Inflation, Energiepreise, Rohstoffverteuerung sowie Kostendruck und Lieferketten-Engpässe fordern die Spirituosenindustrie in Deutschland
(Bonn) - Die sogenannte "Zeitenwende 2022" brachte auch im deutschen Spirituosenmarkt Unsicherheit mit sich. Zwar gehörten Spirituosen im Jahr 2022 erneut zu den umsatzstarken Warengruppen im LEH (Distribution rund 76 Prozent) - jedoch bei leicht rückläufiger Nachfrage. Die Stabilität des Spirituosenkonsums 2022 bei rund 724 Millionen Flaschen à 0,7 Liter ist insbesondere auf die leicht steigende Nachfrage in weiteren Distributionskanälen wie Gastronomie, Fachhandel etc. zurückzuführen (rund 24 Prozent). Auch wenn der Spirituosenmarkt relativ stabil ist, gehen die Nachwehen der Pandemie, die Energiekrise und die Inflation auf Herstellerseite einher mit einer deutlich eingeschränkten Planungssicherheit. Die Möglichkeit nachhaltiger Entscheidungen in Bezug auf Investitionen, Innovation und Arbeitsplatzerhaltung sind deutlich erschwert.
Die Unsicherheit am Markt und die Schwierigkeit langfristiger Analysen zeigt sich auch anhand der Daten zu Käuferreichweite und Verbraucherstimmung. So kauften im Jahr 2022 rund 67 Prozent aller Haushalte in Deutschland mindestens einmal Spirituosen ein (Käuferreichweite). Reichweitenverluste zum Vorjahr gehen - nach Angaben der GfK SE - über alle Haushalte hinweg - mit einem Schwerpunkt bei jüngeren Haushalten.
Auch für die Verbraucherstimmung analysierte die Marktforschung GfK im März 2023 ein uneinheitliches Bild: Eine Erholung setzt sich zwar fort, aber mit nachlassender Dynamik - während auf der einen Seite die Einkommenserwartung sich weiterhin positiv entwickelt, zeigt sich die Anschaffungsneigung kaum verändert. Die Konjunkturerwartung muss dagegen einen ersten kleinen Rückschlag hinnehmen.
"Obwohl die Einkommensaussichten in Deutschland derzeit von zuletzt spürbar gesunkenen Preisen für Energie, Benzin und Heizöl profitieren, wird die Inflation wohl weiterhin spürbar bleiben. Die damit verbundene Sparneigung dürfte ihre Auswirkung erneut auch im Spirituosenbereich zeigen, wenngleich auch noch keine abschließende Prognose für 2023 gemacht werden kann. Unter den gegebenen Voraussetzungen appellieren die Hersteller und Importeure der Spirituosenbranche an die Politik, verlässliche Rahmenbedingungen zu gewährleisten und so die Funktionsfähigkeit der Lieferketten und die entsprechende Versorgungssicherheit in Deutschland zu unterstützen. Diese sind wesentlich für eine Planungssicherheit der Unternehmen", so der BSI-Präsident Thomas Ernst.
Entwicklungen im Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) im Jahr 2022
Nach Analysen der Marktforschung Circana (vorher: Information Resources GmbH) sank der Absatz an Spirituosen im LEH (inklusive Aldi/Lidl/Norma) im Jahr 2022 um 2,2 Prozent auf rund 551 Millionen Flaschen à 0,7 Liter. Rund 76 Prozent des Gesamtabsatzes mit Spirituosen wurden 2022 über den Lebensmittel-Einzelhandel abgesetzt.
Die größten mengenmäßigen Marktanteile verbuchten weiterhin "Klare Spirituosen" (rund 37,7 Prozent), "Liköre" (rund 35,7 Prozent) und "Whisk(e)ys" (rund 9,9 Prozent). Zu den Gewinnern zählten 2022 u. a.: Liköre (u. a. "restliche" Liköre, Fruchtliköre, Cocosliköre), Whisk(e)ys, Tequila, Jagertee, Grappa, Raki, Ouzo, Brandy, Doppelkümmel und Armagnac. Das Umsatzvolumen im Lebensmittel-Einzelhandel betrug 2022 rund 4,9 Milliarden Euro (Vorjahr: 4,9 Milliarden Euro). Das ist gut ein Viertel des Umsatzes aller alkoholhaltigen Getränke (Bier, Wein, Sekt und Spirituosen) im LEH.
Entwicklung des Außenhandels mit Spirituosen im Jahr 2022
Die Spirituosenimporte umfassten nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2022 rund 480 Millionen Flaschen à 0,7 Liter (+3,4 Prozent).
Die Spirituosenexporte betrugen im Jahr 2022 - nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes - rund 356 Millionen Flaschen à 0,7 Liter (+19,4 Prozent).
Entwicklung des Spirituosen-Gesamtmarktangebots
Das Gesamtmarktangebot (Produktion + Import - Export) stagnierte - nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes und Schätzungen des BSI -2022.
Die gesamte Spirituosenbranche inklusive Importeure hatte 2022 eine stagnierende Umsatzentwicklung mit geschätzten rund 4,75 Milliarden Euro - darin enthalten sind rund 2,2 Milliarden Euro an Alkoholsteuern für Spirituosen.
Pro-Kopf-Konsum von Spirituosen
Der Konsum pro Kopf von Spirituosen lag 2022 wie 2021 bei rund 5,2 Liter Fertigware (Quelle: vorläufige Zahl des ifo Instituts - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.).
Im internationalen Vergleich des Spirituosen-Pro-Kopf-Konsums belegte Deutschland im Jahr 2020 (Zahlen für das Kalenderjahr 2021 lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor) Platz 48 - unter anderem hinter Südkorea, Belarus, Lettland, Estland, Bulgarien (Quelle: Analysen der Marktforschung "the IWSR and the IWSR Magazine [the Source for Wine & Spirits Analysis], London/Großbritannien).
Der Pro-Kopf-Verbrauch aller alkoholhaltigen Getränke (Bier, Wein, Sekt und Spirituosen) betrug 120,1 Liter im Jahr 2022 und stieg damit zum entsprechenden Vorjahresvergleich um 1,6 Liter bzw. um 1,4 Prozent.
Verbrauchsteuern auf Spirituosen und alkoholhaltige Getränke 2022
Bei den Verbrauchsteuern für alkoholhaltige Getränke (Bier, Wein, Sekt, Spirituosen und spirituosenhaltige Mischgetränke sowie Zwischenerzeugnisse) in Höhe von 3.172,7 Millionen Euro (2021: 3.031,1 Millionen Euro) entfiel auf Spirituosen ein Anteil von 69,1 Prozent. Der Pro-Kopf-Konsum von Spirituosen entsprach im selben Zeitraum einem Anteil von lediglich 4,3 Prozent - bezogen auf alle alkoholhaltigen Getränke.
Struktur der Spirituosenbranche
Die Mitarbeiter- und Betriebsstruktur in der Spirituosenbranche ist seit Jahrzehnten in einem anhaltenden Konzentrationsprozess. Im Jahr 2022 ergab sich in der Spirituosenbranche in Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten eine Zunahme auf 3.195 Mitarbeiter (+62 Mitarbeiter/+2,0 Prozent), die in 52 Betrieben (-1 Betrieb/-1,9 Prozent) beschäftigt waren (Quelle: Angaben des Statistischen Bundesamtes).
Ausblick
Die zusätzlichen Herausforderungen seit dem Ukraine-Krieg 2022 in Europa und weltweit haben auch in Deutschland zu signifikanten Beeinträchtigungen der Lieferketten und der Rohstofflieferungen geführt. Überdies kämpft Deutschland mit steigenden Energiepreisen und Inflation. Auch im Jahr 2023 ist Deutschland von einer Normalisierung der wirtschaftlichen Lage noch weit entfernt.
