden Jahr spürbar gesenkt. Vereinzelt wurde sogar auf die Gefahr einer „harten“ Landung der gesamten Weltkonjunktur hingewiesen. Solche Befürchtungen sind aus heutiger Sicht jedoch überzogen. Dies liegt vor allem daran, dass die Wirtschaftspolitik in den USA bereits begonnen hat, auf die schwache Konjunkturentwicklung zu reagieren. So wurden die amerikanischen Leitzinsen im Januar in zwei Schritten um einen Prozentpunkt gesenkt, und weitere Zinserleichterungen werden erwartet. Außerdem ist die Fiskalpolitik um eine möglichst rasche und kräftige Steuerentlastung bemüht. Freilich wirken geld- und fiskalpolitische Maßnahmen erst mit mehrmonatigen Verzögerungen auf die Konjunktur. Da aber seit einigen Jahren die Zukunftserwartungen von Verbrauchern und Unternehmen eine zunehmend wichtigere Rolle für die konjunkturelle Entwicklung spielen, dürfte der Übertragungsweg wirtschaftspolitischer Maßnahmen etwas kürzer geworden sein. Dies gilt um so mehr, als die Aktienmärkte, die bekanntlich besonders stark von den Zukunftserwartungen geprägt werden, in den USA inzwischen einen sehr großen Einfluss auf die Konsumausgaben gewonnen haben. Die stärkere Bedeutung von Erwartungen sowie die mit Hilfe der neuen Informationstechnologie weiter reduzierte Lagerhaltung könnten die Reaktionsgeschwindigkeit der Konjunktur auf Änderungen im wirtschaftlichen Umfeld grundsätzlich erhöht haben. Dies könnte wiederum eine Erklärung für den gegenwärtig überraschend schnellen Konjunktureinbruch in den USA liefern, zugleich aber auch Hoffnungen auf eine schnellere Wirksamkeit der Wirtschaftspolitik schüren.

So gesehen bestehen gute Chancen, dass die eingeleiteten beziehungsweise sich schon abzeichnenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen in den USA die Konjunktur schneller stützen werden als in vergleichbaren Situationen der Vergangenheit. Bereits in der zweiten Jahreshälfte sollte sich die US-Wirtschaft daher wieder erholen, so dass für das gesamte Jahr 2001 noch mit einem Wirtschaftswachstum von etwa 2 % zu rechnen ist. Für das Wachstum der Weltwirtschaft, das im vergangenen Jahr nach ersten Schätzungen etwa 4,7 % betragen hat, bedeutet die kräftige, aber wahrscheinlich relativ kurze Delle der US-Konjunktur einen merklichen Tempoverlust. Mit einem Wachstum von rund 3 % wird das globale Wirtschaftswachstum jedoch weit von einer „harten“ Landung entfernt bleiben.

Konjunktur im Euro-Raum bleibt vergleichsweise robust
Die Konjunktur im Euro-Raum hat Mitte vergangenen Jahres ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Seither bildet sich das Wachstumstempo in nahezu allen großen Teilnehmerländern der Währungsunion zurück. Die Nachwirkungen des kräftigen Rohölpreisanstiegs im vergangenen Jahr und die an Schwung verlierende Weltwirtschaft gehen somit auch am Euro-Raum nicht spurlos vorbei. Ein kräftiger konjunktureller Einbruch wie in den USA ist für die Währungsunion allerdings nicht zu befürchten. Das liegt vor allem daran, dass die zu Beginn dieses Jahres in zahlreichen Euro-Staaten in Kraft getretenen Steuerentlastungen die Binnennachfrage in den kommenden Monaten stützen werden. Außerdem wird sich der Beschäftigungsaufbau innerhalb der Währungsunion in diesem Jahr fortsetzen, was ebenfalls positive Impulse für die Binnennachfrage bringt. Darüber hinaus darf bei einem Vergleich mit der konjunkturellen Entwicklung in den USA nicht übersehen werden, dass die Geldpolitik jenseits des Atlantiks selbst nach den jüngsten Zinssenkungen noch restriktiv wirkt, während sie im Euro-Raum mehr oder weniger als konjunkturneutral einzustufen ist.

Vor diesem Hintergrund wird die konjunkturelle Abschwächung im Euro-Raum vergleichsweise moderat ausfallen. Hierfür sprechen übrigens auch die konjunkturellen Stimmungsindikatoren, die trotz der jüngsten Abkühlung noch immer im positiven Bereich liegen und somit auf eine durchaus akzeptable Wirtschaftsentwicklung hindeuten. Die meisten Prognosen deutscher Banken sagen für den Euro-Raum in diesem Jahr daher ein reales Wirtschaftswachstum von rund 2 ¾ % voraus. Gegenüber dem vergangenen Jahr wäre dies eine Abschwächung von etwa einem drei viertel Prozentpunkt.

