Jubiläum: 50 Jahre Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte
(Köln/Berlin) - Seit 50 Jahren tritt der Berufsverband der Kinder- Jugendärzte für die beruflichen Belange seiner Mitglieder ein, in gleicher Weise engagiert er sich für das gesundheitliche Wohl von Kindern und Jugendlichen. Corona-bedingt fallen die geplanten Jubiläums-Feiern aus, stattdessen nutzte BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach den Geburtstag für einen Rückblick auf die Geschichte des BVKJ und einen Ausblick auf zukünftige Aufgaben:
50 Jahre BVKJ: Was ist erreicht?
"Kinderärzten - wie sie damals noch hießen - ging es lange Zeit so ähnlich wie den Kindern in unserem Land. Man nahm sie und ihre fachliche Kompetenz nicht ganz ernst. Das hat sich dank des jahrzehntelangen Engagements des BVKJ gründlich geändert. Fachkollegen und auch die Öffentlichkeit erkennen inzwischen die Besonderheiten unseres Faches an: Kinder erfordern ein besonderes Einfühlungsvermögen, Geduld und Zeit, wir behandeln nicht nur das kranke Kind oder den Jugendlichen, sondern immer auch seine Eltern und Geschwister. Untersuchungen, Eingriffe und die Kommunikation mit dem Kind und den Bezugspersonen unterscheiden sich deutlich von Abläufen in der Erwachsenenmedizin. Als Berufsverband haben wir lange gebraucht, um diese Besonderheiten auch gegenüber den Krankenkassen und der Politik geltend zu machen, akzeptable Arbeitsbedingungen und faire Honorare zu erreichen. Dies ist uns im Laufe der Jahre gelungen. Wir haben zudem durch unzählige Weiterbildungen und Fortbildungen dafür gesorgt, dass unsere Kolleginnen und Kollegen die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen bestmöglich medizinisch versorgen, dass sich die Pädiatrie in Deutschland heute auf einem hohen Niveau bewegt.
Die Pädiatrie umfasst heute ein überdurchschnittliches Leistungsspektrum. Neben fast dem gesamten Spektrum der Inneren Medizin und zahlreichen Subspezialisierungen hat sich die Zahl der zu behandelnden Krankheiten nicht nur durch verbesserte Diagnostik und Therapien, sondern auch durch sogenannte neue Morbiditäten (zum Beispiel Adipositas, sozial bedingte Entwicklungsstörungen etc.) und ein immer größer werdendes Spektrum an seltenen und schweren Erkrankungen sowie durch die zunehmende Bedeutung der Prävention weiter vergrößert. Pädiatrie ist zudem sehr häufig Notfallmedizin. Kinder werden öfter als Erwachsene akut krank. Praxen und auch Kliniken müssen darauf vorbereitet sein. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass wir all diese Aufgaben sogar in schwierigen Zeiten meistern.
Pädiatrie hört nach unserem Verständnis aber an der Schwelle zu Praxen und Kliniken nicht auf. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte versteht sich als Lobbyist für Kinderrechte und setzt sich seit vielen Jahren vehement für Kinderbeauftragte und die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz ein. Zu diesen Rechten zählen wir analog zur UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf ein sicheres, gewaltfreies Zuhause und auf adäquate Entwicklungsanregung und Bildung. Wir engagieren uns für gesunde Ernährung, Suchtprävention, Jugendmedienschutz, Verbesserung und die Weiterentwicklung des Vorsorgesystems.
Diese Aufgaben können wir nur im Verbund mit Partnern lösen, mit den unterschiedlichen pädiatrischen Fachgesellschaften, aber auch mit "externen" Partnern.
Zu diesen "externen Partnern" zählen vor allem die Medien und die Politik. Hier arbeitet der BVKJ als Mittler, als Anwalt der betroffenen Kinder und Jugendlichen und hat in den letzten Jahren viel erreicht, etwa beim Ausbau der außerhäuslichen Betreuung, bei Gesetzesvorhaben wie dem Nutriscore etc.
Was ist zu tun?
Ökonomisierung als Herausforderung für den BVKJ
Wir erleben zur Zeit, wie Kinderkliniken und -fachabteilungen trotz gleichbleibender bzw. steigender Fallzahlen aufgrund von Unterfinanzierung geschlossen werden oder von Schließung bedroht sind - eine höchst problematische Entwicklung. Die Corona-Pandemie bringt zur Zeit auch den Praxen hohe Verluste, vor allem junge Kolleginnen und Kollegen, die Kredite bedienen müssen, machen sich Sorgen um ihr berufliches Überleben; interessierte junge Mediziner schrecken mehr denn je vor der Niederlassung zurück. Wenn aber Kliniken und Praxen schließen müssen, wenn der Nachwuchs ausbleibt, ist die flächendeckende medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen durch Pädiater gefährdet. Hier wird der BVKJ in den nächsten Wochen verstärkt das Gespräch mit der Politik suchen und noch energischer als bisher nach Lösungen suchen.
Nachwuchs fördern
Auch der Mangel an pädiatrischem Nachwuchs, der sich seit Jahren abzeichnet, hat weitreichende Auswirkungen. Als BVKJ setzen wir uns dafür ein, dass die Zahl der Medizinstudienplätze erhöht wird, für bessere und auch praxisbezogenere Weiterbildungsmöglichkeiten, um den Vorrang des Kindeswohls, wie er in der UN-Kinderrechtskonvention seit 1989 gesetzlich festgeschrieben ist, zu realisieren und dazu beizutragen, dass sich jedes Kind in Deutschland seinen Anlagen gemäß entwickeln und gesund aufwachsen kann. Auch hier bleibt noch viel zu tun.
Digitalisierung, Bürokratie und "sprechende Medizin"
Die Digitalisierung nimmt inzwischen auch in der Medizin Fahrt auf. Sie ist wichtig, darf aber nicht die Zeit für die eigentliche Behandlung der Patienten rauben. Das Gleiche gilt für die Bürokratie. Wir fordern daher mehr Wertschätzung und eine bessere Honorierung für "sprechende Medizin" - so wie sie auch der Koalitionsvertrag vorsieht und bisher nicht umgesetzt hat.
Fazit
50 Jahre nach der Geburt des BVKJ befindet sich die Kinder- und Jugendmedizin in Deutschland in einer Situation, in der es mehr denn je auf einen starken Berufsverband ankommt, der die Interessen seiner Mitglieder und deren besonders vulnerablen Patienten vertritt.
Die Chancen, die in dem einzigartigen und prägenden Zeitfenster der frühen Jahre jedes Menschen liegen, lassen sich nur effektiv und nachhaltig nutzen, wenn eine das soziale Umfeld einbeziehende hochqualifizierte medizinische Versorgung gewährleistet ist. Dies wiederum kann nur durch eine Weiterentwicklung des bestehenden Systems aus ambulanter und stationärer Pädiatrie gelingen. Der BVKJ wird sich auch in den nächsten Jahrzehnten gemeinsam mit seinen Partnern hier engagieren. Sich selbst wird er dabei auch verstärkt weiterentwickeln, jünger und weiblicher werden."
Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ)
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