IMK Inflationsmonitor: Leichter Anstieg der Teuerungsraten im Juli, Kernrate sinkt
(Düsseldorf) - Die Inflationsrate in Deutschland ist im Juli gegenüber Juni leicht von 2,2 auf 2,3 Prozent gestiegen. Hauptgründe dafür waren ein etwas stärkerer Anstieg der weitgefassten Nahrungsmittelpreise (um 2,2 Prozent) und dass die Entwicklung der Energiepreise zwar weiterhin den generellen Preisauftrieb dämpfte, aber weniger stark als im Juni. Dementsprechend sind auch die Inflationsraten einiger Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, leicht gestiegen. Der Unterschied zwischen der höchsten und der niedrigsten haushaltsspezifischen Inflationsrate war relativ gering und betrug 0,6 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Im Juli 2023 waren es 1,0 Prozentpunkte und auf dem Höhepunkt der Inflationswelle im Herbst 2022 sogar 3,1 Prozentpunkte. Während einkommensschwache Haushalte im Mittel des Jahres 2022 und auch 2023 eine deutlich höhere Teuerung schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate trotz eines leichten Anstiegs im Juli 2024 wie in den Vormonaten unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Alleinlebenden mit niedrigen Einkommen verteuerte sich um 1,7 Prozent, der von Familien mit niedrigen Einkommen um 1,8 Prozent. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt.*
Insgesamt lag die Inflationsrate von sieben der untersuchten neun Haushaltstypen im Mai bei oder leicht unter zwei Prozent, die der übrigen bei 2,2 und 2,3 Prozent. Trotz des leichten Wiederanstiegs der Teuerungsrate sei im Jahresverlauf eine weitere Abschwächung bei der Preisdynamik absehbar, analysieren die Forschenden. Da gleichzeitig die Konjunkturentwicklung auch aufgrund der hohen Zinsen schwach ist und Risiken für die Stabilität der Finanzmärkte bestehen, halten die Fachleute des IMK weitere Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) für dringend nötig und einen Senkungsschritt beim nächsten EZB-Zinsentscheid im September auch für wahrscheinlich.
Dr. Silke Tober, IMK-Inflationsexpertin, und der wissenschaftliche Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien berechnen seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden (mehr zu den Typen und zur Methode unten und in der Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Seit kurzem liefert der Monitor ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich längerfristige Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen (Link zur Datenbank unten).
Die längerfristige Betrachtung illustriert, dass ärmere Haushalte während der Teuerungswelle bis in den Sommer 2023 hinein besonders stark durch die Inflation belastet waren, weil sie einen großen Teil ihres schmalen Budgets für Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Haushaltsenergie ausgeben müssen. Diese waren lange die stärksten Preistreiber. Im Laufe der letzten Monate hat die Preisdynamik dort aber nachgelassen, so dass sich die einkommensspezifischen Differenzen seit dem Höhepunkt im Oktober 2022 deutlich verändert haben. Damals hatten Familien mit niedrigen Einkommen die höchste Inflationsbelastung im Haushaltsvergleich mit 11,0 Prozent. Dagegen waren es beim Haushaltstyp der Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen 7,9 Prozent. Vor einem Jahr, im Juli 2023, waren es Alleinlebende mit niedrigen Einkommen, die mit der höchsten Teuerungsrate konfrontiert waren - 6,5 Prozent. Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen lagen auch in jenem Monat mit 5,5 Prozent deutlich niedriger und unter der hohen allgemeinen Inflationsrate von damals 6,2 Prozent.
