Keine haushaltsrelevanten Änderungen in Förderprogrammen durch abgewählte Regierung! / DEN: "Geplante Erweiterung des Energieberaterkreises gefährdet Qualität und Verbraucherschutz"
(Offenbach) - Auf massive Bedenken von Seiten des Deutschen Energieberater-Netzwerks (DEN) e.V. stoßen Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums noch in diesem Jahr die Richtlinien der vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) geförderten Energieberatung für Wohngebäude ("Vor-Ort-Beratungen") und für den Mittelstand zu ändern und dabei die geltende Definition zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Berater*innen abzuschaffen.
Die bisherige strikte Anforderung an Berater*innen, keinerlei wirtschaftliche Interessen an Investitionsentscheidungen des Beratungsempfängers zu haben und weder an einem Unternehmen beteiligt oder beschäftigt zu sein (als Hersteller, ausführendes Unternehmen oder Energieversorger), soll den Plänen des BMWi abgeschafft werden. Stattdessen sollen Berater*innen, zu denen dann auch abhängig Beschäftigte von Energieversorgern gehören, zukünftig nur noch erklären, dass sie in unabhängiger Art und Weise beraten.
"Diese Änderungen der Richtlinien gefährdet nicht nur die Qualität der geförderten Energieberatungen in Deutschland, sondern ermöglicht schlimmstenfalls Missbrauch von Steuermitteln", stellt der Vorsitzende des DEN, Dipl.-Ing. Hinderk Hillebrands, fest. Nach dem krachenden Desaster im Zusammenhang mit manipulierten Messergebnissen in der Autoindustrie ein weiteres Mal auf Selbsterklärungen der Industrie (bzw. ihrer abhängig beschäftigten Berater*innen) zu vertrauen, sei eine Missachtung des Verbraucherschutzes und eine Demontage der bisherigen Qualitätssicherungssysteme in der Förderung. Eine solche Regelung sei ein Tabubruch in der Förderung des Bundes und sie stelle eine künftige Koalition vor vollendete Tatsachen. Hillebrands: "Das wäre schlechter Stil. So etwas gehört sich nicht."
Hillebrands weiter: "Investitionen in Energieeffizienz - das ist ein Milliardenmarkt, bei dem viele gerne schneller und einfacher als bisher mitverdienen möchten. Wenn diese bisherigen Regelungen jetzt aufgeweicht werden, macht man den Bock zum Gärtner, denn die Angemessenheit und Qualität der empfohlenen Maßnahmen kann nicht flächendeckend geprüft werden. Im Wohngebäudebereich soll hier auf standardisierte Sanierungsfahrpläne abgestellt werden, dazu ist aber weder eine barrierefrei zugängliche Software für die Berater*innen am Markt (wie beim Sanierungsfahrplan in Baden-Württemberg), noch ist der Praxistest dazu im BMWi ausgewertet."
Der Ingenieur nennt Beispiele: "Denkbar wäre etwa, dass künftig als Energieberater zugelassene Mitarbeiter von Energieversorgungsunternehmen eine Immobilie untersuchen, dann aber nicht zum nötigen Wechsel der Heizungsanlage raten, sondern dem Kunden einen Versorgungsvertrag ihrer Firma nahelegen. Oder dass Handwerker, die sich gleichzeitig Energieberater nennen dürfen, mit Kollegen zusammenarbeiten und sich gegenseitig empfehlen. Dann hat der beratende Kollege kein vorhabenbezogenes Interesse, kann dem ausführenden Kollegen aber einen Vorteil verschaffen. Beim nächsten Mal macht man es dann umgekehrt. Am Ende ist der Kunde der Angeschmierte. Und über seine Steuergelder finanziert er das letztlich auch noch mit..."
Hillebrands fordert: "Es muss weiterhin das Vier-Augen-Prinzip zwischen Planung/Beratung und Ausführung gelten. Energieberater*innen müssen wirtschaftlich unabhängig tätig sein. Sie sind Berater, keine Inhaber von Handwerksbetrieben oder Angestellte von EVU. Es reicht nicht "vorhabensbezogen" unabhängig zu beraten. Das ist eine Hintertür, welche für die Öffentlichkeit im Verborgenen liegt, aber auf ein gefährliches Terrain führt."
Der DEN-Vorsitzende vermutet hinter der geplanten Neuregelung den Versuch, die Zahlen der Energieberatungen zu erhöhen. Bislang verharren die Sanierungsquoten bei Bestandsgebäuden bei rund 1 Prozent. Nötig wären aber 3 Prozent, um die international vereinbarten Klimaziele in diesem Bereich zu sichern. "Man scheint in Berlin ziemlich ratlos zu sein, denn die Sanierungsquoten erhöhen sich trotz millionenschwerer Werbeprogramme nicht. Mehr Beratungen werden aber nicht zu Erhöhung der Sanierungsrate führen, wenn man nicht endlich eine Verknüpfung der diversen Förderprogramme zustande bringt. Hier reicht es auch nicht, nur auf ein Ressort zu schauen, sondern es bedarf einer intelligenten und aufeinander aufbauenden Förderstruktur."
Die geplante Richtlinienänderung hätte dem DEN-Vorsitzenden zufolge so weitreichende Folgen für die gesamte Förderlandschaft, dass sie einer neuen Regierung kaum noch Gestaltungsspielraum lassen würde. Bei einigen EVU freue man sich bereits jetzt auf die zukünftigen Möglichkeiten, auch in den investiven Förderprogrammen als Berater zugelassen zu werden, vermutet er. Hillebrands: "Der eine oder andere Beobachter stellt sich schon die Frage, ob hier nicht noch schnell von einigen Akteuren Rahmenbedingungen für die EVU geschaffen werden sollen, die einer beruflichen Betätigung nach dem Regierungswechsel hilfreich sein könnten."
Gegenwärtig, so Hillebrands, stelle die Expertenliste (www.energie-effizienz-experten.de) ein bundesweites Qualitätssicherungsinstrument dar. Sollten hier zukünftig auch Mitarbeiter von EVU gelistet werden, müssten sich Netzwerkpartner wie das Deutsche Energieberater-Netzwerk (DEN) e.V. überlegen, ob sie ihre aus Mitgliedsbeiträgen finanzierte Arbeit dort weiterhin erbringen können und ggf. auf eigene und verlässliche Qualitäts- und Gütesiegel umstellen.
Das Deutsche Energieberaternetzwerk habe in einer umfangreichen und technisch detaillierten Stellungnahme Hinweise und Anmerkungen an das BMWi übersandt, erklärt Hillebrands: "Wir setzen immer noch darauf, dass man die endgültige Entscheidung und vor allem den Zeitplan für Neuregelungen noch einmal überdenkt. Die Qualitätssicherung muss forciert werden. Nur dann gelangt man zu konstruktiven, sozialverträglichen und nachhaltigen Lösungen im Sinne des Klimaschutzes."
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Energieberater Netzwerk e.V. (DEN)
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