Pressemitteilung | (vdw) Verband der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen e.V.

Hohe Baukosten schicken Neubau in den Tiefflug

(Hannover/Bremen) - "Anhaltende Krise mit Hoffnung auf Besserung!" So lautet die aktuelle Diagnose für die soziale Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen. Leiden und Hoffen prägen das Stimmungsbild der Branche. Das zurückliegende Geschäftsjahr 2023 hat die schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Die Neubauzahlen sind stark rückläufig, und auch bei den Investitionen in den Wohnungsbestand agieren die Mitgliedsunternehmen im Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw) sehr vorsichtig.

"Der 'Tanker Wohnungsbau' hat Richtung und Tempo verloren. Auch wenn es erste Anzeichen von Zuversicht gibt, wird es wohl Jahre dauern, bis wir wieder voll auf Kurs sind. Professor Walberg von der ARGE Kiel spricht von einem folgereichen Kipppunkt, denn die Erfahrung zeigt, dass der Abbau von Baukapazitäten sechsmal schneller erfolgt als deren Reaktivierung", meinte vdw-Verbandsdirektorin Dr. Susanne Schmitt am Donnerstag bei der Vorstellung der Jahreszahlen in Hannover.

Herausforderung 1: Neubau weiter rückläufig

Der Zusammenbruch der Neubauinvestitionen bei den vdw-Mitgliedern hat sich im vergangenen Geschäftsjahr nahtlos fortgesetzt. "Es ist ein Drama", sagte Dr. Schmitt. "Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist ungebrochen groß, und viele Wohnungsunternehmen möchten neue Wohnungen bauen, aber wir können aufgrund der hohen Baukosten nicht ausreichend liefern. Viele Projekte liegen weiterhin auf Eis. So werden die Fertigstellungszahlen auch in diesem und vermutlich sogar im nächsten Jahr zurückgehen." In Zahlen sieht das für den vdw-Bereich so aus: 2023 wurden 463 Millionen Euro im Neubau investiert; 115 Millionen Euro weniger als 2022 und 229 Millionen weniger als 2021.

Die Fertigstellungszahlen (Anzahl Wohneinheiten) der vdw-Mitglieder im Überblick:

Niedersachsen Bremen gesamt

2021: 1870 159 2029
2022 2061 416 2477
2023 1602 241 1843
2024 (geplant) 1029 321 1350


Herausforderung 2: Öffentliche Förderung spielt auch 2023 kaum eine Rolle

Die Zahl der mit öffentlicher Förderung errichteten Wohnungen im Verbandsgebiet ist insgesamt weiter rückläufig. Im Land Bremen wurden 2023 nur 261* geförderte Wohnungen fertiggestellt (-23,7 Prozent gegenüber 2022). In Niedersachsen waren es 2448** (- 9,9 Prozent). "Die Gründe dafür sind sicherlich vielschichtig, eine wichtige Rolle spielen die hohen Gestehungskosten", sagte Dr. Schmitt. Man dürfe nicht verkennen, dass die Landesregierungen in Hannover und Bremen mit ihren jeweiligen Förderbanken die Förderprogramme in den vergangenen Jahren deutlich verbessert haben. "Es bedarf allerdings weiterer Unterstützung. Wir sollten überlegen, künftige Fördermittel an die Einhaltung reduzierter Standards nach dem Gebäudetyp E zu knüpfen. Bei geringeren Baukosten könnten dann mehr Wohneinheiten mit dem verfügbaren Geld gebaut werden.” Zudem muss im mittleren Mietpreissegment - etwa zwischen acht und zehn Euro pro Quadratmeter - die Förderung nachjustiert werden. Dr. Schmitt erläuterte: "Ohne öffentliche Hilfe sind solche Wohnungen aktuell nicht kostendeckend zu finanzieren.”

