Pressemitteilung | Deutscher Journalisten-Verband e.V. (DJV) - Bundesgeschäftsstelle

IJF-Vizepräsident Gustl Glattfelder: „Die Pressefreiheit hat zu wenig Fürsprecher“

(Bonn) - Gustl Glattfelder ist Vizepräsident der Internationalen Journalisten- Föderation (IJF) und Vorsitzender der Europäischen Journalisten- Föderation (EJF). Darüber hinaus ist der langjährige Journalist Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Journalisten- Verbandes (DJV). Der DJV ist Vollmitglied in der IJF und EJF. Anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit wurde folgendes Interview geführt:

Herr Glattfelder, der Internationale Tag der Pressefreiheit wurde vor elf Jahren von der UNESCO proklamiert. Hat sich die Situation der Medien weltweit seitdem tendenziell verschlechtert oder verbessert?

Nach den Beobachtungen der IJF und ihrer Mitgliedsorganisationen in aller Welt ist die Bilanz dieser elf Jahre eher negativ. Es gab nach der Wende in Europa positive Ansätze, von denen wir globale Impulse erwartet haben. Aber die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Parteien und Regierungen haben auch hier die Medien, vor allem im Rundfunkbereich, fest im Griff, und wo sie diesen Griff gelockert haben, sind internationale Konzerne in ihre Fußstapfen getreten. Liberalisierung ist ihre Devise, mit der sie durch intensives Lobbying versuchen, über Jahrzehnte erworbene Rechte der Journalisten abzubauen.

Haben Sie dafür Beispiele?

Aktuellstes Beispiel hier in Deutschland ist der Kampf der Medienbesitzer gegen ein besseres Urheberrecht. Jenseits der deutschen Grenze - in Zentral- und Osteuropa - führen sich deutsche Konzerne auf wie ‚Eroberer’, die den ‚eingeborenen Journalisten’ die meisten Rechte verweigern, die in Deutschland gelten. Eine explosive Mischung haben wir in Italien, wo sich Ministerpräsident Berlusconi nicht von seiner privaten Medienmacht trennt und zugleich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf seinen Kurs zwingt. Da ist nix mit Meinungsvielfalt als Grundlage der Demokratie.

In immer mehr Staaten, beispielsweise China, wird die freie Nutzung des Internets durch Gesetze eingeschränkt. Hier haben wir es offensichtlich mit einer neuen Form der Unterdrückung zu tun. Wie kann man ihr begegnen?

Es ist eigentlich keine neue Form der Unterdrückung, sondern deren Anpassung an die technische Entwicklung. Ihr zu begegnen ist schwer, weil die Pressefreiheit und die Journalisten zu wenig Fürsprecher haben. Politiker werden in Peking in erster Linie die Interessen der Wirtschaft ihrer Länder vertreten. Eine positive wirtschaftliche Entwicklung wird aber dazu beitragen, dass der Bambusvorhang wie einst der eiserne Vorhang Löcher bekommt. Wir von der internationalen Journalistengemeinschaft wollen durch die Sammlung und Verbreitung von Informationen dazu beitragen, dass diese Löcher größer werden.

In Deutschland wird zurzeit besonders die Medienlage in Russland beobachtet. Zeitungen schließen, Sender werden eingestellt bzw. auf Linientreue eingeschworen. Ist die russische Föderation auf dem Weg ins Medienmonopol der Sowjetunion?

Mit leicht veränderten Vorzeichen könnte man das so bezeichnen. Was da passiert, kam eigentlich nicht überraschend, denn Präsident Putin hat seinerzeit in seiner ersten Rede zur Nation klar gesagt, was er will: Eine gelenkte Demokratie. Wir im Westen haben da nur nicht genau hingehört oder nicht Phantasie genug gehabt, uns vorzustellen, was damit gemeint war. Jetzt wissen wir es.

Wir dürfen aber nicht nur nach Moskau und auf die nationalen russischen Medien schauen. Die Medienkontrolle und –unterdrückung ist in den Provinzen durch die Gouverneure und Oligarchen, oft in Personalunion beziehungsweise im Familienverbund, noch viel direkter, radikaler. Und wenn Sie Sowjetunion gesagt haben, dann müssen wir auch die schlimmen Entwicklungen zum Beispiel in der Ukraine oder in Weißrussland mit einbeziehen.

Am Internationalen Tag der Pressefreiheit wird alljährlich die Zahl der Journalisten veröffentlicht, die in Ausübung ihres Berufs ums Leben kamen.Sind solche Zahlen aussagekräftig?

Nur bedingt. 103 getötete Journalisten im vergangenen Jahr sind die Spitze des Eisbergs. Darunter türmen sich die Schicksale jener Kolleginnen und Kollegen, die wegen ihrer Arbeit in Gefängnissen sitzen, ins Exil fliehen mussten, überfallen und verletzt wurden oder durch amtliche Sanktionen ihren Beruf nicht mehr ausüben dürfen.

Wen sehen Sie in der Pflicht, um bestehende Missstände zu ändern? Können einzelne Regierungen Druck ausüben, oder sind die Staatengemeinschaften gefordert?

Eigentlich ist jeder einzelne gefordert, dem es mit Meinungsfreiheit und Demokratie ernst ist. Das Verhalten der Regierungen orientiert sich, wie schon gesagt, meist an anderen Zwängen. Die Staatengemeinschaften sind unsere Hoffnung. Sie haben die rechtlichen Grundlagen: die UNO-Mitgliedsstaaten haben alle die UN-Menschenrechtskonvention anerkannt, in der Artikel 19 die Meinungs- und Informationsfreiheit garantiert. Für Europa steht zusätzlich die Europäische Charta der Menschenrechte mit der Garantie der Meinungsfreiheit in ihrem Artikel zehn. Der Europarat tut viel, seine Empfehlungen sind hilfreiche Leitlinien, aber leider nicht rechtsverbindlich. Wichtig für uns in Europa ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Seine Urteile haben Rechtscharakter, aber man muss sie erst erstreiten.

Welche Rolle spielt die Internationale Journalisten-Föderation in diesem Zusammenhang?

Wir versuchen, den Kolleginnen und Kollegen durch unser permanentes Monitoring und durch unsere öffentlichen Stellungnahmen, durch unsere Proteste bei den Politikern ihrer Länder Mut zu machen. Diesen Mut brauchen sie. Sie brauchen aber auch in ihrem Land Organisationen, die sie unterstützen – juristisch und notfalls auch finanziell. Deshalb hat die IJF schon vor Jahren ihr Programm „Media for Democracy“ ins Leben gerufen, das den Aufbau gewerkschaftlicher und professioneller Organisationen für Journalistinnen und Journalisten zum Ziel hat. Schwerpunkt sind derzeit die Länder Zentral- und Osteuropas.

Mit welchen Status kann die IJF international das Anliegen der Pressefreiheit vertreten?

Wir sind als beratende Organisation der ersten Kategorie von der UNESCO anerkannt. Mit unserer Regionalorganisation, der Europäischen Journalisten- Föderation, sind wir bei den EU-Institutionen akkreditiert, und im Europarat haben wir Beraterstatus im Lenkungsausschuss für Massenmedien, der alle medienrelevanten Entscheidungen des Europarats vorbereitet.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Journalisten-Verband e.V. (djv) Bennauerstr. 60 53115 Bonn Telefon: 0228/201720 Telefax: 0228/2017233

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