Insbesondere die enormen Preissteigerungen für Rohstoffe, Glas, Transport und die Energieversorgung beschäftigen die Spirituosenbranche weiterhin nachhaltig. Für die Mitglieder des BSI ist die Konsumentenstimmung von besonderer Bedeutung. Aufgrund der derzeitigen Situation äußert sich diese zum Teil auch durch Konsumverzicht. In Zeiten individueller werdender Wünsche, aber auch Herausforderungen ist es wichtig, auf die Bedürfnisse der Konsumenten einzugehen. Es sind dabei auch in Zukunft Kultur, Qualitätsbewusstsein, Markenpflege, Nachhaltigkeit, aber auch die Bereitschaft zu Innovationen für erfolgreiches unternehmerisches Handeln in der Spirituosenbranche notwendig.
Prävention und Aufklärung als wichtiger Beitrag zu "maßvollem Konsum"
Die Risiken übermäßigen Alkoholkonsums sind ernst zu nehmen. Der BSI setzt sich auf verschiedenen Ebenen und gegenüber einer Vielzahl von Zielgruppen dafür ein, Risikokompetenz und Eigenverantwortung als zentrale Voraussetzung für einen verantwortungsvollen Umgang mit alkoholhaltigen Getränken zu fördern. Denn in einer auf Selbstbestimmung aufbauenden Gesellschaft müssen sich alle relevanten Gruppen dieser Aufgabe stellen. Der BSI wird auch künftig einen nachhaltigen Beitrag leisten, um alkoholhaltige Getränke als Bestandteil einer entwickelten Genusskultur zu erhalten, den verantwortungsvollen Umgang mit alkoholhaltigen Getränken zu fördern und dem missbräuchlichen Konsum vorzubeugen. Dieser besonderen Mitverantwortung stellt sich der BSI im Rahmen zahlreicher Maßnahmen und Aktivitäten. "Bereits im Jahr 2005 wurde daher der "Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung" als Gremium des BSI auf Basis seines Grundsatzpapiers ins Leben gerufen. Das Gremium befasst sich seit nun 18 Jahren mit sogenannten "nicht-kommerziellen" Aufgabenstellungen des BSI, um den verantwortungsvollen Konsum von alkoholhaltigen Getränken sowie die Reduktion des missbräuchlichen Konsums zu fördern. Die drei Säulen der Arbeit des "Arbeitskreises Alkohol und Verantwortung" sind
- Präventionsmaßnahmen,
- effektive Selbstregulierungen der Mitgliedsfirmen des BSI ("Code of Conduct") und
- umfassende Verbraucherinformation (www.massvoll-geniessen.de)",
so Angelika Wiesgen-Pick, Geschäftsführerin des BSI.
In Bezug auf die kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke hat sich der BSI unter dem Dach des Deutschen Werberats den sogenannten "Freiwilligen Verhaltensregeln über die kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke" unterworfen. Diese stellen ein international anerkanntes Instrument im Bereich der freiwilligen Werbeselbstkontrolle dar: Über den Bereich staatlicher Rechtsetzung hinaus übernehmen damit Alkoholwirtschaft, Agenturen, Handel und Medien etc. aktiv Verantwortung für ein geordnetes Werbeverhalten. Bürger sollen sich auch dann gegen Inhalte der Werbung wehren können, wenn Spots, Plakate, Anzeigen oder andere Formen der kommerziellen Kommunikation (z. B. Online-Werbung, Werbemaßnahmen am "Point of Sale", Sponsoring) rechtlich nicht zu beanstanden sind, aber als kritikwürdig empfunden werden.
Quelle und Kontaktadresse:
(BSI) Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e.V.
Dipl.-Volksw. Angelika Wiesgen-Pick, Geschäftsführerin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Urstadtstr. 2, 53129 Bonn
Telefon: (0228) 53994-0, Fax: (0228) 53994-20