Humanistische Union fordert wirksamen Schutz von Whistleblowern und Streichung des Landesverrats-Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch
(Berlin) - Nach Auffassung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) stellt es eine Missachtung des Parlaments dar, wenn der Verfassungsschutz trotz der eingestellten Ermittlungen gegen Netzpolitik.org weiterhin gegen gewählte Parlamentarier vorgeht, deren Aufgabe es ist, die Geheimdienste zu kontrollieren. "Wenn die zu kontrollierende Behörde die strafrechtliche Verfolgung ihrer parlamentarischen Kontrolleure veranlassen kann, behindert dies die Kontrollfunktion des Parlaments", so der Vorsitzende der HU, Werner Koep-Kerstin.
Nach Ansicht der HU bedarf es klarer gesetzlicher Regeln, um Journalisten, Whistleblower in Behörden einschließlich Geheimdiensten und Abgeordnete vor willkürlicher Strafverfolgung effizient zu schützen. Die parlamentarische Immunität allein reicht dafür nicht aus. "Whistleblower leisten der Öffentlichkeit einen großen Dienst. Nur durch sie ist es häufig möglich, illegales Verhalten und skandalöse Vorgänge in Behörden oder Unternehmen aufzuklären und für eine wirksame Durchsetzung des Rechts zu sorgen", so Koep-Kerstin. Die Humanistische Union fordert deshalb einen wirksamen gesetzlichen Schutz von Whistleblowern, anstatt diese zu kriminalisieren.
Die Bürgerrechtsorganisation plädiert außerdem dafür, den Straftatbestand des Landesverrats aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Die Strafvorschrift sei rechtlich zu unbestimmt und biete sich für eine repressive Auslegung geradezu an. Bereits 1963 hatte Generalbundesanwalt a.D. Max Güde im Zusammenhang mit der Spiegel-Affäre festgestellt: "Tatsächlich stehen die Landesverrats-Paragraphen ... in einem fast unauflöslichen Widerspruch zu Geist und Buchstaben des Grundgesetzes der Bundesrepublik" (Der Spiegel 1/1963). So zeigt auch die jüngste Auseinandersetzung zwischen Generalbundesanwalt und Bundesjustizministerium, dass sich kaum eindeutig und schon gar nicht im Voraus feststellen lässt, ob es sich bei einer publizierten Tatsache um ein "Staatsgeheimnis" handelt. Ebenso schwer ist vorab die Frage zu beantworten, ob mit der Veröffentlichung "das Wohl der Bundesrepublik" gefährdet werde. Für Journalisten wie die Mitarbeiter von Netzpolitik.org ist deshalb die eventuelle Strafbarkeit einer Veröffentlichung geheimer Unterlagen kaum vorsehbar. Zum Schutz vertraulicher oder geheimer Informationen reichen nach Ansicht der HU die geltenden Strafnormen zur Offenbarung von Staatsgeheimnissen oder der landesverräterischen Agententätigkeit voll aus.
Die HU kritisiert den Umgang der Bundesregierung mit geheimen Informationen sowohl im Amtsbereich des Bundesamts für Verfassungsschutz als auch beim Bundesnachrichtendienst (BND). Mit dem kürzlich eingesetzten Sonderermittler zur Prüfung der NSA-Selektorenliste hebelt die Regierung erneut die Tätigkeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur NSA-Affäre aus. Ihre Entscheidung begründete die Regierung mit der offenbar unrichtigen Behauptung, wonach sich die amerikanische Seite gegen eine Veröffentlichung der sog. Selektorenliste gesperrt habe. Für die HU zeigt all das einmal mehr, dass Geheimdienste sich einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle entziehen und schon deswegen ein inakzeptabler Fremdkörper im demokratischen Staat sind.
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