Iran: Wer Journalist ist, wird weggesperrt
(Berlin) - Seit Beginn der landesweiten Proteste vor gut einem Monat hat das Regime im Iran 33 Journalistinnen und Reporter festgenommen. 29 von ihnen sind noch immer in Haft (Stand: 20.10.), 14 saßen bereits vor den Protesten im Gefängnis. Nur in China und Myanmar sitzen derzeit mehr Medienschaffende in Haft. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert ihre sofortige Freilassung.
"Wer derzeit im Iran auch nur unter Verdacht steht, journalistisch zu arbeiten, wird weggesperrt", sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. "Teheran geht in einem alarmierenden Tempo gegen unabhängige Medienschaffende vor, momentan sind so viele von ihnen inhaftiert wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Präsident Ebrahim Raisi und Revolutionsführer Ali Chamenei müssen einsehen, dass sie die Medien genauso wenig mit harter Hand kontrollieren können wie die Bevölkerung."
Eine der ersten Journalistinnen, die auf das Schicksal der 22-jährigen Mahsa Jina Amini aufmerksam machte, war Nilofar Hamedi. Sie wurde auch als eine der ersten Journalistinnen ins Gefängnis geworfen. Nach Aminis gewaltsamem Tod am 16. September haben die iranischen Behörden in 14 verschiedenen Städten insgesamt 33 Medienschaffende inhaftiert. 29 sind noch immer im Gefängnis, darunter 10 Journalistinnen. Auch während früherer Protestwellen gingen die Behörden hart gegen die Medien vor. 2019, als viele Iranerinnen und Iraner gegen eine deutliche Erhöhung der Benzinpreise demonstrierten, ließ das Regime 33 Medienschaffende einsperren. Im Jahr zuvor waren es während mehrerer Protestwellen insgesamt 30. Schon damals schränkte das Regime das Internet und Mobilfunkverbindungen mehrfach und über längere Zeit ein.
Druck, Drohungen und Vorladungen
Unter der Bedingung, anonym zu bleiben, sagte ein iranischer Journalist zu RSF: "Ich wage zu behaupten, dass es in den letzten fünf Jahren und nach mehreren Protesten noch nie einen solchen Druck seitens der Sicherheitsinstitutionen gegeben hat wie derzeit. Es gab immer großen Druck auf die Medien und Journalistinnen und Journalisten, es gab immer Drohungen und Vorladungen, aber nicht so sehr wie heute."
Mindestens 13 Medienschaffende wurden bei Razzien der iranischen Sicherheitskräfte in ihren Wohnungen verhaftet, etwa Navid Jamshidi. Der freiberufliche Journalist wird seit dem 24. September aus unbekannten Gründen von den Sicherheitskräften festgehalten. Seit Vater Iraj Jamshidi, ebenfalls Journalist und Gründer der Nachrichtenseite Asianews, sagte einen Tag später in einem Video: "Vergangene Nacht, während ich schlief, klingelte mein Telefon, und die Frau meines Sohnes teilte mir weinend mit, dass jemand dabei sei, ihre Haustür aufzubrechen. Wir gingen zum Haus unseres Sohnes, um zu sehen, was los war. Zehn Personen hatten das Haus gestürmt, hatten Navid die Hände am Rücken gefesselt und durchsuchten die Räume. Was genau sie suchten, weiß ich nicht."
Sehr schnell nach Beginn der Proteste standen der ungehinderte Zugang zu Informationen und die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten im Visier der Regierung. Fast täglich schränken die Behörden den Internetzugang stark ein, zu verschiedenen Zeiten und an unterschiedlichen Orten. Sie versuchen zudem, den Zugang zu VPNs zu verhindern. Die unabhängigen Medien im Iran stehen unter strikter Aufsicht der Behörden. Um sich zu schützen, üben deshalb viele Journalistinnen und Journalisten Selbstzensur.
Die Führung des Irans wirft dem westlichen Ausland vor, die Proteste anzuheizen. Neben dem britischen Geheimdienst und Einzelpersonen hat das Regime auch in London ansässige persischsprachige Medienhäuser wie BBC Persian und Iran International auf eine Sanktionsliste gesetzt.
Der Iran steht auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 178 von 180 - nur in Eritrea und dem Schlusslicht Nordkorea sieht es noch düsterer aus. Seit vielen Jahren steht der Iran, und seit 2012 besonders der damals gegründete Hohe Rat für den Cyberspace, auf der RSF-Liste der Feinde des Internets.
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