Kolumbien: Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger eskaliert / Neuer Präsident Duque muss Zivilgesellschaft schützen
(Berlin) - Im zweiten Jahr nach Abschluss der Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerilla-Gruppe FARC steuern die Angriffe auf zivilgesellschaftliche Aktivisten auf einen neuen Höchststand zu.
Kolumbiens neue Regierung muss die Gewaltwelle gegen Menschenrechtsverteidiger unverzüglich stoppen, fordert Amnesty International anlässlich der heutigen Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten Iván Duque Márquez. "In den vergangenen zweieinhalb Jahren sind mehr als 300 Menschenrechtler ermordet worden - und die kolumbianischen Behörden haben tatenlos zugesehen", sagt Matthias Schreiber, Kolumbien-Experte bei Amnesty International in Deutschland. "Präsident Duque muss diese Gewalteskalation stoppen. Während das allgemeine Gewaltniveau im Land sinkt, ist Kolumbien für Menschenrechtsverteidiger heute einer der gefährlichsten Orte der Welt."
Vor allem in den umkämpften ländlichen Gebieten zahlt die Zivilgesellschaft einen immer höheren Preis für ihr Engagement: Über 60 Prozent der Mordopfer sind kleinbäuerliche, indigene und afrokolumbianische Menschenrechtler gewesen, die sich für Land- und Umweltrechte engagierten. Besonders in Gebieten, aus denen sich die FARC nach ihrer Entwaffnung und Auflösung zurückgezogen haben, kämpfen paramilitärische Verbände, die kleinere Guerilla-Gruppe ELN und bewaffnete Reste der FARC-Rebellen um die Vorherrschaft. Der Großteil der Angriffe auf die Aktivisten geht auf das Konto dieser paramilitärischen Gruppen.
"Die zunehmenden Übergriffe gegen Menschenrechtsverteidiger zeigen, dass der bewaffnete Konflikt in vielen Teilen Kolumbiens längst nicht vorbei ist", sagt Schreiber. "2018 jährt sich die UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern zum 20. Mal, die auch Kolumbien mitgetragen hat. Die neue Regierung unter Präsident Duque muss das Ende der Angriffe auf die engagierte Zivilgesellschaft und die Rechte der Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu einem ihrer Hauptanliegen machen", fordert Schreiber. Vor allem braucht es ein ernsthafteres Vorgehen gegen Straflosigkeit: Bei 564 Morden an Menschenrechtsverteidigern, die das NGO-Netzwerk Programa Somos Defensores von 2009 bis 2017 dokumentiert hat, wurden in nur 33 Fällen die Täter verurteilt. In keinem einzigen Fall wurden ihre Auftraggeber vor Gericht zur Verantwortung gezogen.
"Die fast vollständig ausbleibende Strafverfolgung bei Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger hat maßgeblich zu der verheerenden Gewaltwelle von heute beigetragen", kritisiert Schreiber. "Hier ist auch die Bundesregierung gefordert. Sie muss Präsident Duque und seinem Kabinett sehr deutlich machen, dass nur eine konsequente gerichtliche Aufarbeitung solcher Straftaten eine weitere Eskalation der Gewalt verhindern wird. Straflosigkeitsquoten von über 90 Prozent - selbst bei schwersten Straftaten wie Mord - sind absolut inakzeptabel."
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