Pressemitteilung | k.A.

„Im Mittelpunkt des Denkens und Handelns steht der Konsument“ / Experten aus Politik, Rundfunk und Industrie diskutieren auf Veranstaltungsreihe medienpolitik@IFA die Folgen von Digitalisierung und Konvergenz im Fernsehbereich

(Frankfurt am Main) - Das derzeit kontrovers diskutierte Thema Grundverschlüsselung stand im Fokus der zweiten Diskussionsrunde der Veranstaltungsreihe „medienpolitik@IFA“ auf der IFA 2006 in Berlin. „In Bezug auf die Digitalisierung gelten für uns zwei Grundorientierungen: Erstens müssen Meinungsvielfalt und Angebotspluralität für den Kunden gesichert werden, und zweitens müssen Monopolstrukturen verhindert werden.“ Das betonte Kurt Beck, Ministerpräsident und Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder und. Im Mittelpunkt der Diskussion stand auch die Konvergenz der digitalen Medientechnologien und ihrer Übertragungswege. „Die digitalen Übertragungswege stehen jetzt – Stichwort Triple Play – fast auf gleicher Augenhöhe“, sagte Dr. Rainer Hecker, Vorsitzender der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (gfu). Durch die Digitalisierung könne jeder Anbieter alles bieten, über die Konsequenzen müsse jetzt diskutiert und Handlungsempfehlungen für die Marktbeteiligten gegeben werden, so Hecker weiter.

„Verschlüsselung ist für die privaten Rundfunkanbieter ein uraltes Thema“, sagte Jürgen Doetz, Vorsitzender des Verbandes privater Rundfunkanbieter (VPRT). Für eine größere Angebotsvielfalt benötige man künftig auch neues Geld. „Der private Rundfunk befindet sich zwischen zwei Fronten: auf der einen Seite haben wir einen starken gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auf der anderen Seite stehen neuen Player im Anbietermarkt. Die Frage der Refinanzierbarkeit des privaten Angebots ist deshalb eine durchaus legitime Frage. Die Privaten halten eine grundsätzliche Verschlüsselung für notwendig. Zu welchem Zeitpunkt, darüber muss noch diskutiert werden.“

Eine andere Ansicht vertrat der Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Dr. Andreas Bereczky, Produktionsdirektor des ZDF. Das ZDF würde auch in Zukunft auf allen Verbreitungswegen vertreten sein wollen und seine Programme möglichst bald ausschließlich digital ausstrahlen. Die Diskussion um eine mögliche Verschlüsselung behindere jedoch die Digitalisierung, so Dr. Bereczky. „Die Verschlüsselungsthematik führt zu einer Verunsicherung des Marktes, wenn der Konsument nicht weiß, ob seine Investitionen in neue Empfangsgeräte übermorgen noch Bestand haben werden.“

„Wir akzeptieren die Meinung von ARD und ZDF. Aber wir stehen im Wettbewerb vor allem zu Kabelnetzbetreibern und IPTV-Anbietern“, sagte Ferdinand Kayser, CEO von SES Astra. Astra hatte bereits am 1. Messetag (1.09.06) den Start der Satellitenplattform entavio angekündigt, die ihre Programme verschlüsselt ausstrahlen wird. „Wir müssen in der Lage sein, unseren Kunden neue Angebote und neue Mehrwertdienste anzubieten, die individuell abgerufen werden können.“ Die Digitalisierung stagniere dadurch keineswegs, wie der Absatz von digitalen Receivern in diesem Jahr bestätige.

Die privaten Kabelnetzbetreiber hätten dagegen keine besonderen Intentionen Richtung Grundverschlüsselung, betonte Richard Pohl, Geschäftsführer des Kabelnetzbetreibers EWT. „Wir verschließen uns einer möglichen Verschlüsselung nicht, sind aber mit Sicherheit kein Treiber dieses Themas.“

„Die Diskussion stellt eine Herausforderung an die Medienpolitik dar: werden künftig immer mehr Übertragungswege aus der Rundfunkgebühr finanziert oder nicht?“ Diese Frage stellte Dr. Hans Hege, Direktor der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). „Hier muss Deutschland Regelungen aufstellen, bevor Europa es tut. Wir brauchen ein Gesamtnutzungskonzept und einen vernünftigen Interessenausgleich.“

Diese Meinung vertrat auch Hans-Joachim Kamp, Vorsitzender des Fachverbandes Consumer Electronics im ZVEI. Im Mittelpunkt des Denkens und Handelns müsse verstärkt der Mensch stehen, nicht eine egozentrische Diskussion über einzelne Marktinteressen. „Wir haben die Verpflichtung, ein Konzept zu entwickeln. Hier ist auch eine stärkere Führungsrolle der Politik gefragt. Unsere Märkte boomen, doch der Konsument ist nicht bereit, heute Geld für etwas auszugeben, das morgen schon zum Schrott gerechnet wird.“

Die Politik müsse zwar führen, dürfe aber den Markt nicht durch Überregulierung behindern, so Kurt Beck. Er wünsche sich deshalb einen Konsens aller Beteiligten. Eine Mehrbelastung der Menschen durch eine Grundverschlüsselung sehe er allerdings bisher nicht gerechtfertigt. „Dort, wo gegenüber Free-TV ein Mehrwert entsteht, kann man über zusätzliche Kosten reden. Warum wir aber einen Schritt zurück machen und bisher frei empfangbare Angebote verschlüsseln sollen, entzieht sich meiner Einsicht. Ich glaube, dass es eine tiefgreifende Veränderung des dualen Rundfunksystems bedeutet, wenn wir ‚Pay-TV-light’ haben. Im realen Leben sind wir bestrebt, Grenzen abzubauen; durch eine Verschlüsselung würden neue Grenzen aufgebaut.

Das zweite Panel des Fachforums medienpolitik@IFA wurde von Prof. Ulrich Reimers, Leiter des Instituts für Nachrichtentechnik an der TU Braunschweig moderiert und fand vor einer Vielzahl interessierter Fach- und Privatbesuchern statt.

Quelle und Kontaktadresse:
gfu / Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik e.V. Roland M. Stehle, Pressesprecher Stresemann Allee 19, 60596 Frankfurt am Main Telefon: (069) 6302289, Telefax: (069) 6314036

NEWS TEILEN: