Kassenärzte fordern mehr Unterstützung bei Arzneimitteltherapie von den Krankenkassen ein
(Köln/Berlin) - "Die Politik unterstützt die Kassenärzte zu wenig bei einer rationalen Arzneimitteltherapie. Sie mahnt zwar immer wieder Einsparungen an, leistet aber kaum konstruktive Beiträge da, wo sie es könnte. Beispiele sind die Nichteinführung der Positivliste und die Streichung der Vierten Hürde." Darauf hat am 16. September der Zweite Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Leonhard Hansen, in Berlin hingewiesen. Besonders ärgerlich fand er, dass die Krankenkassen ihrer Pflicht, über Arzneimittelverordnungen zu informieren, immer noch nicht ausreichend nachkommen. In ihren Mitgliederzeitungen verlören sie beispielsweise kaum ein Wort darüber, dass bestimmte Medikamente zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gar nicht verschrieben werden dürften.
Als wenig hilfreich bezeichneten die beiden KBV-Vorstandsmitglieder Hansen und Dr. Werner Baumgärtner auch die Jahr für Jahr von Professor Ulrich Schwabe vorgelegten Zahlen zu angeblichen Einsparpotentialen im Arzneimittelsektor. Diese würden von vielen Politikern kritiklos übernommen. "In seinem Arzneiverordnungsreport mahnt Schwabe an, grundsätzlich auf die Verordnung von so genannten Analogpräparaten zu verzichten. Die sind für ihn per se überflüssig. Schwabe sieht nicht, dass es auch gute Analogpräparate gibt, die sehr sinnvoll eingesetzt werden können. Er verschweigt, dass Ersatzarzneimittel nicht in erforderlichem Maß zur Verfügung stehen. Die von ihm angegebenen Tagesdosen entsprechen häufig nicht Empfehlungen in den Fachinformationen und stimmen nicht mit klinischen Erfahrungswerten zu Dosierungshöhen überein. Außerdem ignoriert Schwabe das Zulassungsspektrum der jeweiligen Medikamente", fasste Hansen die Kritik der KBV am Arzneiverordnungsreport des Tübinger Professors zusammen. Die Neuausgabe soll am 30. September vorgestellt werden. Im vergangenen Jahr hatte Schwabe den Kassenärzten ein Einsparpotential von 4,2 Milliarden Euro vorgerechnet. Analogpräparate beinhalten Molekülvarianten bereits existenter Wirkstoffe.
Ein weiteres Thema muss nach Einschätzung Baumgärtners "endlich aus der Tabu-Zone": der Mehrbedarf in der Arzneimitteltherapie. Der KBV- Vorständler erläuterte: "Wir haben schon vor einem halben Jahr nachgewiesen, dass allein bei 14 Krankheitsbildern ein Versorgungsmehrbedarf von über fünf Milliarden Euro besteht. Die Politik hat darauf noch nicht reagiert. Offensichtlich passt ihr unsere Untersuchung nicht ins Konzept. Die Politik verweigert somit den Patienten eine Arzneimittelbehandlung auf dem neusten Stand. Die Ärzte sollen verpflichtet werden, aus finanziellen Gründen keine neuen und teuren Medikamente einzusetzen."
Zu den Krankheiten, bei denen die KBV Mehrbedarf ermittelt hat, gehören Rheumaerkrankungen, Lungen- und Herzerkrankungen, die Alzheimer-Demenz und Morbus Fabry mit jeweils rund einer Viertelmilliarde Euro an zusätzlichem Bedarf. Baumgärtner weiter: "Hier muss die Politik schnell entscheiden, ob unsere Ärzte moderne und neue Medikamente verschreiben dürfen, schließlich nehmen die Fälle dieser Erkrankungen künftig eher zu als ab."
Quelle und Kontaktadresse:
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
Herbert-Lewin-Str. 3, 50931 Köln
Telefon: 0221/40050, Telefax: 0221/4005160