Pressemitteilung | k.A.

Irreführendes Prüfsiegel nicht im Sinne des Verbraucherschutzes

(Gießen) - Als clevere Idee zur Kundenwerbung des privatwirtschaftlichen Unternehmens TÜV-Süddeutschland aber mit dem Resultat das auch eine erhebliche Irreführung des Verbrauchers herbeiführen kann, bewertet Sven Deeg (Gießen), Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verbandes Unabhängiger Prüflaboratorien (VUP) die Absicht, zukünftig ein Prüfzeichen „Lebensmittel TÜV geprüft“ zu vergeben.

Das bisher mit Kompetenz im technischen Bereich hervorgetretene privatwirtschaftliche Unternehmen TÜV sucht jetzt auch im Markt der Lebensmittelüberwachung Fuß zu fassen. So präsentiert sich der TÜV Süddeutschland seit neuestem gemeinsam mit der TU München mit dem Unternehmen vitacert als „neutrale Überwachungsstelle, die nach sichtbaren und sachkundigen Kontrollen für Klarheit und Transparenz in den Lebensmittelregalen sorgt“. Das dafür entwickelte Prüfzeichen erhalte nur, was die Prüfkriterien erfülle.

„Welche Prüfkriterien ? Von wem definiert ?“ fragt sich Ulrich Kutscher, stellvertretender Vorsitzen-der des Bundesfachausschusses „Lebensmittel und Bedarfsgegenstände“ des VUP, dem rund 75 % der in Deutschland niedergelassenen, akkreditierten bzw. staatlich anerkannten privaten Lebensmittellabo-ratorien angehören. Das Vorhaben des TÜV Süddeutschland beziehe sich im wesentlichen auf Maßnahmen die längst gemäß Lebensmittelhygieneverordnung, EU Zertifizierungen und DIN ISO 9000 ff Inhalte geregelt seien. Die Rückverfolgbarkeit von Rindfleisch sei z.B. über das Rindfleisch-etikettierungsgesetz gegeben. In Deutschland ist bereits jedes Stück Rindfleisch mit Geburt-, Mast-, Schlacht- und Zerlegeort zu kennzeichnen. Die Kontrollen dafür können akkreditierten Kontrollstellen übertragen werden. Genetische Identifizierungen sind dafür nicht notwendig.

Die Ansetzung eines weiteren administrativen Elements könne daher nur als Marketing des TÜV interpretiert werden und bedeuten für den Verbraucherschutz einen Rückschritt. Insgesamt zeige sich der TÜV hier als Trittbrettfahrer, der bestehende Verbraucherängste unnötig verstärke, um damit - ohne nachgewiesene Kompetenz in der Sache - kräftig abzukassieren, so das Echo bei den akkredi-tierten Lebensmittellaboratorien.

Entscheidend sei, welche Prüfungen nach wessen Vorgaben sachkundig, kompetent, qualitätsgerecht und mit der gebotenen Unabhängigkeit durchgeführt würden, kommentiert Kutscher die TÜV-Aktion kritisch. Zu den Prüfverfahren, vor allem aber auch zum Qualitätsmanagement und zur Kompetenz der eingebundenen Untersuchungslaboratorien ließen die bisherigen Darstellung des bayerischen Technikerunternehmens in Pressemitteilungen und im Internet konkrete Aussagen vermissen.

„Vitacert untersucht im Auftrag des Herstellers, der für diese Leistungen bezahlt“, so Dr. Jochen P. Zoller, Geschäftsführer der vitacert auf Anfragen des VUP. Ein Produzent der ein Lebensmittel zertifizieren wolle, gebe dem TÜV die zu überprüfenden Eigenschaften entsprechend seiner Qualitäts-aussagen vor. Der TÜV entwickle daraufhin für die Produktgruppe ein Lasten- und Pflichtenheft, das die Grundlage der Prüfung bildet. Daher könne man zum jetzigen Zeitpunkt auch noch keine konkrete Angaben zu den Prüfverfahren erwarten, ergänzt und bestätigt der TÜV.

Die Kriterien des Gütesiegels werden von Auftragslaboratorien des TÜV nach dessen Vorgaben überprüft „um vorhandene Produktionsketten nicht zu unterbrechen“. Bei diesen Laboratorien stelle der TÜV nach eigenen Angaben jedoch keine Bedingungen an ein nach internationalen Normen akkreditiertes Qualitätsmanagement, wie es in der Lebensmittelkontrolle üblich und in vielen Bereichen gesetzlich vorgeschrieben ist, musste der VUP erfahren. Der TÜV Süddeutschland selbst sowie sein Partner, die TU München, besitzen hier bisher weder in den gesetzlich geregelten noch anderen Bereichen eine offizielle Akkreditierung als Lebensmittelkontrolleure. Dieses lässt in der Branche der Prüflaboratorien die Kompetenz des Münchener Überwachungsvereins in erheblichem Maße als fragwürdig erscheinen.

Es sei nach Auffassung des Prüflaborverbandes aber gerade die Stärke der akkreditierten Lebensmit-tellaboratorien, aus den Tagesergebnissen heraus zu reagieren und damit Waren nach der Produktion zu beurteilen bevor sie gegessen werden. Dahinter stünden langwierige und aufgesetzte Kontrollsys-teme, wie das hier vom TÜV geplante, weit zurück.

„Je mehr Gütesiegel, um so unübersichtlicher für den Verbraucher“, ist die Auffassung des Bundesmi-nisteriums für Verbraucherschutz. Wie beim Geld resultiere aus einer Inflation der Siegel letztlich, dass das einzelne Prädikat an Wert verliere, so eine Sprecherin des Künast-Ministeriums. Um dieser Inflation und Verbraucherirritation ein Ende zu setzten, beabsichtige man in kürze sowohl für ökologisch als auch konventionell erzeugte Produkte ein eigenes „ministerielles“ Prüfzeichen einzuführen. Beim Verbraucher wolle man so mit Transparenz und exakt definierten Kriterien Vertrauen schaffen und signalisieren, dass für Produkte dieser Siegel das Ministerium gerade stehe, heißt es in der Erklärung auf Anfrage des VUP.

Beigetragen zu der Verwirrung hatte zuletzt auch der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Klement. Am 10. Mai hatte er in einer Rede auf dem landwirtschaftlichen Forum in Düsseldorf zum Thema „Gesunde Lebensmittel aus NRW“ zur Qualitätskontrolle eine Art „Lebensmittel-TUeV“ vorgeschlagen. Wie die Presseabteilung der Staatskanzlei Nordrhein Westfalens nachträglich richtig stellen musste, habe der Ministerpräsident damit keinesfalls den TÜV als eine geeignete Stelle für Lebensmittelkontrollen ins Gespräch bringen und politisch fördern wollen. Man habe sich lediglich einer „journalistischen Redewendung“ bedient, da der TÜV den Bürgern aus dem Bereich „Kraftfahrzeuge“ als Überwachungsstelle bekannt sei, heißt es aus Düsseldorf.
Verbraucher, die nach einer Recherche zu einem bestimmten Lebensmittel in der TÜV-Datenbank ein „Rundum-sorglos“-Zertifikat erwarten, könnten sich also täuschen, gibt der VUP zu bedenken. Zusammenfassend vertritt der Verband die Auffassung, dass unter der Flagge „TÜV“ eine Sicherheit von Lebensmitteln vorgetäuscht werden soll, die so nie erreichbar ist. Der Ansatz sei sowohl vom Grundsätzlichen als auch im Vollzug fehl geplant und in Bezug auf mehr Lebensmittelsicherheit sei dabei eher ein Rückschritt zu erwarten.

Wer bei dem Auftragsverhältnis zwischen Produzenten und vitacert zudem kritisch nach der Unabhän-gigkeit und Neutralität des TÜV von den Vermarktungsinteressen der Hersteller und Händler fragt, erhält die Antwort: „Die Sorgen sei so alt wie der TÜV selbst“, so TÜV-Geschäftsführer Zoller, der diese auf jeden Fall gewährleistet sieht. Er verweist dabei auf die Prüftätigkeit bei der Sicherheit von Kraftfahrzeugen hin, bei der man bewiesen habe, dass der TÜV nicht käuflich sei.

„Ein Vergleich, der hinkt“, kommentiert Deeg spontan, übertrüge man das Konzept vitacert aus dem Lebensmittelbereich, würde der Halter dem TÜV zukünftig vorschreiben, welche Technik seines Kraftfahrzeuges er auf Sicherheit zu überprüfen gedenkt. „Bitte bescheinigen Sie mir die Funktions-tauglichkeit meiner Hupe, eine Kontrolle des Profils meiner Reifen brauche ich heute aber nicht“, könnte es im übertragenen Sinn zukünftig bei einem TÜV-Sicherheitscheck seitens des „Kunden“ heißen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Verband Unabhängiger Prüflaboratorien (VUP) e.V. Kerkrader Str. 9 35394 Gießen Telefon: 0641/944660 Telefax: 0641/9446622

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