Strukturreformen für die europäische Landwirtschaft dringend geboten
Ein weiterer Grund für die vergleichsweise robusten Konjunkturperspektiven im Euro-Raum ist in den bereits in den letzten Jahren eingeleiteten Strukturreformen in Europa zu sehen. Diese Politik beginnt erste Früchte zu tragen. Das gilt insbesondere für das von der EU-Kommission betriebene Aufbrechen staatlicher Monopole, wie zum Beispiel im Bereich der Telekommunikation oder der Energieversorgung. Aber auch auf nationaler Ebene haben einige Euro-Staaten wichtige Strukturreformen in Angriff genommen. In diesem Zusammenhang sei nur darauf verwiesen, dass in Ländern wie den Niederlanden, Irland, Österreich oder Portugal mit Arbeitslosenquoten von weniger als 3 % bis etwas über 4 % längst nicht mehr von einem Arbeitsmarktproblem gesprochen werden kann.

Die Marktöffnungsstrategie der EU-Kommission ist mit deutlichen gesamtwirtschaftlichen Effizienzgewinnen verbunden. Für die Konsumenten führt das in der Regel zu niedrigeren Preisen und einem besseren Service. Der eingeschlagene Weg sollte daher nicht nur konsequent fortgesetzt, sondern mit allen Kräften ausgeweitet werden. Besonders dringlicher Reformbedarf besteht im Bereich der europäischen Agrarpolitik. Hier müssen sowohl die milliardenschweren staatlichen Interventionskäufe als auch die hohen Einfuhrzölle deutlich reduziert werden. Dies ist nicht erst seit der BSE-Krise angezeigt. Auch für die angestrebte Osterweiterung der Europäischen Union erweisen sich die enormen Landwirtschaftssubventionen als eine große Hürde. Die BSE-Krise spitzt nun die äußerst fragwürdige Subventionspolitik im europäischen Agrarsektor weiter zu. So werden die Ausgaben der EU allein für Rindfleisch in diesem Jahr inzwischen auf rund 7 Mrd € veranschlagt. Dieser Betrag ist doppelt so hoch wie die EU-Ausgaben für Forschung und Technologie. Insgesamt werden sich die Ausgaben der EU für die Landwirtschaft in diesem Jahr auf über 40 Mrd € belaufen – die umfangreichen nationalen Agrarausgaben der fünfzehn EU-Staaten sind dabei noch nicht einmal eingerechnet. Das entspricht nicht nur knapp der Hälfte des EU-Haushalts, sondern stellt für einen Wirtschaftssektor, der einschließlich Forstwirtschaft und Fischerei nur 2 ½ % zur gesamtwirtschaftlichen Leistung in der EU beiträgt, eine enorme Summe dar.

Preisanstieg und Geldmengenwachstum schwächen sich ab
Die Inflationsrate im Euro-Raum, die im Laufe des vergangenen Jahres beinahe kontinuierlich gestiegen ist und im November mit einer Jahresrate von + 2,9 % den höchsten Stand der letzten sechs Jahre erreichte, ist inzwischen auf einen Abwärtspfad eingeschwenkt. Bereits im Dezember 2000 ging die Teuerungsrate auf + 2,6 % zurück. Zwar könnte die Abwärtsbewegung im Januar kurzzeitig ins Stocken geraten, weil die BSE-Krise in einigen nationalen Preisindizes zu einem etwas schnelleren Anstieg der Nahrungsmittelpreise geführt hat. In den Folgemonaten werden die inflationsdämpfenden Faktoren aber wieder die Oberhand gewinnen. Insbesondere die Stabilisierung der Rohölpreise sowie günstige statistische Basiseffekte werden den Preisanstieg reduzieren. Weiterhin moderate Lohnabschlüsse vorausgesetzt, dürfte die Teuerungsrate für den gemeinsamen Währungsraum in der zweiten Jahreshälfte sogar unter die 2 %-Marke sinken, zumal auch das geringere Wirtschaftswachstum die Preisentwicklung zügelt.

