Kinder- und Jugendärzte nehmen Stellung zu Sandwesten / "Sandwesten sind kein Ersatz für Therapie bei ADHS!"
(Köln) - Sie wiegen bis zu sechs Kilo, sollen zappelige unkonzentrierte Grundschüler im Unterricht beruhigen und sind zur Zeit ein großes Thema in den Medien: Sandwesten.
Der Sprecher der Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Josef Kahl, erklärt zu den Sandwesten: "Sandwesten werden seit vielen Jahren in Grundschulen und Förderschulen eingesetzt. Lehrer und Therapeuten versprechen sich davon, dass die Westen vor allem unruhigen Kindern helfen, sich selbst besser zu steuern. Frühgeborene könnten damit die Enge des Mutterleibes wiedererleben. Wissenschaftlich belegt ist der therapeutische Nutzen der Sandwesten aber bisher nicht. Als Kinder- und Jugendärzte halten wir es zudem nicht für vertretbar, unruhigen, konzentrationsschwachen Kindern eine Sandweste anzuziehen und sie damit als Störenfriede oder gar als ADHS-Patienten zu stigmatisieren. Unruhige, unkonzentrierte Kinder brauchen eine gründliche Abklärung, jedoch nicht durch die Lehrerin. Nur ein erfahrener Kinder- und Jugendarzt oder eine -ärztin ist zu einer differenzierten Diagnose in der Lage.
Etwa drei bis fünf Prozent eines Jahrgangs sind ADHS-Patienten, die eine Therapie brauchen. Die vielen anderen Kinder, die sich nicht konzentrieren können, die unruhig sind und den Unterricht stören, haben meist einfach nicht gelernt, sich den Erfordernissen des Schulunterrichts anzupassen, zum Beispiel eine gewisse Zeit still zu sitzen und ruhig zu arbeiten. In vielen Schulen sind aber auch die Klassen zu groß, die Räume zu eng und die überforderten Pädagogen und Pädagoginnen berücksichtigen die individuellen Bedürfnisse der Kinder nicht ausreichend. Unruhige Kinder als krank "auszusortieren" und ihnen die Sandweste überzuziehen löst diese Probleme nicht. Sinnvoller wäre es hier, besser auf die Kinder einzugehen und sie zu fördern, kleinere Klassen einzurichten und mehr Bewegung in den Unterricht zu integrieren."
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