Jetzt Turbo für den Ausbau der erneuerbaren Energien zünden
(Kiel) - Aus Anlass eines parlamentarischen Herbstempfangs ziehen der Landesverband Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein (LEE SH) und der Bundesverband Windenergie Landesverband Schleswig-Holstein (BWE SH) gemeinsam Bilanz zum aktuellen Ausbaustatus der erneuerbaren Energien in Schleswig-Holstein:
"Das Ziel im Koalitionsvertrag der Landesregierung, erstes klimaneutrales Industrieland bis spätestens 2040 zu werden, ist angesichts der dramatischen Energiekrise, in der wir uns befinden, richtig. Dafür muss die Koalition allerdings jetzt den Turbo für den Ausbau der erneuerbaren Energien zünden", sagt Reinhard Christiansen, Vorsitzender des LEE SH. Die Landesregierung Schleswig-Holsteins hat die Einspeisung aus erneuerbaren Energien an Land bis 2030 auf 40-45 Terawattstunden pro Jahr festgelegt. "Das ist ein wichtiger Zwischenschritt zum Ziel der Klimaneutralität für Schleswig-Holstein, allerdings wurde dies nicht weiter mit einem Energieziel konkretisiert. Es fehlt eine Zielvorgabe wie viele Terawattstunden pro Jahr erneuerbar produziert werden müssen, um 2040 erstes klimaneutrales Industrieland zu sein", erläutert LEE SH Geschäftsführer Marcus Hrach. "Die Erneuerbaren-Branche braucht Verlässlichkeit und Planbarkeit, um die zu definierenden Ausbauziele zu erreichen", so Hrach. Die seit Monaten andauernde Diskussion um die Abschöpfung von Gewinnen trägt weiter zur Verunsicherung bei, weshalb viele Akteure aktuell an Ausschreibungen nicht teilnehmen können.
Bundesregierung und Bundesrat haben den Ausbau der erneuerbaren Energien als überragendes öffentliches Interesse und der öffentlichen Sicherheit dienend gesetzlich festgeschrieben. "Bisher ist das überragende öffentliche Interesse aber noch nicht im Land angekommen. Jetzt hat das Land daher die dringende Aufgabe dieses auf allen Ebenen umzusetzen", sagt Wolfgang Stapelfeldt, Vorsitzender BWE SH. Der vorrangige Belang der erneuerbaren Energien müsse zukünftig in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Marcus Hrach erläutert: "Landeseigene Gesetze, Verordnungen und untergesetzliche Regelwerke, die diesen Vorrang nicht beachten, sind angesichts der Energiekrise vielfach nicht mehr nachvollziehbar". Die Verbände fordern dringend eine kritische und schnelle Überprüfung aller landesspezifischen Regelungen, die sich genehmigungsverhindernd, genehmigungsverzögernd und den Betrieb einschränkend auswirken.
Windenergie
Im neuen Koalitionsvertrag ist der Ausbaupfad für die Windenergie an Land nur bis zum Jahr 2030 definiert. Das ist für die Branche unverständlich angesichts des Zieles, das die Koalition sich gesetzt hat. Auch findet der Ausbau der Windenergie aktuell in Schleswig-Holstein nur auf einem niedrigen Niveau statt. Im Jahr 2021 wurden netto nur sieben Windenergieanlagen errichtet. BWE Vorsitzender Stapelfeldt bilanziert: "Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, in sieben Jahren fast dreimal so viel Windstrom zu produzieren wie heute. Um dies zu ermöglichen, braucht die Branche jetzt weniger Bürokratie und vor allem mehr Beschleunigung bei den Genehmigungsverfahren". Aktuell warten 360 Anlagen auf Genehmigungen in Schleswig-Holstein. In den ersten drei Quartalen 2022 wurden 46 Prozent weniger Genehmigungen im Vergleich zu 2021 erteilt. Marcus Hrach erläutert: "Dem könnte eine Jahresendrallye in den Genehmigungsbehörden jetzt noch etwas entgegenwirken". "Außerdem braucht es jetzt schnellstmöglich eine Aufstellung der neuen Regionalpläne und umgehend mehr Personal für die Genehmigungsbehörden und in den Gerichten", so Hrach weiter. Die Verbände empfehlen darüber hinaus die Einführung einer Taskforce wie in Niedersachsen mit dem Ziel, Planungs- und Genehmigungsprozesse zu beschleunigen.
Ein weiteres wichtiges Thema der Windenergiebranche sind die Flächen. "Viele Flächen werden in Schleswig-Holstein nicht optimal ausgenutzt", erklärt Marcus Hrach. "Nur 1,1 Prozent der Landesfläche stehen derzeit für die Bebauung mit modernen Anlagen zur Verfügung", sagt Hrach. Ursache hierfür seien die in Schleswig-Holstein geltenden Höhenbeschränkungen 3H und 5H. Auch das in Schleswig-Holstein gültige Kriterium "Rotor-In" versus "Rotor-out" in anderen Bundesländern trägt dazu bei, dass Flächen nicht genutzt werden können. Das neue Wind-an-Land-Gesetz des Bundes geht eigentlich von einer Rotor-out-Planung aus, das heißt Rotoren können aus den Windvorrangflächen rausragen. Der BWE SH fordert daher eine dringende kritische Überprüfung aller Regularien, die dazu führen, dass Flächen nicht optimal genutzt werden können.
