Pressemitteilung | Automobilclub von Deutschland e.V. (AvD)

Justizministerin will Mithaftung für Unfallopfer

(Frankfurt/Main) - Die Pläne aus dem Bundesjustizministerium sind fast unglaublich: wer ohne eigene Schuld Opfer eines Unfalls wird, der soll sich künftig mit bis zu 30 Prozent an den Kosten beteiligen müssen. Darüber soll am 18.April 2002 der Bundestag abstimmen. Geändert werden soll § 7, Abs. 2.2 des Straßenverkehrsgesetzes durch Ersetzen des bisherigen Begriffs "unabwendbares Ereignis" gegen den Wortlaut "höhere Gewalt". Was so harmlos klingt, wird Unfallopfern erheblichen Schaden zufügen.

Was steckt dahinter? – der AvD gibt ein Beispiel:

Stellen Sie sich einmal vor, Sie fahren bei Grün über eine Kreuzung und gleichzeitig rast ein anderer Fahrer bei Rot auf die Kreuzung und in Ihr Auto, oder Sie stehen vor einer roten Ampel und ein anderes Fahrzeug fährt Ihnen ungebremst in das Heck Ihres Autos: Schuldfrage klar, aber trotzdem könnten Sie zukünftig mit bis zu 30% selbst haften müssen!

Es gibt im Straßenverkehrsgesetz die Gefährdungshaftung, auch Haftung aus Betriebsgefahr genannt: Laut diesem Gesetz stellt jeder Betrieb des Autos eine Gefahr dar und der Halter oder Fahrer ist dafür haftbar! Deshalb müßte auch ein Unfallopfer einen Anteil an den Unfallkosten tragen, wenn das Ereignis (der Unfall) nicht "unabwendbar" war. Das heißt: wenn alle Vorschriften eingehalten wurden und auch bei bestem fahrerischen Vermögen ein Ausweichen unmöglich ist, wird bislang die Gefährdungshaftung wegen dieses "unabwendbaren Ereignisses" außer Kraft gesetzt. Eine Haftung erfolgt in diesem Fall ausschließlich über die Schuldfrage.

Doch jetzt soll dies verschärft und nach den Planungen der Justizministerin das "unabwendbare Ereignis" entfallen und nur noch die "höhere Gewalt" gelten. Was bedeutet dies für das genannte Beispiel?

Selbst wenn der Unfall unabwendbar war, ist es danach keine "höhere Gewalt", wenn jemand bei Rot über die Ampel und gegen ein anderes Auto fährt: Man muss auch bei Grün damit rechnen, dass andere Fahrer gegen die Vorschriften verstoßen. "Höhere Gewalt" liegt nur dann vor, wenn man mit dem eingetretenen Ereignis wirklich nicht rechnen konnte. (z.B. Erdrutsch, Erdbeben, Blitz aus heiterem Himmel, etc.) Auch ein auffahrendes Auto auf ein bei Rot stehendes Fahrzeug ist für das Opfer keine höhere Gewalt, wäre aber wohl ein unabwendbares Ereignis. Nach der zukünftigen Regelung haftet allerdings der Geschädigte mit – neben der ungerechtfertigen Mithaftung auch eine unnötige Komplizierung der nachfolgenden Schadenregulierung.

Der AvD befürchtet eine Einschränkung der Rechte von Unfallopfern mit unabseh-baren Folgen vor allem für sozial Schwächere. Schon heute versuchen Justiz und Versicherungen in vielen Fällen, eine Teilschuld des Opfers nur aus der Tatsache zu konstruieren, daß dieses am Unfall beteiligt waren.
Der AvD verwahrt sich gegen die gesetzliche Abschaffung des "unabwendbaren Ereignisses" und die verschärfte Haftung aus Betriebsgefahr, weil für eine Änderung der bestehende Gesetzeslage sowohl die Notwendigkeit als auch die statistischen Grundlagen fehlen.

Bereits seit einem halben Jahr kämpft der AvD gegen diese Pläne der Justizministerin und mobilisiert die Autofahrer dagegen. Ein Teilerfolg konnte dabei schon errungen werden: der Rechtsausschuß hat empfohlen, diese Verschärfung nur dann anzuwenden, wenn der Unfallverursacher ein "nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmer" ist. Allerdings ist auch dies eine nicht hinzunehmende Diskriminierung der Autofahrer.

Der AvD fordert den Bundestag und die Opposition auf, diese Passagen des 2. Schadenersatzrechtsänderungsgesetzes mit Blick auf die erheblichen Nachteile für Unfallopfer abzulehnen, auch mit den Einschränkungen, die der Rechtsausschuß der Justizministerin bereits diktiert hat.

Dies gilt auch für die gleichzeitig zur Abstimmung stehende Einführung einer "Bagatellgrenze", mit der "die Gewährung von Schmerzensgeld auf Fälle beschränkt werden soll, in denen der Schaden ... nicht unerheblich ist". Hier befürchtet der AvD, daß Unfallopfer mit dem sog. HWS-Trauma wegen des schwierigen Nachweises der Verletzungen als "Simulanten" abgestempelt und nicht entschädigt werden.

Auch diese Pläne aus dem Hause Däubler-Gmelin hat der Rechtsausschuß bereits kassiert, weil sie nicht erforderlich seien. Das ist ebenfalls ein positives Ergebnis der harten Kritik durch den AvD, doch nun gilt es, die geplante Mithaftung unschuldiger Unfallopfer zu verhindern.

Der AvD wird weiter gegen das geplante Gesetz kämpfen, auch wenn es der Bundestag "nur" in der abgeschwächten Form beschließen wird. Gerade im Wahljahr sollten die Politiker daran denken, dass fast jeder Wähler auch im Besitz eines Führerscheins ist.

Quelle und Kontaktadresse:
Automobilclub von Deutschland e.V. (AvD) Lyoner Str. 16 60528 Frankfurt Telefon: 069/66060 Telefax: 069/6606789

NEWS TEILEN: