IW-Direktor Fels zur Wirtschaftspolitik: Halbherzige Reformen im Pseudokonsens
(Köln) - "Ein Vierteljahrhundert Reformdebatte scheint sich endlich zu einer kritischen Masse an Reformprojekten zu verdichten." Diese Hoffnung äußert Professor Gerhard Fels, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), in einem Ausblick auf das Jahr 2004. Nach drei Jahren mit kaum mehr als einem Null-Wachstum sei weitgehend akzeptiert, dass Abstriche bei sozialen Unterstützungsleistungen, Altersrenten und Subventionen unabweislich sind. Zudem sei die Einsicht gewachsen, dass die Leistungsbereitschaft und Investitionsneigung durch niedrigere Steuersätze gefördert werden müssten, so Fels.
Gleichwohl hätten Regierung und Opposition im Vermittlungsausschuss erneut in pseudokonsensualer Manier einen halbherzigen Kompromiss verabschiedet. "Richtig voran bringt er das Land nicht", lautet das Fazit des IW-Direktors. Da die deutschen Gewerkschaften die Tarifautonomie in der Form des Flächentarifvertrags zu ihrem Existenzdogma erhoben hätten, sei es zudem problematisch, dass sich die Regierung mit einer verbalen Einigung der Tarifparteien auf freiwillige Öffnungsklauseln begnüge, anstatt mit dem nötigen Pragmatismus eine gesetzliche Neuregelung anzustreben. Wo dagegen Prinzipientreue gefragt sei, suche man sie vergebens - etwa beim europäischen Stabilitätspakt, durch dessen Unterminierung großer politischer Schaden angerichtet worden sei.
Bei aller Kritik müsse man der Politik zugestehen, dass sie im abgelaufenen Jahr einen Lernprozess begonnen habe. "Zur eigentlichen Nagelprobe kommt es aber 2004", betont Gerhard Fels. Es sei zu befürchten, dass der Reform-Elan im nun einsetzenden Aufschwung schnell erlahme. In diesem Fall wäre aber ein neuerlicher Rückschlag unvermeidlich - und Deutschland bliebe wirtschaftspolitisch ein Sorgenkind.
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