*152 von vdw-Mitgliedsunternehmen
**616 von vdw-Mitgliedsunternehmen

Herausforderung 3: Sozial-ökologische Transformation im Wohnungsbestand stockt

Die Klimaschutzziele von Bund und Ländern setzen die sozial orientierte Wohnungswirt-schaft massiv unter Druck. Dr. Schmitt: "Wir verstehen nicht, warum auf Ebene der Bundesländer und zum Teil der Kommunen die europäischen Ziele übertroffen werden sollen.” Das Land Bremen will bis 2038 CO2-neutral sein, Niedersachsen bis 2040. Um diese Ziele zu erreichen, müssten Millionen von alten Gebäuden innerhalb von 15 Jahren klimaneutral umgebaut und bewirtschaftet werden. Dies ist eine Kraftanstrengung, für die es weder genügend Geld noch Handwerker, Material und eine ausreichende Infrastruktur für die Versorgung mit regenerativer Energie gibt.

"Das Problem ist: Politik setzt hehre Ziele, aber niemand sagt den Wohnungsunternehmen und den Mietern, wie das gehen soll. Planungssicherheit oder Vertrauen? Fehlanzeige. Und das ideologische Festhalten an zu hohen Energiestandards ist ohnehin ein Fehler”, klagte Verbandsdirektorin Dr. Susanne Schmitt. Aktuell sehe es so aus, dass entweder die Unternehmen auf hohen Investitionskosten sitzen bleiben oder am Ende die Mieter für alles aufkommen. "Das ist weder sozial noch ökonomisch sinnvoll." Viel zu viele Fragen sind noch offen: Vor allem ist derzeit nicht erkennbar, mit welcher Förderstrategie Bund und Länder erreichen wollen, dass der klimagerechte Umbau des Wohnungsbestandes am Ende nicht zu einer Explosion der Wohnkosten führt. Dr. Schmitt: "Die dramatische Folge ist: Alle warten ab! Unsere Mitglieder haben 2023 ihre Bestandsinvestitionen gegenüber 2022 von 789 auf 727 Millionen Euro gekürzt. Im laufenden Jahr wird mit einem weiteren Rückgang auf etwa 693 Millionen Euro gerechnet."

Herausforderung 4: Kleine Wohnungsunternehmen sind bei Wärmewende überfordert

Im vdw Niedersachsen Bremen gibt es 76 Mitgliedsunternehmen mit weniger als 500 Wohnungen und 29 Unternehmen mit 500 bis 1000 Wohnungen. Gerade in den kleinen Genossenschaften, die für die Versorgung mit bezahlbaren Wohnungen eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielen, gibt es oftmals ehrenamtliche Vorstände. In diesen Größenklassen gibt die Mehrzahl an, jetzt und in den nächsten Jahren noch keine Klimastrategie zu verfolgen. Auch einen Finanzierungsbedarf zum Erreichen politischer Klimaziele haben die allermeisten Unternehmen bislang nicht ermittelt.

"Unser Verband versucht mit niederschwelligen Beratungsangeboten gegenzusteuern", betonte die Verbandsdirektorin. Dr. Schmitt forderte gezielte Förderprogramme für kleine Wohnungsgenossenschaften: "Vor allem die Planung und Umsetzung gering-investiver Maßnahmen, die schnell hohe Einspareffekte erzielen, müssen finanziell unterstützt werden." In dem Zusammenhang muss die massive Ungleichbehandlung von Eigennutzern und institutionellen Vermietern aufgehoben werden. Während Selbstnutzer beim Heizungstausch die Möglichkeit haben, Grundförderung, Speedbonus und Einkommensbonus in Anspruch zu nehmen, gilt dies für Vermieter nicht. "Wir benötigen dringend ein sozialverträgliches Fördersystem und keine Klientelpolitik."