Landesvorsitzender Wolfgang Stapelfeldt kritisiert: "Auch die pauschale Ablehnung von allen Repoweringprojekten außerhalb von Vorranggebieten ist nicht mehr zeitgemäß angesichts der aktuellen Energiekrise. Zudem entspricht dies auch nicht mehr den Vorgaben des Bundes. Wo sich Anlagen immissionsschutzrechtlich errichten ließen, sollte dies auch genehmigungsrechtlich möglich sein".
Photovoltaik
Für die Photovoltaik bewertet Reinhard Christiansen die Situation so: "Die Ausbauziele der erneuerbaren Energien im Koalitionsvertrag sind ambitioniert, aber für die Photovoltaik fehlt ein definiertes konkretes Ausbauziel. Sowohl für Freiflächen als auch für PV auf Dächern fehlen Ziele für 2030 sowie 2040, um klimaneutral zu werden." Aus Sicht der Verbände darf auch bei der Gebietskulisse für Freiflächenanlagen das Land nicht hinter den Möglichkeiten der Bundesgesetzgebung zurückbleiben. "Im geltenden Solarerlass werden derzeit Flächen pauschal ausgeschlossen. Dies entspricht nicht mehr der aktuellen gesetzlichen Grundlage (§2EEG)", berichtet Marcus Hrach. Der LEE SH fordert daher, dass die Landesregierung den PV-Erlass des Landes jetzt überarbeitet. Ebenso muss das Energiewende- und Klimaschutzgesetz angepasst werden, unter anderem, um die im Koalitionsvertrag angekündigte Solarpflicht für Neubauten ab dem Jahr 2025 umzusetzen.
Biogas
Für LEE SH-Vorsitzenden Christiansen ist in Bezug auf Biogas klar: "Der Koalitionsvertrag wird der Bedeutung von Biogas für die Versorgungssicherheit mit Strom und Gas sowie für die Wärmewende nicht gerecht". Bei der Erzeugung erneuerbaren Stroms steht Bioenergie in Schleswig-Holstein an zweiter Stelle und bei der erneuerbaren Wärme an dritter. Zudem ist Schleswig-Holstein gemäß Deutschem Biomasseforschungszentrum, kurz DBFZ, eines der Bundesländer mit dem größten Potenzial für die Einspeisung von Biomethan und könnte somit fossiles Erdgas verdrängen. "Angesichts der Energiekrise ist das Land gefordert, den Anschluss an das Gasnetz für die Biogasanlagenbetreiber zu erleichtern und somit die Abhängigkeit Schleswig-Holsteins vom fossilen Gas zu reduzieren", berichtet Marcus Hrach. Auch sollte sich die Landesregierung zu den bestehenden Biogasanlagen bekennen, die Gaseinspeisung und den Ausbau von lokalen Wärmenetzen forcieren sowie dies im Energiewende- und Klimaschutzgesetz verankern.
Wasserstoff
"Positiv ist das Bekenntnis der Landesregierung zu grünem Wasserstoff und der Wunsch, eine Wasserstoffwirtschaft mit heimischer Erzeugung voranzutreiben", sagt Reinhard Christiansen. "Es ist jedoch wichtig, dass Schleswig-Holstein dabei den Fokus nicht nur auf Großprojekte legt. Kleine und mittelständische Unternehmen prägen die dezentrale Energiewende in Schleswig-Holstein", erklärt Christiansen weiter. Sie sind das Rückgrat der hiesigen Erneuerbaren-Branche. Die Energiewende ist insbesondere durch ihre Dezentralität ein Erfolgsmodell geworden. Dezentralität senkt die Kosten für den Leitungsausbau.
Für KMUs und Kleinstbetriebe müssen die gleichen rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten wie für Großprojekte wie Heide geschaffen werden, um mit ihren Anlagen grünen Wasserstoff produzieren zu können. Aktuell wird in Schleswig-Holstein noch Grünstrom abgeregelt, der dringend für andere Sektoren gebraucht wird. Marcus Hrach erläutert: "Perspektivisch wird der Netzausbau in den Süden nicht so schnell voranschreiten wie der Ausbau der Erneuerbaren. Die Landesregierung sollte sich daher weiter im Bund und in der EU dafür einsetzen das Potential zur Entlastung der Netze nutzen". Daher fordert der LEE SH, grünen Wasserstoff dezentral und in direkter Nähe zu den Erzeugungsstandorten unter Nutzung der Prozesswärme zu produzieren.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE) - Landesgeschäftsstelle Schleswig-Holstein
Jana Lüth, Pressesprecherin
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