IG-BCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis: Energiewende mit offenen Fragen
(Hannover) - "Das Ziel ist gesetzt, der Weg dahin aber über weite Strecken unklar." Mit diesen Worten kommentiert der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis, die am Donnerstag vom Bundestag beschlossene Energiewende. Der Aufbau einer neuen Energieversorgung ohne Kernkraft dürfe nicht einseitig auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfolgen. "Die Energiewende wird nur erfolgreich sein, wenn sie auch die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit beachtet", so Vassiliadis. "Sonst werden jetzt notwendige Investitionen in der Bevölkerung keine Akzeptanz finden - trotz der grundsätzlichen Zustimmung zu einem Ausstieg aus der Kernenergie." Im weiteren Umbauprozess seien in der Energiepolitik Fragen sozialer Ausgewogenheit wenigstens gleichrangig mit Fragen der Klimaverträglichkeit zu behandeln.
Darüber hinaus erklärte Michael Vassiliadis:
"Die Beschlüsse zum Ausstieg aus der Kernenergie und zur verstärkten Nutzung regenerativer Energien sind von historischer Tragweite. Sie können die Grundlage schaffen für eine neuen politischen und gesellschaftlichen Konsens in der Energiepolitik. Das setzt allerdings voraus, dass alle Parteien bereit sind, auch den Weg zu einer sicheren, bezahlbaren und möglichst umweltfreundlichen Energieversorgung ohne Kernkraft verantwortungsvoll mit zu gestalten.
Schon zum Start der Ethik-Kommission hatte die IG BCE wiederholt und bekräftigt, dass sie diesen zukunftsweisenden, wenn auch nicht einfachen Weg, konstruktiv begleiten wird. Wir wollen eine Energiewende, die unser Land wirtschaftlich, sozial und beim Klimaschutz weiter nach vorne bringt. Wir wollen zu einer neuen, modernen Energieversorgung kommen, die sich wesentlich aus regenerativen Quellen speist.
Der jetzige Konsens über Ziele und Grundsätze der Energiepolitik darf schon aus Gründen der Planungssicherheit nicht wieder infrage gestellt werden. Um dieses Jahrhundertprojekt zum Erfolg zu führen, müssen allerdings auch nach den Beschlüssen des Bundestages wesentliche Punkte geklärt, bzw. präzisiert werden:
Monitoring
Die Ethik-Kommission hat aus guten Gründen eine kontinuierliche Begleitung und Überprüfung der einzelnen Schritte auf dem Weg zur Energiewende gefordert. Den Vorschlag eines unabhängigen Beauftragten als institutionellen Garanten größtmöglicher Transparenz hat der Gesetzgeber allerdings nicht aufgegriffen. Damit ist eine Chance verspielt, Vertrauen zu schaffen und gegebenenfalls steuernd einzugreifen. Eine Selbstkontrolle der Bundesregierung oder eines Bundesministeriums reicht nicht aus.
Sozialer Ausgleich
Bislang ist keine Vorsorge getroffen, dass es im Zuge der Energiewende nicht zu neuen Ungerechtigkeiten in der Kostenverteilung kommt. Die Förderung erneuerbarer Energien über die EEG-Umlage und damit über den Strompreis nimmt auf die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse keine Rücksicht. Auch die notwendige und von der IG BCE geforderte energetische Sanierung von Wohnung darf nicht dazu führen, dass sozial schwächere Familien finanziell überfordert werden. Auf beide Probleme gibt die Bundesregierung bislang keine befriedigende Antwort.
Die Kosten der Energiewende werden sich nicht nur in der Höhe des Strompreises niederschlagen, sondern haben Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens. Daher müssen die Lasten sozial gerecht, also in Relation zu den individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, verteilt werden.
Industriestrom
In den jetzt vom Bundestag beschlossenen Gesetzen fehlt eine tragfähige Neuregelung eines Marktsegments für Industriestrom. Strom muss künftig als Rohstoff betrachtet und behandelt werden. Denn die bisherige Strategie, durch Preissteigerung Einsparungen zu erzwingen, stößt an physikalische und wirtschaftliche Grenzen. Eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen ist im Übrigen auch eine Bedingung für den Erfolg der Energiewende. Denn nur mit den Produkten, Investitionen und Innovationen der Industrie ist die erforderliche Effizienzsteigerung der erneuerbaren Energien zu erreichen.
Quelle und Kontaktadresse:
IG BCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Bundesvorstand
Pressestelle
Königsworther Platz 6, 30167 Hannover
Telefon: (0511) 7631-0, Telefax: (0511) 7631-713