Herbstbilanz 2020 der hessischen Metall- und Elektro-Industrie / Schlechte Wirtschaftslage durch Mix aus Strukturwandel und Corona-Krise / Auf weitere Rückschläge bis Frühjahr eingestellt / Erfreulicher Digitalisierungsschub
- Von Corona ins Minus gedrückt: Umsätze minus 12 Prozent
- Zukunftsindikator Aufträge seit über zwei Jahren im Minus
- Beschäftigung im sich beschleunigenden Abwärtstrend
- 85 Prozent der Unternehmen erwarten in den nächsten 6 Monaten keine Verbesserung der schlechten Lage, sinkende Investitionen und 4,7 Prozent weniger Arbeitsplätze
- Digitalisierungsschub und weitere Beschleunigung erfreulich
- Tarifrunde 2021: Kein Verteilungsspielraum für Lohnsteigerungen
- Erwartungen an die Politik: Pausentaste bei Kostensteigerungen und modernes Arbeitszeitgesetz
(Frankfurt am Main) - Die wirtschaftliche Lage in der hessischen Metall- und Elektro-Industrie (M+E) ist verstärkt durch den Mix aus Corona-Krise und unsicheren Zukunftsaussichten im Strukturwandel schlecht, teilte HESSENMETALL zum Jahresende mit. HESSENMETALL beruft sich dabei auf eine Sonderauswertung der ersten drei Quartale, die das Hessische Statistische Landesamt für den Arbeitgeberverband vorgenommen hat. Demzufolge verzeichnet die hessische M+E-Industrie Corona-bedingt seit März einen Umsatzeinbruch. Im April und Mai büßte sie jeweils über ein Drittel ihrer Umsätze im Vergleich zum Vorjahr ein. Vor allem die Hersteller von Kraftfahrzeugen und -teilen erwischte es in diesen beiden Monaten mit heftigen Verlusten von über drei Viertel des Vorjahresumsatzes. Der Umsatzrückgang für die ersten drei Quartale 2020 beläuft sich im Vergleich mit dem Vorjahr auf über 12 Prozent.
Zusätzlich hat die Corona-Pandemie auch die bereits seit zwei Jahren negative Entwicklung des Zukunftsindikators Auftragseingänge weiter verstärkt. Im April und Mai lagen die neuen Aufträge über ein Drittel unter dem Vorjahresniveau. Der Nachfrageeinbruch zeigt sich auch an sinkenden Beschäftigungszahlen. Seit dem Höchststand im September 2018 ist die Beschäftigung um rund 12.000 Stellen auf nur noch rund 208.000 gesunken. Die überwiegende Mehrzahl dieser weggefallenen Arbeitsplätze, nämlich rund 8.000, ist vor allem auf den allgemeinen Konjunktureinbruch und Strukturwandel zurückzuführen. Corona führt jedoch dazu, dass der negative Trend sich verstärkt fortsetzt.
"Auch die Stimmung in Hessens größter Industrie hat sich im Vergleich zum Herbst 2019 weiter verschlechtert und die Erwartungen zum Frühjahr 2020 sind düster", sagt HESSENMETALL-Vorstandsvorsitzender Wolf Matthias Mang und beruft sich dabei auf die 31. Herbstumfrage, an der sich 152 Mitgliedsunternehmen des Verbands mit insgesamt 41.000 Beschäftigten beteiligten. Ihre allgemeine Geschäftslage beurteilen 37 Prozent der Unternehmen demzufolge als schlecht, nur noch 17 Prozent als gut. Für das nächste halbe Jahr erwarten 85 Prozent keine Verbesserung. Diese Kombination - schlechte Stimmung und wenig Aussicht auf Besserung - zieht sich mit nahezu identischen Werten durch alle relevanten operativen Indikatoren: die Auftragseingänge, die Umsätze, die Exporte und die Erträge. Das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2018 sehen viele frühestens 2022 wieder erreicht, manche sogar erst bis Mitte des Jahrzehnts.
Wenig überraschend ist auch die Investitionslaune in der hessischen M+E-Industrie eher verhalten: Über ein Drittel der Unternehmen beurteilt die Investitionen aktuell als zu niedrig, knapp über die Hälfte zumindest als ausreichend. Knapp jedes vierte Unternehmen erwartet, dass die Investitionen in den nächsten sechs Monaten weiter sinken werden. Demgegenüber plant nur rund jedes achte Unternehmen, seine Investitionen bis zum Frühjahr zu erhöhen. Es dominieren Ersatz- und Rationalisierungs-Investitionen mit etwa einem Drittel und einem Viertel. Gefolgt von Investitionen in die Produkte mit 17,5 Prozent und die Mitarbeiterqualifikation mit 12,5 Prozent. Die Anzahl der Beschäftigten wird sich nach den Erwartungen der Unternehmen um 4,7 Prozent vermindern. Demnach gehen in den nächsten 6 Monaten weitere knapp 10.000 Arbeitsplätze verloren.
"In der aktuell schwierigen Lagefällt es schwer, den Blick auf das Positive zu richten. 20 Prozent unserer Unternehmen rechnen erst Ende 2021 mit einer Rückkehr zur Normalität, 45 Prozent können noch überhaupt nicht absehen, wann die Produktion wieder den Stand von vor der Krise erreichen wird. Trotz Corona nimmt die Digitalisierung der hessischen Metall- und Elektrounternehmen weiter Fahrt auf. Sie haben sich in Digitalisierungsgrad, klarer Strategie und operativer Umsetzung entscheidend verbessert. Das ist das Ergebnis der 2. Hessenmetall- Digitalisierungsumfrage. Sie liefert ein gutes Stimmungsbild und einen aussagekräftigen Vorjahresvergleich [S. separate Pressemitteilung!].
Mit Blick auf die anstehende Tarifrunde betonte Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert, dass es keinen Verteilungsspielraum für Lohnsteigerungen gäbe, selbst eine Nullrunde sei schon ein Kompromiss. "Beschäftigungssicherung hat für uns hohe Priorität, aber nur der wirtschaftliche Erfolg sichert Arbeitsplätze auf Dauer. Daher müssen wir im Strukturwandel künftige Wettbewerbsfähigkeit auf- und ausbauen."
Von der Bundespolitik erwartet der Arbeitgeberverband, weiterhin die Pausentaste bei den Kostensteigerungen gedrückt zu halten und möglichst viele Zukunftsinvestitionen in die Strukturanpassungen zu unterstützen: durch wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern, eine Erweiterung des steuerlichen Verlustrücktrags sowie Verbesserung bei der steuerlichen Forschungsförderung. Außerdem betonte Pollert die Notwendigkeit eines modernen Arbeitszeitgesetztes. "Wir erwarten von der Bundespolitik, dass sie endlich einen arbeitsrechtlichen Gesetzesrahmen schafft, der mit mehr Flexibilität, Erfolgsorientierung und Zeitsouveränität die Wirtschaft unterstützt, umso besser durch die Corona-Pandemie zu kommen und schneller wieder Fahrt für Wachstum aufzunehmen."
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