Pressemitteilung | IG BCE - Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie - Bundesgeschäftsstelle

IGBCE legt innovatives Finanzierungsmodell zur Bewältigung der Struktur- und Industriekrise vor

(Hannover) - Die IGBCE hat ein innovatives Finanzierungspaket zur Bewältigung der tiefgreifenden Konjunktur- und Strukturkrise in Deutschland vorgelegt. Im Zentrum steht ein Fonds, dessen Startkapital aus einer einmaligen Vermögensabgabe des reichsten Promilles der Bevölkerung gebildet wird. Dieser Fonds dient ausschließlich dazu, in die Modernisierung und den Ausbau der Infrastruktur zu investieren und Transformationsprojekte der Industrie zu fördern.

„Es wird Zeit, dass die besonders Vermögenden mehr Verantwortung und Leadership übernehmen für den wirtschaftlichen Turnaround des Landes“, sagte der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis bei der Jahrespressekonferenz in Berlin. „Sie selbst würden schließlich am meisten davon profitieren, dass Standort und Industrie wieder ins Laufen kommen.“

Nach Berechnungen der IGBCE würde eine einmalige Vermögensabgabe des reichsten Tausendstel der Bevölkerung in Höhe von fünf Prozent bereits ausreichen, um ein Drittel der bis 2030 für Modernisierung und Transformation notwenigen staatlichen Investitionen in Höhe von insgesamt rund 500 Milliarden Euro zu finanzieren. Der Turnaround-Fonds sollte sich gleichzeitig öffnen für Zuzahlungen auf freiwilliger Basis und könnte etwa Anleihen ausgeben. „Mit diesem Modell ließe sich ein Impuls setzen, die Strukturkrise solidarisch zu bewältigen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Es ist auch ein Beitrag in die ,Infrastruktur' unserer Demokratie“, sagte der IGBCE-Vorsitzende.
Gleichzeitig brauche es darüber hinaus eine Reform der Schuldenbremse, um alle Zukunftsinvestitionen zu stemmen. „Viele Konzerne beneiden den deutschen Staat um unsere Schuldenquote und das Rating“, so Vassiliadis. „Warum setzen wir es nicht zur Zukunftssicherung ein?“

Vassiliadis machte deutlich, dass die Lage in der Industrie hochkritisch sei. Allein in den – in der Regel energieintensiven – Branchen der IGBCE sind derzeit mehr als 200 Restrukturierungs- oder Schließungsvorhaben geplant, die am Ende mehr als 25.000 Arbeitsplätze kosten könnten. Zu lange habe auch die Industrie von der Substanz gelebt – nun stünden viele Standorte am Scheideweg: modernisieren oder abwandern. Auch deshalb brauche es nun eine mutige Transformationsoffensive des Staates – in die Energie-Infrastruktur der Zukunft und bei der Förderung derjenigen Industrie-Investitionen, die sich heute betriebswirtschaftlich noch nicht rechnen.

Die Beschäftigten sehen dabei die Politik in der Pflicht zu handeln. So ergab eine IGBCE-Umfrage zur Bundestagswahl unter 5300 Mitgliedern, dass 55 Prozent einen „sehr großen“ Teil der Verantwortung für die Krise bei der Politik sehen, lediglich 27 Prozent sehen die Hauptverantwortung bei den Arbeitgebern. Um den Standort wieder auf Vordermann zu bringen, fordern die Befragten von der neuen Bundesregierung vor allem niedrigere Energiepreise (69 Prozent), Bürokratieabbau (60 Prozent) und mehr Anreize für Produktion im Inland (44 Prozent). 60 Prozent fordern eine Reform der Schuldenbremse, 16 Prozent sogar deren Abschaffung. „Die Politik mehrerer Jahrzehnte hat viel zu lange nur Ansprüche formuliert, aber selbst nicht geliefert“, so Vassiliadis. „Die nächste Bundesregierung muss das Ruder herumreißen.“

Bei den Mitgliederzahlen verzeichnete die IGBCE im zurückliegenden Jahr einen Zugangsrekord. Mit 35.300 entschieden 2024 sich noch einmal 11 Prozent mehr Menschen neu für eine Mitgliedschaft in Deutschlands zweitgrößter Industriegewerkschaft als im Jahr zuvor. Das sorgte dafür, dass die IGBCE auch unter den Betriebstätigen zulegen konnte, trotz Jahr für Jahr wachsender Abgänge der sich in die Rente verabschiedenden Babyboomer-Jahrgänge.
Ein Grund für die Rekordzahl an Eintritten sei sicherlich der Chemie-Tarifabschluss im Sommer 2024, so Vassiliadis. Dort war es gelungen, erstmals in einem großen Flächentarifvertrag einen Bonus für Gewerkschaftsmitglieder durchzusetzen – einen zusätzlichen freien Tag pro Jahr. Derartige Regelungen hat die IGBCE bereits in gut 180 Tarifverträgen vereinbart, fast jedes zweite Mitglied profitiert inzwischen davon.

„Mit einem tariflichen Mitgliederbonus honorieren die Arbeitgeber gewerkschaftliches Engagement“, so der IGBCE-Vorsitzende. „Das ist lange überfällig, schließlich machen unsere Mitglieder Sozialpartnerschaft und Tarifautonomie erst möglich.“ Die nächste Bundesregierung müsse diesen Trend mit klareren gesetzlichen Grundlagen weiter stärken.

Die demographische Entwicklung ist der Hauptgrund dafür, dass die Mitgliederzahl trotz des Zugangsrekords unterm Strich um 1,2 Prozent auf 566.600 zurückging. Ohne Rentenaustritte und Verstorbene hätte sie 0,8 Prozent im Plus gelegen.

Quelle und Kontaktadresse:
IG BCE - Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie - Bundesgeschäftsstelle, Lars Ruzic, Pressesprecher(in), Königsworther Platz 6, 30167 Hannover, Telefon: 0511 7631-0

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