Pressemitteilung | Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)

Juristische Ausbildung zukunftsfähig machen

(Berlin) - Gemeinsame Presseerklärung von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), dem Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften (BRF), dem Deutschen Anwaltverein (DAV), dem Deutschen Juristinnenbund (djb) und der Neuen Richtervereinigung (NRV).

Das 21. Jahrhundert birgt viele Herausforderungen, denen sich unser Rechtsstaat resilient und selbstbewusst stellen wird. Hierzu muss auch die juristische Ausbildung ihren Beitrag leisten. Sie sollte Jurist:innen befähigen, Recht kritisch zu hinterfragen und gesellschaftlich einzuordnen. Unter Berücksichtigung dieser und weiterer Herausforderungen bedarf die aktuelle Konzeption der juristischen Ausbildung einer Umgestaltung, um zukunftsfähig zu werden. Insbesondere in den Bereichen demographischer Wandel, Digitalisierung und Diversität bestehen Nachholbedarfe, die ein zügiges und konsequentes Handeln der Politik erforderlich machen:

Demographischer Wandel

Der demographische Wandel stellt die volljuristischen Berufe zunehmend vor Probleme. Immer mehr Berufsträger:innen scheiden aus, immer weniger Nachwuchs kommt nach. Dies führt sowohl auf Seiten der Anwaltschaft als auch auf Seiten der Justiz zu erheblichen Nachwuchsproblemen. Im Ergebnis führt ein Mangel an Volljurist:innen zu einem erschwerten Rechtszugang der Gesamtbevölkerung. Die Gründe hierfür liegen auch in der abnehmenden Attraktivität und Retentionsfähigkeit der juristischen Ausbildung: Immer mehr Studienanfänger:innen entscheiden sich von Vornherein für einen Bachelor-Studiengang mit juristischen Bezügen, anstatt eine volljuristische Laufbahn einzuschlagen. Von den Studierenden hingegen, die eine volljuristische Ausbildung beginnen, brechen zu viele im Laufe der Ausbildung ab. Die Gründe, aus denen die juristische Ausbildung abgebrochen oder gar nicht erst aufgenommen wird, sind forschungsseitig umfassend dokumentiert und viele gute Vorschläge, wie die juristische Ausbildung zeitgemäß ausgestaltet werden kann, liegen bereits vor.

Digitalisierung

Die digitale Transformation, insbesondere die Ausweitung von Legal-Tech-Anwendungen, wird die Arbeit von Anwaltschaft und Justiz umfänglich beeinflussen und unter Umständen grundlegend verändern. Die neuen Bedingungen einer Informationsgesellschaft, der flächendeckende Einzug von Künstlicher Intelligenz, intelligente Datenbanken sowie die allgegenwärtige Datafizierung erfordern eine gründliche Revision der juristischen Ausbildung im Hinblick auf einschlägige Schlüsselkompetenzen. Der kritische Umgang mit Daten, (Des-)Information und Künstlicher Intelligenz müssen umfassend ausgebildet und in der Breite sichergestellt werden. Hierzu gehören auch das Verständnis von Datenqualitätsstandards, das Wissen um biasfreie und geschlechtergerechte Datenerhebung sowie das Erkennen und Bewerten von Diskriminierungsrisiken durch algorithmische Entscheidungssysteme. Gleichzeitig müssen auch solche Kompetenzen fokussiert werden, welche die Potenziale der digitalen Transformation nachhaltig erschließen, um den deutschen Rechtsstandort wettbewerbsfähig zu halten. Entsprechende Maßnahmen sind in den gesamten Verlauf der juristischen Ausbildung zu integrieren.

Diversität

In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise aus der Wissenschaft, dass die juristische Ausbildung im Allgemeinen und die juristischen Staatsprüfungen im Besonderen Diskriminierungseffekte zeitigen. Dies trägt mit dazu bei, dass verschiedene Gruppen und Diversitätsmerkmale in der Anwaltschaft und in der Justiz unterrepräsentiert sind. In einer Gesellschaft, die zunehmend vielfältiger wird, stellt die mangelnde Vielfalt unter Volljurist:innen ein ernstzunehmendes Risiko dar: Neben dem Fehlen vielfältiger Perspektiven könnten mittelfristig auch die gesellschaftliche Akzeptanz sowie das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat leiden, wenn verschiedene Gruppen in der personellen Zusammensetzung von Anwaltschaft und Justiz nicht ausreichend repräsentiert sind. Daher sollte die juristische Ausbildung Ungleichheiten und strukturelle Diskriminierung in unserer Gesellschaft inhaltlich thematisieren sowie eigene Exklusionsmechanismen erkennen und abbauen.

Der deutsche Rechtsstaat hat in den letzten 75 Jahren viele Errungenschaften hervorgebracht. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, müssen jetzt die Weichen dafür gestellt werden.

Daher fordern die Verbände die kommende Bundesregierung auf, sich dieser und weiteren Herausforderungen in beiden Phasen der juristischen Ausbildung anzunehmen und gemeinsam mit den Ländern und den Verbänden wirksame Lösungen zu implementieren, um die juristische Ausbildung zukunftsfähig zu gestalten. Die Lösungen sollten ergebnisoffen erarbeitet sowie in enger Abstimmung mit den Interessenvertretungen und unter Berücksichtigung der neuesten Forschung zur juristischen Ausbildung entwickelt werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV), Littenstr. 11, 10179 Berlin, Telefon: 030 7261520

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