Kommunen müssen ihre Pflicht zur Notunterbringung Obdachloser erfüllen / BAG Wohnungslosenhilfe legt Rechtsgutachten vor
(Berlin) - Wohnungslose Menschen haben ein Recht darauf, von der Kommune, in der sie sich aktuell und tatsächlich aufhalten, mit einer Notunterkunft nach Ordnungsrecht versorgt zu werden. Dabei ist es unerheblich, wie lange sich die Betroffenen bereits in der Kommune aufhalten. Regelungen, die eine Mindestaufenthaltsdauer in einer Kommune vorsehen, sind nicht rechtens. Dies erklärte Thomas Specht, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) in Berlin. In der Praxis erfüllten Kommunen diese Pflichtaufgabe oft nicht oder nur unzureichend, so Specht, deswegen habe die BAG W ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das die Rechtslage nochmals eindeutig darlege. "Obdachlosigkeit gefährdet die grundgesetzlich geschützten Individualrechte wie das Recht auf Leben, auf Gesundheit, auf körperliche Unversehrtheit und auf Menschenwürde. Deswegen hat jede Gemeinde den unabweislichen Auftrag, diese Grundrechte zu schützen und entsprechende Gefahren abwehrende Maßnahmen zu ergreifen", erklärte Specht. Dies sehen die Polizei-, Sicherheits- und Ordnungsgesetze aller Bundesländer vor. "Da wir hier über den Schutz grundlegender Menschenrechte sprechen, besteht der Anspruch auf ordnungsrechtliche Unterbringung unabhängig von der Nationalität und dem Aufenthaltsstatus der Betroffenen", so Specht.
So wird in dem Gutachten eindeutig festgestellt, dass einem obdachlosen EU-Migranten zwar eine Rückfahrkarte ins Heimatland angeboten werden kann. Die Annahme ist aber freiwillig, d. h. die Gemeinde kann die Person nicht zwingen, dieses Angebot anzunehmen oder damit drohen, dass im Falle der Nichtannahme des Rückreiseangebots der Unterbringungsanspruch verloren geht.
Thomas Specht: "Diese Rechtslage stellt sicher eine Herausforderung für Kommunen dar, die bislang häufig versuchen, die ordnungsrechtlichen Unterbringungsansprüche von Obdachlosen und insb. von EU-Migrantinnen und Migranten zu negieren. Die Kommunen müssen aber dafür sorgen, dass ausreichend viele Unterbringungskapazitäten vorgehalten werden. - Auch dann, wenn Kommunen durch die Unterbringungsverpflichtung gegenüber Asylsuchenden bereits stark gefordert sind."
Besonders kritisch könnte sich die Lage in den kommenden Wintermonaten entwickeln. Im November starten in vielen Gemeinden die Sonderprogramme zur Kältehilfe für wohnungslose Menschen. Viele Notübernachtungsstellen seien aufgrund der gestiegenen Zahl von Wohnungslosen und der steigenden Zahl von Menschen, die ganz ohne Unterkunft auf der Straße lebten, bereits lange vor Beginn der Kältenotprogramme - manchmal bereits im Sommer - vollkommen ausgelastet gewesen. Deswegen müssten rechtzeitig zusätzliche Unterbringungskapazitäten für die Wintermonate erschlossen werden, so Specht. "Diese Unterbringung muss menschenwürdig sein. Immer mehr Menschen auf gleichem Raum unterzubringen, ist also keine Lösung. Es bedarf eines Mindestmaßes an Privatsphäre. Schutz, Sicherheit sowie funktionierende und ausreichend vorhandene sanitäre Anlagen sind unabdingbar. Für wohnungslose Frauen, die in Gemeinschaftsunterkünften sexualisierte Gewalt fürchten müssen, brauchen wir separate Unterbringungsmöglichkeiten."
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