Kaum Abbau der Arbeitslosigkeit durch Mini- und Midi-Jobs
(Düsseldorf) - Ein halbes Jahr nach der zum 1. April in Kraft getretenen Neuregelung der Mini- und Midi-Jobs ziehen Gerhard Bäcker und Angelika Koch von der Universität Duisburg-Essen eine kritische Bilanz: Die Reform habe keinen gesamtwirtschaftlichen Zuwachs an Beschäftigung gebracht, schreiben sie in einem aktuellen Diskussionspapier des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung. Der vom Statistischen Bundesamt festgestellte fortgesetzte Abbau von Beschäftigung zeige vielmehr, dass die Neuregelungen in hohem Maße Verdrängungs- und Umschichtungseffekte auf dem Arbeitsmarkt ausgelöst, aber keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen hätten. Diese Einschätzung steht im deutlichen Gegensatz zur Position der Bundesregierung, die die Entwicklung der Mini- und Midijobs als Erfolgsstory bewertet hat.
Von den neuen Bestimmungen profitieren zum einen besonders diejenigen, die schon eine Beschäftigung haben. Zum anderen ist zu erwarten, dass reguläre, versicherungspflichtige Stellen in Mini- und Midi-Jobs umgewandelt werden, meinen Gerhard Bäcker und Angelika Koch. So sei absehbar, dass viele bereits beschäftigte Arbeitnehmer zusätzlich einen steuer- und beitragsfreien Minijob als Nebenbeschäftigung annehmen werden, während Arbeitslose nicht zum Zuge kommen. Auch die Aufteilung von regulären Beschäftigungsverhältnissen in Mini- oder Midi-Jobs löse die Arbeitsmarktkrise nicht.
Durch die Ausweitung der Mini- und Midi-Jobs werde zudem die ungleiche Behandlung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt verstärkt. Denn dieser Teilarbeitsmarkt sei und bleibe ein Arbeitsmarkt für Frauen. Frauen werden als Beschäftigungsperspektiven Arbeitsplätze angeboten, die mit ihrer Entlohnung kaum existenzsichernd und in der Sozialversicherung nicht abgesichert sind. Typisch sind zudem kaum vorhandene Möglichkeiten zum Aufstieg, instabile Beschäftigung sowie niedrige Anforderungen an die Qualifikation, so Bäcker und Koch. Die geschlechtsspezifische Teilung des Arbeitsmarktes wird verschärft.
Die Reform hat den Experten zufolge auch negative Effekte auf die Sozialkassen. Viele, die derzeit in regulär sozialversicherungspflichtigen Teilzeitjobs arbeiten, werden möglicherweise in den Midi-Job-Bereich abwandern, da hier bis zu einem Arbeitsverdienst von 800 Euro im Monat die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung geringer ausfallen. Verwiesen wird auf Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit. Danach werden Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 612 Mio. Euro jährlich ausfallen. Ursachen sind die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze bei den Mini-Jobs, die Beitragsfreiheit eines Minijobs als Nebenbeschäftigung und die verringerten Arbeitnehmerbeiträge bei den Midi-Jobs.
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