Jahresrückblick und Ausblick der Pflanzenzüchter
(Bonn) - Der Zugang zu und die Nutzung von pflanzengenetischen Ressourcen, Rechtssicherheit für die Anwendung von Züchtungsmethoden sowie ein angemessener und ausgewogener Schutz des geistigen Eigentums sind nach wie vor die Themen, von denen die Leistungskraft der Branche in hohem Maß abhängt.
- Drohende Überregulierungen und unzureichende rechtliche Rahmenbedingungen bremsen die Unternehmen der Pflanzenzüchtung zunehmend in ihrer Handlungsfähigkeit.
- 150 Jahre Mendelsche Regeln - Pflanzenzüchter feiern besonderes Jubiläum
Geistiges Eigentum angemessen schützen
Patente
Das Europäische Patentamt entschied in diesem Jahr, dass Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung möglich sind. Der ausgewogene Schutz geistigen Eigentums ist eines der Kernanliegen der Pflanzenzüchter. Der BDP spricht sich deshalb dafür aus, dass Produkte aus im Wesentlichen biologischen Verfahren der Kreuzung und Selektion nicht patentierbar sein sollten. Er fordert die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene für eine entsprechende Klarstellung und Rechtssicherheit einzusetzen. Für den Bereich der klassischen Züchtung, also die natürliche Genetik, ist der Sortenschutz das geeignete und innovationsfördernde Schutzrecht. Das Patentrecht sollte auf technische Erfindungen in der Züchtung beschränkt werden.
Nachbau: Vogel-Urteil
Die rechtliche Situation bei der Erhebung der Nachbaugebühren ist weiterhin unbefriedigend, denn de facto entgehen den Züchtern 50 Prozent der ihnen zustehenden Nachbaugebühren. Das Sortenschutzrecht muss entsprechend nachgebessert werden. Gestärkt wurden jedoch die Züchterrechte im Sommer 2015 durch eine Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Nachbauregelung. Nach dem sogenannten Vogel-Urteil sind nachbauende Landwirte verpflichtet, die Nachbaugebühr bis zum auf die Aussaat folgenden 30.6. zu zahlen - ohne dass es einer Aufforderung bedürfte. Andernfalls begehen sie eine Sortenschutzverletzung mit rechtlichen Folgen.
Nachbau: Aufzeichnungspflicht für Aufbereiter
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat im Oktober nochmals klargestellt, dass auch sogenanntes Nachbausaatgut der Aufzeichnungspflicht gemäß Saatgutaufzeichnungsverordnung unterliegt. Saatgutaufbereiter sind wie bisher auch im Rahmen der Nachbauaufbereitung verpflichtet, sich aktiv Kenntnis von der Sorte zu verschaffen und entsprechende Aufzeichnungen u. a. über Sorte, Menge und Lieferant des aufzubereitenden Materials zu führen. Das Nicht-Führen der erforderlichen Aufzeichnungen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar.
Förderung der Pflanzenforschung intensivieren
GFPi
Die Gemeinschaft zur Förderung der privaten deutschen Pflanzenzüchtung (GFP) und der Wirtschaftsverbund PflanzenInnovation (WPI) verschmelzen zu einer neuen Organisation: "Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation e. V." (GFPi).
Das Erfolgskonzept der Gemeinschaftsforschung wird fortgesetzt. Die GFPi wird sich gleichzeitig neuen Herausforderungen wie dem Aufbau einer Bioökonomie als zukunftsfähigem Wirtschaftssystem intensiv widmen. Pflanzenforschung und -züchtung werden im Rahmen der Bioökonomieforschung viel stärker mit den Partnern der gesamten land- und ernährungswirtschaftlichen Wertschöpfungskette interagieren.
Förderinitiativen der Bundesregierung
Neue Pflanzensorten, die natürliche Ressourcen wie Wasser und Nährstoffe effizient nutzen, hohe und stabile Erträge liefern sowie verbesserte Krankheitsresistenzen aufweisen, sind Voraussetzung für den Erfolg der Bioökonomie.
Mit neuen Förderinitiativen haben sich erstmals das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und das Bundesministerium für Bildung und Forschung in Bezug auf komplementäre Richtlinien zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovationen im Bereich der Pflanzenforschung miteinander abgestimmt. BDP und GFPi sehen insbesondere in der Langfristigkeit, mit der das BMBF exzellente Verbundvorhaben der anwendungsnahen interdisziplinären Grundlagenforschung fördern will, die Chance für einen hohen Erkenntnisgewinn.
Pflanzengenetische Ressourcen schützen und Zugang sicherstellen
Nagoya
Die Pflanzenzüchter in Deutschland unterstützen das Ziel des Nagoya-Protokolls, pflanzengentische Ressourcen zu schützen und einen gerechten Vorteilsausgleich für Geber und Nutzer dieser Güter zu schaffen. Dieses Ziel verfehlt die umsetzende EU-Verordnung jedoch. Sie sieht ausufernde Dokumentationspflichten vor und schränkt die Züchtungsausnahme, nach der jeder Züchter mit den Sorten seiner Wettbewerber weiterzüchten kann, drastisch ein. Nachdem die Nichtigkeitsklage gegen die EU-Verordnung vom Europäischen Gericht erster Instanz als unzulässig abgewiesen wurde, haben die Kläger aus der Pflanzenzüchtung im Juli 2015 Rechtsmittel hiergegen beim Europäischen Gerichtshof eingelegt. Das nationale Gesetz zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls in Deutschland wurde Ende November 2015 verabschiedet und wird im Juli 2016 in Kraft treten. Die Pflanzenzüchter setzen sich für eine pragmatische Auslegung der Bestimmungen ein.
Innovationspreis der Gregor Mendel Stiftung
Im März wurde in Berlin der Innovationspreis der Gregor Mendel Stiftung an den syrischen Wissenschaftler Mahmoud Solh verliehen. Solh kopierte mit seinem Team die komplette syrische Saatgut-Datenbank und schaffte das Material außer Landes, um es vor der Zerstörung durch den seit fünf Jahren anhaltenden Bürgerkrieg in seinem Heimatland zu schützen.
Rechtssicherheit schaffen
Nationalisierung von GVO-Anbauentscheidungen
Obwohl die EU-Richtlinie zur Umsetzung nationaler GVO-Anbauverbote ("Opt out") bereits im April 2015 in Kraft getreten ist, konnte in Deutschland nach wie vor keine Einigung über die Umsetzung in nationales Recht erzielt werden. Mit der europäischen Entscheidung hat sich die Politik nach Ansicht des BDP von den Grundsätzen des gemeinsamen Binnenmarktes verabschiedet. Dass durch diese Initiative die Nutzung von durch EU Behörden als sicher bewertete und genehmigte Produkte nachträglich aus nicht wissenschaftlichen Gründen verboten werden kann, stellt einen Tabubruch und eine gravierende Schwächung des auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Genehmigungsverfahrens dar.
Umgang mit Innovationen
Bereits seit 2008 beschäftigt die EU-Kommission sich mit der Frage, wie technischer Fortschritt in der Pflanzenzüchtung vor dem Hintergrund des geltenden Gentechnikrechts zu bewerten ist. Für den Jahresbeginn hat die Kommission nun die Veröffentlichung ihrer längst überfälligen rechtlichen Einordnung der Methoden angekündigt. Diese wird maßgeblich darüber entscheiden, ob weiterentwickelte Methoden zukünftig für alle Pflanzenzüchter nutzbar sind und somit Züchtungsfortschritt beschleunigen können, oder ob ihr Potenzial wegen unverhältnismäßiger Regulierungsauflagen zu Lasten einer leistungsfähigen Landwirtschaft ungenutzt bleibt. Wie auch die europäischen und nationalen Expertengremien vertritt der BDP die Ansicht, dass sechs der zur Debatte stehenden Methoden nicht zu gentechnisch veränderten Organismen führen und deshalb keiner zusätzlichen Regulierung bedürfen. Diese wissenschaftlichen Empfehlungen sollten Grundlage für die Entscheidung der Kommission sein.
2016 - Mendeljahr
Im kommenden Jahr jährt sich die Veröffentlichung der Mendelschen Regeln zum 150. Mal. Die Pflanzenzüchter machen mit verschiedenen Aktionen darauf aufmerksam, wie wichtig die Erkenntnisse über die Vererbung von Merkmalen, die Gregor Mendel durch seine Kreuzungsversuche erlangte, noch heute für die Züchtung sind. www.150-jahre-mendel.de/
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V.
Pressestelle
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Telefon: (0228) 9858110, Fax: (0228) 9858119