Kassenverbände fordern: GKV und Pflegeversicherung müssen von versicherungsfremden Ausgaben entlastet werden
(Berlin) - Angesichts der sich dramatisch zuspitzenden Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) fordern die Verbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen die Bundesregierung dazu auf, ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und beide Sozialversicherungszweige insbesondere von den versicherungsfremden Leistungen zu entlasten. Damit die Sozialbeiträge nicht weiter aus dem Ruder laufen, müssen in den laufenden Haushaltsberatungen dringend die notwendigen Steuermittel eingeplant werden, fordern in einer gemeinsamen Initiative der AOK-Bundesverband, der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek), der BKK Dachverband e.V., der IKK e.V. sowie KNAPPSCHAFT und SVLFG.
Inzwischen räumt selbst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein, dass die geplante Krankenhausstrukturreform die Beitragssätze der gesetzlichen Krankenkassen noch weiter unter Druck setzen wird. Dabei ist die Finanzierung der Krankenhaus-Investitionskosten, die eigentlich eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern ist, noch nicht einmal der einzige zusätzliche Ausgabenblock für die Beitragszahlenden. Auch die Aufweichung der AMNOG-Leitplanken, die Geheimpreise für Arzneimittel und die Entbudgetierung der Hausärzte werden zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe für die GKV verursachen. Die teuren Pläne der Bundesregierung werden die Finanzierungslücke zwischen Einnahmen und Ausgaben der GKV weiter vergrößern und den Druck auf die Zusatzbeitragssätze der Krankenkassen zusätzlich erhöhen. Bereits ohne diese drohenden Mehrausgaben durch die aktuellen Gesetzesvorhaben rechnen die gesetzlichen Krankenkassen allein für das Jahr 2025 mit einem zusätzlichen Finanzbedarf von 0,5 bis 0,7 Beitragssatzpunkten. Dies entspricht einer Mehrbelastung der Mitglieder und der Arbeitgeber von jeweils bis zu 217 Euro jährlich. Rechnet man die Kosten für die neuen Gesetze hinzu, ergibt sich daraus ein zusätzlicher Finanzbedarf von mindestens 0,1 Beitragssatzpunkten.
Vor dem Hintergrund der dramatischen Finanzsituation erneuern die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen ihre Forderung, die im Koalitionsvertrag gemachten Zusagen zur Entlastung der GKV endlich umzusetzen. Dringender denn je sind die Dynamisierung des Bundeszuschusses für versicherungsfremde Leistungen und vor allem die Einführung einer angemessenen Finanzierung des Krankenkassenbeitrages für Bürgergeldbeziehende. Ein weiterer Vorschlag zur Entlastung der GKV ist die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent. Gleichzeitig fordern die Kassenverbände die Rückkehr zu einer Ausgabenpolitik, die der Einnahmesituation gerecht wird. Notwendig sind - vor allem im Krankenhausbereich - wirksame Strukturreformen, die die Effizienz und Wirtschaftlichkeit fördern, statt zusätzliche Kosten für Maßnahmen mit fraglichen Mehrwerten für Versicherte und Patientinnen und Patienten zu verursachen.
Finanzkrise der Pflegeversicherung braucht substanzielle Lösungen
Kritisch ist auch die Finanzlage der Sozialen Pflegeversicherung. Die letzten Reformen haben keine nachhaltige finanzielle Stabilisierung bewirkt. Obwohl das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) erst ein Jahr alt ist und obwohl der Beitragssatz bereits zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte angehoben wurde, sind die verfügbaren Mittel aufgebraucht. So wurden durch die Absenkung der Ausgabendeckungsquote der Pflegekassen die verfügbaren Betriebsmittel auf eine halbe Monatsausgabe reduziert, um den Finanzausgleich in der SPV im zweiten Halbjahr 2024 überhaupt noch durchführen zu können. Der Ausgabenanstieg setzt sich unterdessen auch hier ungebremst fort, und das Defizit wächst weiter. Für das laufende Jahr rechnen die Pflegekassen mit einem Defizit von rund 1,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2025 wird es nach den jüngsten Prognosen noch einmal drastisch auf mindestens 3,4 Milliarden Euro ansteigen. Auch hier zeichnet sich eine Beitragssatzerhöhung von mindestens 0,2 Punkten ab, wenn der Gesetzgeber nicht handelt.
Bislang hatte die Bundesregierung nicht die Kraft, die prekäre Finanzsituation der Pflegeversicherung substanziell zu lösen. Die Politik fährt hier nur auf Sicht und rettet sich von Monat zu Monat. Alle bisherigen Maßnahmen wie die Absenkung der Ausgabendeckungsquote haben lediglich vorübergehend die Liquidität gesichert, die Probleme aber nicht bei der Wurzel gepackt. Dabei mangelt es nicht an möglichen Lösungsansätzen: Ein erster wichtiger und längst überfälliger Schritt ist die Refinanzierung der pandemiebedingten Kosten in Höhe von 5,5 Milliarden Euro, auf denen die Pflegekassen sitzen geblieben sind. Außerdem hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag selbst die steuerliche Gegenfinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige als Ziel formuliert, da es sich hierbei um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht um eine Versicherungsleistung handelt. Die Verbände der Pflegekassen drängen darauf, beide Maßnahmen jetzt umzusetzen, um die Leistungsfähigkeit der Sozialen Pflegeversicherung nachhaltig abzusichern.
Politik muss ihrer Verantwortung für die sozialen Sicherungssysteme gerecht werden
Die Verbände der Kranken- und Pflegekassen fordern die Politik auf, ihrer Verantwortung für die sozialen Sicherungssysteme gerecht zu werden und in den laufenden Haushaltsberatungen die notwendigen Steuermittel zur Stabilisierung von Kranken- und Pflegeversicherung einzuplanen. Anderenfalls drohen tragende Säulen des deutschen Sozialstaates, die einen zentralen Beitrag zur Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts leisten, nachhaltig Schaden zu nehmen. Es ist höchste Zeit zu handeln - im Interesse der fast 74 Millionen Versicherten in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie der Millionen Menschen, die jedes Jahr die Leistungen beider Systeme in Anspruch nehmen und ihr Vertrauen in eine stabile gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung setzen.
(Gemeinsame Pressemitteilung von AOK-Bundesverband, Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek), BKK Dachverband e.V., IKK e.V. sowie KNAPPSCHAFT und SVLFG)
Quelle und Kontaktadresse:
AOK - Bundesverband
Dr. Kai Behrens, Pressesprecher
Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin
Telefon: (030) 34646-0, Fax: (030) 34646-2502
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