Herausforderung 5: Hohe Kosten gefährden Investitionsmöglichkeiten

Die Baupreise (Planungskosten, Materialien, Zinsen etc.) sind in Summe im Geschäftsjahr 2023 und in den ersten Monaten dieses Jahres weiter gestiegen und haben ihren Beitrag zur anhaltenden Inflation geleistet. Zum Verständnis: Mit den Investitionsmitteln des Jahres 2020 hätten Ende 2023 statt 100 nur 71 Wohneinheiten in angespannten Wohnungs-märkten errichtet werden können. Rund ein Viertel des Baukostenanstiegs ist durch normative und gesetzliche Qualitätsvorschriften entstanden. "Wir haben deshalb mit der Politik in Hannover und Bremen an jeder erdenklichen Schraube gedreht", berichtete die vdw-Chefin. Die Einführung des Gebäudetyps E ist eine richtungsweisende Entscheidung. Auch die Erleichterung bei Dachgeschossausbauten und der Verzicht auf eine Stellplatzpflicht sind konkrete Ergebnisse. Jetzt gilt es, die neuen Bauregeln so schnell wie möglich auf der Ebene der Länder umzusetzen.

Allerdings, schränkte Dr. Schmitt ein, werde sich der vdw damit nicht zufriedengeben: "Ich kann mich nur wiederholen: Die Grunderwerbsteuer sollte auf 3,5 Prozent und im sozialen Wohnungsbau noch weiter abgesenkt werden.” Außerdem erneuerte die Verbandsdirektorin die Warnung vor einer Grundsteuererhöhung "durch die Hintertür". Kommunen, die die Reform im kommenden Jahr für ein Anhebung der Hebesätze nutzen wollen, leisteten dem bezahlbaren Wohnen einen Bärendienst, so Dr. Susanne Schmitt. Hier werde der vdw genau hinschauen.

Herausforderung 6: Kann die Einnahmesituation verbessert werden?

Seit vielen Jahren liegen die Mieten bei den vdw-Mitgliedsunternehmen deutlich unter den ortsüblichen Vergleichsmieten und blieben auch 2023 auf einem preisgünstigen Niveau. Im Durchschnitt lag der Quadratmeterpreis in Niedersachsen und in Bremen bei 6,39 (2022: 6,21) Euro (nettokalt). In Niedersachsen stieg der Preis um 21 Cent im Vergleich zum Vorjahr, im Land Bremen um neun Cent. Die Steigerungsraten liegen deutlich unter der allgemeinen Inflation von 6,1 Prozent in Niedersachsen und 4,2 Prozent im Land Bremen. Dazu sagte Dr. Schmitt: "Die preisgünstigen Mieten sind ein verlässlicher Baustein des sozialen Wohnungsmarktes. Viele unserer Mieter verfügen nur über geringe Einkommen; es sind beispielsweise Rentner, Alleinerziehende, Berufsanfänger und Familien. Für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen werden wir auch künftig alles daransetzen, ein bezahlbares Mietniveau zu halten.

Dennoch muss über größere Mieterhöhungsspielräume nachgedacht werden. Dies gilt insbesondere für die notwendigen Klimainvestitionen, soweit diese zu geringeren Nebenkosten führen, aber auch dann, wenn die Einkommen ehemaliger Sozialmieter im Laufe des Erwerbslebens steigen und diese eine höhere Miete bezahlen können. Sonst werden die sozialen Wohnungsunternehmen die anstehenden Investitionen nicht mehr stemmen können. Höhere Mieten ermöglichen besseren Klimaschutz, mehr generationengerechte Wohnangebote und wohnbegleitende Dienstleistungen im Quartier. Die Politik in Bund, Ländern und Gemeinden ist gefordert, der sozial-orientierten Wohnungswirtschaft den Rücken zu stärken bei einer zukunftsgerechten, neuen Mietenstrategie, anstatt Mietsteigerungen im Bestand und nach energetischer Sanierung weiterhin stark zu begrenzen.

Quelle und Kontaktadresse:
(vdw) Verband der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen e.V. Carsten Ens, Referent Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Leibnizufer 19, 30169 Hannover Telefon: (0511) 126501, Fax: (0511) 1265111

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