Aktuell verteuern sich die spezifischen Warenkörbe von ärmeren Haushalten weniger stark als der Durchschnitt, weil die im Jahresvergleich geringeren Preise für Haushaltsenergie bei ihnen ein relativ großes Gewicht haben. Allerdings stiegen bei ihnen wegen der leicht anziehenden Teuerung bei Lebensmitteln die haushaltsspezifischen Inflationsraten von Juni auf Juli um 0,1 (Alleinlebende) bzw. 0,2 Prozentpunkte (Familien), während sie für die meisten anderen Haushalte stabil blieben. Dass wiederum Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 2,3 Prozent aktuell eine leicht höhere Inflationsrate haben als die übrigen Haushalte im Vergleich, liegt daran, dass diese Haushalte stärker als andere etwa Kfz-Versicherungen, Restaurantdienstleistungen, Gesundheitsdienstleistungen oder Dienstleistungen zur Wohnungsinstandhaltung nachfragen, deren Preise aktuell deutlich anziehen. Das gilt tendenziell auch für Paare mit Kindern und hohen Einkommen, deren Warenkorb sich im Juli um 2,2 Prozent verteuerte. Die Inflationsraten von Paaren ohne Kinder und von Paaren mit Kindern und jeweils mittleren Einkommen betrugen je 2,0 Prozent, ebenso hoch fiel die Teuerung für Alleinlebende mit höheren Einkommen aus. Bei Alleinlebenden und bei Alleinerziehenden mit jeweils mittleren Einkommen legten die Preise im Jahresvergleich um je 1,9 Prozent zu (siehe auch die Abbildung in der pdf-Version).
"Trotz des leichten Preishüpfers im Juli liegt die Inflationsrate für fast alle Haushaltstypen nahe an der EZB-Zielinflation. Das ist ein wichtiges Signal für die Geldpolitik. Allerdings darf dabei nicht ausgeblendet werden, dass das Preisniveau deutlich höher ist als vor der Inflationswelle. Die Kaufkraft eines Teils der Haushalte hat sich von dem Teuerungsschub noch nicht vollständig erholt. Das gilt insbesondere für Familien der Mittelschicht, wie wir kürzlich in einer Studie gezeigt haben", sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien.
- Kerninflation weist nach unten, trotz staatlicher Maßnahmen, die die Preise antreiben -
Dullien und Tober rechnen im weiteren Jahresverlauf mit nachlassendem Teuerungsdruck, auch bei den Dienstleistungspreisen, die zuletzt kräftig angezogen haben und deshalb zu Recht unter besonderer Beobachtung stünden. Nach saisonbereinigten Daten der Deutschen Bundesbank war der Anstieg der Dienstleistungspreise in Deutschland im Juli im 12-Monats-Vergleich bereits leicht rückläufig. In dem für die EZB besonders wichtigen harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) fiel der Anstieg der Dienstleistungspreise im Juli sogar um 0,3 Prozentpunkte niedriger aus als im Juni. Die leichte Entspannung wirkte sich auch auf die Kernrate aus, also die Inflationsrate ohne Berücksichtigung der schwankungsanfälligen Posten Energie und Nahrungsmittel. Sie sank nach dem VPI-Konzept im Juli um 0,2 Prozentpunkte. Dabei müsse zudem noch berücksichtigt werden, dass die Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz auf Speisen im Gastgewerbe vom Jahresanfang noch nachwirke und dieser Effekt die Kernrate erhöhe, erklären die Fachleute des IMK.
Dullien und Tober rechnen damit, dass die EZB den Leitzins im September erneut senken wird. "Angesichts der sich weitgehend in Einklang mit den Erwartungen entwickelnden Preise und Löhne im Euroraum" sei das die richtige Entscheidung, und sollte auch nicht das Ende des Zinssenkungskurses sein, mahnen die Forschenden, denn: "Aktuell dämpft das deutlich restriktive Zinsniveau die Konjunktur und insbesondere die Investitionen. Die Europäische Zentralbank hat bislang die Zinsen nur sehr zögerlich gesenkt, obwohl die Inflation aus heutiger Sicht bereits im kommenden Jahr das Inflationsziel von zwei Prozent erreichen wird."
Gerade in Deutschland berge die anhaltende Wirtschaftsschwäche die Gefahr mittelfristig zu niedriger Lohnsteigerungen, eines Abbaus von Produktionskapazitäten und einer Verknappung von Fachkräften, weil etwa weniger ausgebildet werde oder Arbeitnehmende bei Stellenabbau in den frühzeitigen Ruhestand entlassen werden. Hingegen würde eine durch gesenkte Zinsen unterstützte wirtschaftliche Belebung Unternehmen schon kurzfristig doppelt entlasten: Einmal durch niedrigere Finanzierungskosten, zum zweiten, indem eine bessere Auslastung und mehr Investitionen die Produktivität steigern.
Quelle und Kontaktadresse:
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