Keine Verschärfung des Ausweisungsrechts notwendig
(Berlin) - Nach den Terroranschlägen in Madrid wird vor allem von Vertretern der Union eine Verschärfung des Ausweisungsrechts gefordert. Dabei ist die Behauptung, nur verurteilte Straftäter oder gar nur zu einer bestimmten Strafe verurteilte Täter können ausgewiesen werden, nicht richtig. Eine Verurteilung ist schon heute für eine Ausweisung nicht notwendig. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt aufgrund des bereits vorhandenen rechtlichen Instrumentariums für Ausweisungen eine Verschärfung rigoros ab. Der Verdacht liege nahe, dass die berechtigte Sorge um die Verbesserung der Terrorismusabwehr dazu benutzt werde, generelle Verschärfungen im Ausländerrecht durchzusetzen.
"Die Bundesrepublik braucht kein Guantanamo, auch nicht im Ausländerrecht," so Rechtsanwalt Victor Pfaff vom Ausländer- und Asylrechtsausschuss des DAV. Terrorismus könne erfolgreich nur mit rechtstaatlichen Mitteln bekämpft werden, nicht um den Preis der Aufgabe elementarer verfassungsrechtlicher Grundsätze. Das Problem liege nicht darin, dass erkannte Terroristen nicht oder nur schwer ausgewiesen werden könnten. Das Problem sei vielmehr, potentielle Terroristen als solche zu erkennen. Eine Ausweisung dürfe niemals auf einen nicht belegbaren Verdacht gestützt werden. Ist aber der Verdacht einer Beteiligung an terroristischen Vorbereitungen oder Handlungen begründet, habe nicht in erster Linie die Ausländerbehörde auszuweisen, sondern dann müsse der Sicherheitsapparat einschließlich der Strafjustiz einschreiten. "Der weltweite Kampf gegen den Terrorismus darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass Gefahrenträger exportiert werden," so Pfaff weiter.
Gemäß § 45 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) können Ausländer ausgewiesen werden, deren Aufenthalt "die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen beieinträchtigen". Eine Verurteilung sei gerade nicht vorausgesetzt. Auch die Bestimmungen, mit denen nach dem 11. September 2001 die Ausweisung im Hinblick auf die Terrorismusgefahr erleichtert wurde (§ 47 Abs. 2 Nr. 5 AuslG), setzten nicht einmal ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren voraus. Es genügt vielmehr, dass der Ausländer bei einer sicherheitsrechtlichen Befragung falsche Auskunft gegeben hat. Dies zeige nach Ansicht des DAV, wie überflüssig weitere Verschärfungen sind.
Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits 1972 nach dem Anschlag auf die Olympischen Spiele in München schlechte Erfahrungen mit Verdachtsausweisungen, damals gegen palästinensische Studentenorganisationen, gemacht. Betroffen war völlig zu Unrecht unter anderem Abdallah Frangi. Dieser ist seit vielen Jahren und bis heute der Leiter der Palästinensischen Generaldelegation in Bonn/Berlin.
Auch die Kurdenkrawalle Mitte der 90er Jahre wurden dazu benutzt, Verschärfungen im Ausländerrecht unter dem Vorwand der Terrorismusabwehr durchzusetzen. Mit der Begründung, "politisch motivierter Ausschreitungen gewalttätiger Ausländer" besser begegnen zu können, wurde die Schwelle für die sogenannte Ist-Ausweisung drastisch gesenkt, wovon nun in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder der vor Jahrzehnten eingewanderten Arbeiterfamilien betroffen sind.
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