Pressemitteilung | Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE)

Keine Erfolgsstory: das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen

(Berlin) - „Deutschland ist am Ende des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen Sitzenbleiber“, stellt Bundesvorsitzender Ludwig Eckinger vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) fest und widerspricht damit der positiven Einschätzung des Bundesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen. „Statt Teilhabe und Integration von jungen Menschen mit Behinderungen zu entwickeln, vollzieht sich im Bildungsbereich derzeit ein entgegengesetzter Trend.“ Der VBE dringt auf ein höchstmögliches Maß an Gemeinsamkeit in Unterrichtung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Dies war auf dem Bildungspolitischen Symposium des VBE im September bekräftigt worden.

Jetzt bilanziert Bundesvorsitzender Ludwig Eckinger: „Es ist auch im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen kein Umsteuern gelungen.“ Obwohl die KMK seit 1994 die Möglichkeit sonderpädagogischer Förderung an allgemeinen Schulen empfehle, sehe die Wirklichkeit anders aus. „Tendenziell werden auf dem Wege der Ermittlung sonderpädagogischen Förderbedarfs Schüler aus bildungsfernen Familien oder mit Migrantenhintergrund in Sonderschulen wegdelegiert“, so Ludwig Eckinger. „Nach wie vor dominiert die Defizitsicht, die auch in den Landesverfassungen niedergelegt ist. Dort ist die Rede vom Recht behinderter Kinder und Jugendlicher auf eine ihnen angemessene Bildung und Ausbildung. Das in Deutschland grassierende PISA-Missverständnis, mehr Auslese statt mehr Leistung, macht offenbar auch das Ausgliedern in Sonderschulen wieder salonfähiger.“

Eckinger verweist auf die KMK-Statistik. Bei zurückgehender Schülerzahl steigt nicht nur die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf von Jahr zu Jahr an, sondern zugleich geht die Zahl der Integrationsschüler zurück. Im Jahr 2000 besuchten in Deutschland 419 500 Schülerinnen und Schüler Sonderschulen und 68 400 Lernende mit sonderpädagogischem Förderbedarf allgemeine Schulen. Gegenüber 1999 war damit die Zahl der Integrationsschüler noch um ein Viertel gestiegen. Doch im Jahr 2002 besuchten 63 261 Betroffene eine allgemeine Schule, während 424 683 Schülerinnen und Schüler Sonderschulen besuchten. Als „besonders Besorgnis erregend“ bezeichnete der VBE-Vorsitzende den ungebrochenen Zuwachs an Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Betraf es im Jahr 2000 bereits 53 Prozent aller Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, so stieg der Anteil auf knapp 54 Prozent im Jahr 2002. Mehr als zwei Drittel der ausländischen Sonderschüler sind dem Förderschwerpunkt Lernen zugeordnet.

Die Entwicklung in Europa werde in Deutschland nicht wahrgenommen. VBE-Vorsitzender Eckinger erinnert an die Charta von Luxemburg aus dem Jahre 1996. „Darin wird als europäischer Bildungsauftrag die Integration von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf beschrieben und eine ‚Schule für alle’ gefordert. Für ausnahmslos jedes Kind wird der Anspruch auf individuelle Förderung betont. Im Deutschland des Jahres 2003 ist es dagegen sogar juristisch in Ordnung, wenn ein behinderter Schüler entgegen seines Willens in eine Sonderschule gehen muss, weil an der allgemeinen Schule die Voraussetzungen nicht gegeben sind.“ Damit schließe sich der Teufelskreis, so Eckinger, denn das Loch der öffentlichen Kassen werde auf direktem Weg an die allgemeinen Schulen weitergegeben. „Die Verschlechterung der Ressourcen bedroht damit auch die zarten Integrationsansätze in deutschen Schulen.“­

Quelle und Kontaktadresse:
Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE) Behrenstr. 23-24, 10117 Berlin Telefon: 030/72619660, Telefax: 030/726196618

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