Günstige Voraussetzungen für die Preisniveaustabilität kommen inzwischen auch von der Geldmengenentwicklung. Abgesehen vom August vergangenen Jahres, als die Geldmenge M3 durch die Bezahlung für die deutschen UMTS-Mobilfunklizenzen nach oben verzerrt wurde, hat sich das Wachstum von M3 seit April 2000 kontinuierlich verlangsamt. Im Dezember letzten Jahres erreichte das Geldmengenwachstum mit einer Jahresrate von + 4,9 % sogar den niedrigsten Wert seit Beginn der Währungsunion Anfang 1999. Zwar liegt die Geldmengenentwicklung noch + 4 ½ %. Diese Überschreitung muss allerdings gleich aus mehreren Gründen keine Sorge bereiten. Erstens wird sich das Geldmengenwachstum in den kommenden Monaten angesichts der etwas abflauenden Konjunktur weiter verlangsamen. In den Monaten Februar bis April kommen zudem noch günstige statistische Basiseffekte hinzu, so dass das M3-Wachstum sogar unter den Referenzwert sinken könnte. Zweitens sollte der Referenzwert nicht als Punktziel verstanden werden. In Anlehnung an die Geldmengensteuerung, wie sie die Deutsche Bundesbank vor der Währungsunion betrieben hat, kann durchaus ein „Zielkorridor“ von bis zu 1 ½ Prozentpunkten nach oben und nach unten um den Referenzwert gelegt werden. Drittens sollte auch nicht übersehen werden, dass die europäischen Währungshüter bei der Herleitung des Referenzwertes die Wachstumsrate für das Produktionspotenzial mit 2 bis 2 ½ % relativ vorsichtig kalkuliert haben. Bei einer etwas höheren Rate für das Produktionspotenzial hätte der Referenzwert für dieses Jahr durchaus auch bei 4 ¾ oder 5 % liegen können.

Sollten Inflationsrate und Geldmengenwachstum im prognostizierten Umfang nachlassen, so würde sich im Lauf des zweiten Quartals für die Europäische Zentralbank ein gewisser Zinssenkungsspielraum eröffnen. Der Spielraum für eine Reduktion der Leitzinsen könnte noch erweitert werden, wenn die Lohn- und Fiskalpolitik in den Euro-Staaten mit einer überdurchschnittlichen Preissteigerungsrate zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen einleiten würde. Auch eine deutliche Kurssteigerung des Euro könnte die Möglichkeit einer Leitzinssenkung erhöhen. Akuter Zinssenkungsbedarf besteht jedoch nicht. Forderungen, die Europäische Zentralbank solle möglichst schnell dem „Beispiel“ der amerikanischen Notenbank folgen, werden der Tatsache nicht gerecht, dass sich die Konjunktur im Euro-Raum nur vergleichsweise moderat abschwächt und der Leitzins der Europäischen Zentralbank mit 4 ¾ % noch immer deutlich unter dem amerikanischen Leitzins (5 ½ %) liegt. Insofern wäre die Europäische Zentralbank gut beraten, die Geldpolitik der „ruhigen Hand“ solange beizubehalten, bis bei der Preissteigerungsrate tatsächlich Entwarnung gegeben werden kann.

Deutschland: Industriekonjunktur noch immer in guter Verfassung
Die jüngsten Konjunkturdaten für Deutschland zeigen ein uneinheitliches Bild. Einerseits weisen einige Konjunkturindikatoren darauf hin, dass sich die im Sommer letzten Jahres begonnene Abschwächung des Wirtschaftswachstums fortsetzt. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist weiter gesunken, die Einzelhandelsumsätze fielen unerwartet schwach aus, und die Zahl der Arbeitslosen ist im Januar erstmals seit rund einem Jahr wieder gestiegen. Andererseits waren zuletzt im Verarbeitenden Gewerbe überraschend positive Ergebnisse zu verbuchen. Sowohl der Auftragseingang als auch die Produktion haben im Dezember letzten Jahres deutlich zugelegt. Auch wenn der kräftige Anstieg der Bestellungen wegen einer außergewöhnlichen Häufung von Großaufträgen etwas relativiert werden muss und die Industrieproduktion im aussagekräftigeren Quartalsvergleich eine rückläufige Wachstumsrate erkennen lässt, befindet sich die deutsche Industriekonjunktur somit noch immer in einer recht robusten Verfassung. Die aktuelle Wirtschaftslage dürfte daher etwas besser sein als die derzeitige Stimmung.

Diese Vermutung ändert zwar nichts an der Prognose, dass die deutsche Konjunktur im ersten Halbjahr 2001 nur mit einem recht moderaten Tempo vorankommen wird. Die gute Entwicklung der Inlandsbestellungen und hierbei insbesondere die deutliche Nachfrageausdehnung nach Investitionsgütern stützt aber die Hoffnung, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland wegen der Steuerreform nicht im gleichen Umfang zurückgehen wird wie im Euro-Raum insgesamt. Nach einem realen Wirtschaftswachstum von 3,1 % im vergangenen Jahr dürfte der Anstieg des deutschen Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr etwa einen halben Prozentpunkt niedriger ausfallen. Mit 2 ½ bis 2 ¾ % würde die Wachstumsrate in Deutschland dann nur noch einen kleinen „Tick“ unter dem Euro-Durchschnitt liegen.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB) Burgstr. 28 10178 Berlin Telefon: 030/1663-1201 Telefax: 030/1663-1298

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