In zehn Jahren ohne Kernenergie / Die Energiewende gestalten: wirtschaftlich vernünftig und sozial gerecht
(Hannover) - Die IG BCE unterstützt das Ziel, innerhalb von zehn Jahren aus der Kernenergie auszusteigen. "Das ist wünschenswert und notwendig, vor allem aber auch machbar", erklärte der Vorsitzende der Gewerkschaft, Michael Vassiliadis, am Montag (30. Mai 2011) in Berlin. "Die Energiewende ist allerdings ein Prozess, der wirtschaftlich vernünftig und sozial gerecht gestaltet werden muss, sonst wird sie scheitern."
Auf der Basis einer hoch entwickelten und leistungsstarken Industrie ist Deutschland nach Einschätzung der IG BCE in der Lage, eine moderne Energieversorgung ohne Kernkraft aufzubauen und zugleich den CO2-Ausstoß zu verringern. Dieses "weltweit beispiellose Projekt" benötige allerdings eine sorgfältige Steuerung und ständige Überprüfung. Denn der Aufbau einer neuen Infrastruktur für Energie sei weit schwieriger als das einfache Abschalten der Kernkraftwerke.
"Wir wollen eine Energiewende, die wirtschaftlich, sozial und ökologisch vertretbar ist", sagte Vassiliadis weiter. Dazu gehöre eine ständige Beteiligung aller wesentlichen Akteure in Wirtschaft und Politik, um etwaigen Fehlentwicklungen rasch und entschlossen entgegen zu wirken. "Wer Akzeptanz in der Energiepolitik sucht, der muss Alleingänge ausschließen. Einseitige Entscheidungen wie 2010 mit der Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken dürfen sich in Zukunft nicht wiederholen."
Investition und Innovation sind nach den Worten von Vassiliadis die entscheidenden Voraussetzungen für eine moderne, sichere Energieversorgung, die sich zukünftig wesentlich aus regenerativen Quellen speisen werde. "Wir sind diejenigen, die aus diesem Ziel eine neue energiepolitische Realität machen." Das Know-how der Beschäftigten in der Industrie sei "unverzichtbar für die notwendige Effizienz-Offensive in der Energieerzeugung und -nutzung".
Eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen
Die Energiewende dürfe daher die Industrie und insbesondere die energieintensiven Betriebe nicht überfordern. "Wir brauchen weiterhin eine sichere Rund-um-die-Uhr-Versorgung unserer Industrie mit Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen." Mit Blick auf die Kosten der Energiewende fordert die IG BCE unter anderem, "die energieintensive Industrie von allen zusätzlichen Belastungen aus dem Emissionshandel ab 2013 frei zu stellen", so Vassiliadis.
Der IG-BCE-Vorsitzende betonte zugleich, dass die Ethikkommission Sichere Energieversorgung sich für Grundlaststrom auf fossiler Basis - zumindest für eine Übergangszeit - ausgesprochen habe. Das sei eine Bedingung für eine erfolgreiche Energiewende. Den Widerstand gegen in Planung und im Bau befindliche moderne Kraftwerke mit hohem Wirkungsgrad nannte Vassiliadis "kontraproduktiv": "Das gefährdet sowohl die Ziele des Klimaschutzes wie den Kernkraftausstieg in zehn Jahren." Der Ausstieg aus der Kernenergie müsse mit zukünftig mehr Investitionssicherheit im Kraftwerksbau verknüpft sein.
Öffentliches Förderprogramm zur Gebäudesanierung
Um bei einem Ersatz von Kernkraft durch fossile Brennstoffe gleichwohl die Klimaziele zu erreichen, forderte Vassiliadis größere Anstrengungen bei der Gebäudesanierung: "Den Energiebedarf im Wohnungssektor zu senken, das ist der effektivste Beitrag zum Klimaschutz." Die Kosten dürften allerdings nicht allein den Mietern auferlegt werden. Deshalb schlägt die IG BCE ein öffentliches Förderprogramm zur Gebäudesanierung von jährlich fünf Milliarden Euro vor.
Eine gerechte Finanzierung der Energiewende
Vassiliadis würdigte zugleich, dass der Bericht der Kommission angemessen die soziale Dimension der Energiewende berücksichtige. Um ungerechte Belastungen gerade der unteren und mittleren Einkommen durch steigende Energiekosten zu vermeiden, halte die IG BCE unverändert eine Finanzierung der Energiewende auf einer breiten Basis durch Abgaben oder Steuern für erforderlich. Genauso wenig dürfe die Energiewende zu Lasten der Beschäftigten in der regenerativen Energiewirtschaft gehen. "Ob Solarindustrie oder Windkraft, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben überall Anspruch auf eine ordentliche Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen mit Betriebsrat und Tarifvertrag."
Die Chance auf einen neuen gesellschaftlichen Energiekonsens
Insgesamt eröffne der Bericht der Kommission, an dem auch die IG BCE und ihr Vorsitzender mitgewirkt haben, die Chance, in der Energiepolitik einen neuen politischen und gesellschaftlichen Konsens zu begründen. "Die IG BCE ist bereit, daran weiter mitzuwirken", so Vassiliadis. "Wer sich jetzt noch der Gesamtverantwortung verweigert und in der Energiepolitik weiter alte Blockadestrategien fährt, der versündigt sich an der Zukunft unseres Landes."
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