Kongress der Deutschen Lokalpresse 1999
(Berlin) - Die deutschen Lokalzeitungsverlage sehen sich dem Diktat der Datenschützer ausgesetzt. Dr. Wolfgang Röhm, Vorsitzender des Verbandes der Lokalpresse, lehnte die Planungen zur Verschärfung des Pressedatenschutzes ab.
In seiner Eröffnungsansprache zum Kongress der Deutschen Lokalpresse, der vom 19. bis 21.11. im Berliner Sorat Hotel Spree-Bogen stattfand, bezeichnete Dr. Wolfgang Röhm das Vorhaben zur Einführung von Redaktionsdatenschutzbeauftragten als "überflüssige bürokratische Regelung". Neben einem Zensurproblem sehen sich die Verlage neuen Kosten in zweistelliger Millionenhöhe ausgesetzt. Es bestehe die Gefahr, dass die Einführung eines Auskunfts- und Berechtigungsanspruchs mit dem Zeugnisverweigerungsrecht kollidiere. Die Planungen von Bundesinnen- und Bundesjustizministeriums sehen eine Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes vor. Danach müssen die Verlage künftig, wenn sie über mindestens fünf PC-gestützte Redaktionsmitarbeiterplätze verfügen, einen Redaktionsdatenschutzbeauftragten berufen.
Dr. Wolfgang Röhm verwies in Anwesenheit von Bundespräsident Dr. Johannes Rau und des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Eberhard Diepgen, auf das bewährte Prinzip der publizistischen Selbstregulierung: Der Deutsche Presserat könnte als freiwillige Selbstkontrolle auch im Bereich des Datenschutzes fungieren.
Handlungsbedarf sieht der Verbandsvorsitzende hinsichtlich der Erweiterung des Zeugnisverweigerungsrechtes. Obwohl schon im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90 Die Grünen die Notwendigkeit einer Verbesserung des Zeugnisverweigerungsrechts in Aussicht gestellt wurde, sei dieses notwendige Vorhaben bis heute nicht umgesetzt worden.
Neuerliche Kritik übte Dr. Röhm an der Einbeziehung der 630-Mark-Jobs in die Sozialversicherung aus: "Es kann nicht sein, dass rund 20 000 von insgesamt 180 000 Zustellern gekündigt haben, weil für viele der Nebenjob durch Sozialabgaben nun nicht mehr attraktiv ist und achtlos zur Seite geschoben wird." Notprogramme müssten organisiert werden, damit der Leser nicht der Leidtragende sei.
Bundespräsident Rau bekannte sich in seiner Begrüßungsansprache ausdrücklich zur Zeitung. Schon oft seien die Printmedien totgesagt worden, doch immer wieder hätten sie sich mit neuen Innovationen behauptet. "Die Institution Zeitung hat sich bewährt und wird immer das Hauptnahrungsmittel bleiben für den Menschen, der liest." Der Bundespräsident forderte die Redaktionen auf, ihre ganze "Phantasie und. Kreativität für ihre Glaubwürdigkeit" einzusetzen, auf einen verwirrenden "Häppchen-Journalismus" zugunsten einer informativen Berichterstattung und der Hintergrundreportage zu verzichten.
Nachricht und Kommentar sollten sorgfältig getrennt werden. Es gäbe keine andere Informationsquelle, die soviel Kredit bei dem Bürger habe, wie die Zeitung, sagte Rau.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, bescheinigte den Verlegern die Rechtmäßigkeit ihres Unmuts an der Einbeziehung der 630-Mark-Jobs in die Sozialversicherungspflicht.
An der Selbstbehauptung der kleineren und mittleren Tageszeitungen ließ auch Diepgen kein Zweifel: "Ängste, die mit zunehmender Globalisierung entstehen, führen gleichzeitig zu einer Rückbesinnung auf die Geborgenheit im Kiez, einer kleineren Einheit, die noch überschaubar ist, und wo das Geschehen sich unmittelbar in einer überprüfbaren Gesellschaft abspielt."
An der Festveranstaltung und dem anschließenden Empfang nahmen rund 400 geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft, Medien und Verbänden teil.
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