Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand

Hartz-Vorschläge sind Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit

(Berlin) - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Gewerkschaften begrüßen einstimmig das Gesamtkonzept der Hartz-Kommission. "Wir werden nicht mäkeln, aber wir werden konstruktive Kritik üben und den Umsetzungsprozess der Hartz-Vorschläge begleiten", sagte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer am Freitag in Berlin. Der DGB gehe davon aus, dass die Hartz-Pläne einen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit leisten können. "Und zwar dort, wo es um schnellere und passgenaue Vermittlung geht", sagte Sommer.

Die Hartz-Kommission folge dem Leitbild der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik mit einer Balance des Förderns und Forderns. "Das verspricht eine rasche und nachhaltige Integration von Arbeitslosen in den regulären Arbeitsmarkt", sagte der DGB-Vorsitzende. In Bezug auf Arbeitslose dürfe Fordern jedoch nicht heißen, ihnen Leistungskürzungen abzuverlangen.

Nachfolgend die Stellungnahme des DGB-Bundesvorstandes.

Stellungnahme des DGB-Bundesvorstandes vom 15. August 2002
zu den Ergebnissen der Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt"
(Hartz-Kommission)


Gesamtbewertung

Der DGB begrüßt das von der Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" unter der Leitung von Peter Hartz vorgelegte Gesamtkonzept. Dies gilt insbesondere für die Erfüllung des von der Bundesregierung erteilten Auftrages, ein Reformkonzept für die Bundesanstalt für Arbeit zu entwickeln. Die Vorschläge der Hartz-Kommission können einen größeren Schub für die Arbeitsmarktpolitik und eine deutliche Verbesserung der Dienstleistungsqualität der Arbeitsämter bewirken. Damit kann ein notwendiger Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit geleistet werden, wenngleich den Maßnahmen der Wirtschafts-, Finanz- und Beschäftigungs-politik entscheidende Bedeutung zukommen muss.

Das einstimmige Votum der Hartz-Kommission eröffnet die Chance, den zwischen unter-schiedlichen Interessengruppen erreichten Konsens für eine große Gemeinschaftsanstrengung zu nutzen. Alle Beteiligten haben sich aufeinander zu bewegt und müssen zu dem gefundenen Kompromiss stehen. Die Vorschläge der Hartz-Kommission sind insgesamt trotz Kritik und weitergehender Forderungen der Gewerkschaften in Einzelpunkten ein vielversprechendes Zukunftskonzept, das über alle Interessenunterschiede hinweg gemeinsames Handeln möglich macht. Jetzt sind alle gesellschaftlichen Gruppen, Parteien und Verbände gefordert, ihren Beitrag zu leisten und nicht Rosinenpickerei zu betreiben oder mäkelnd abseits zu stehen.

Der DGB und seine Gewerkschaften stellen sich den Herausforderungen der Hartz-Kommission zur konstruktiven Mitgestaltung im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Arbeitlosen. Jetzt sind die Arbeitgeber gefordert, endlich die behaupteten 1,5 Mio. offenen Stellen den Arbeitsämtern zur Vermittlung zu melden, neue Arbeitsplätze zu schaffen und ihre im Bündnis für Arbeit zugesagte Ausbildungsplatzgarantie einzulösen.

Das neue Leitbild der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik mit einer ausgewogenen Balance des Förderns und Forderns verspricht die rasche und nachhaltige Integration von Arbeitssuchenden und Arbeitslosen in den regulären Arbeitsmarkt. Das Prinzip des Förderns und Forderns muss gleichermaßen für Arbeitslose wie Betriebe und Verwaltungen gelten. Dies darf allerdings nicht einhergehen mit Leistungskürzungen für Arbeitslose und einer Diffamierung der Betroffenen. Die Gewerkschaften werden sich auch weiterhin gegen Forderungen aus dem Unternehmer-lager und der Politik nach weiterem Abbau von Arbeitnehmerrechten und Leistungsverschlech-terungen entschieden zur Wehr setzen. Insbesondere eine Aushöhlung des Kündigungs-schutzes ist für die Gewerkschaften nicht akzeptabel. Die gemachten Erfahrungen zeigen, dass der neoliberale Weg in die Sackgasse führt.

Die Hartz-Kommission hat neue Reformideen entwickelt und auch Vorschläge der Gewerk-schaften aufgegriffen. Die Umsetzung des Gesamtkonzeptes verspricht somit einen wichtigen Fortschritt bei der sozial gerechten Modernisierung unserer Gesellschaft zu einem neuen ausgewogenen Verhältnis von sozialer Gerechtigkeit und Flexibilität am Arbeitsmarkt.


Zu den wesentlichen Vorschlägen der Hartz-Kommission hat der DGB folgende
Einschätzung:


1. Die Vorschläge zum Umbau- und Modernisierungsprozess der Bundesanstalt für Arbeit (BA-neu) werden von uns begrüßt . So kann die Bundesanstalt für Arbeit zu einem attraktiven kundenorientierten Dienstleister für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für Arbeitgeber weiterentwickelt werden. 2. Mit dem Ausbau der Arbeitsämter zu JobCentern wird eine ganzheitliche Beratung und Unterstützung eröffnet. Wir erwarten, dass nicht zuletzt erwerbsfähige Sozialhilfe-empfängerinnen und Sozialhilfeempfänger wesentlich größere Chancen zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt erhalten.


3. Arbeitsvermittlung, Arbeitslosenversicherung und Integrations- und Qualifizierungsmaß-nahmen bilden zu Recht die Kernaufgaben der Arbeitsämter. Wir unterstützen, dass bei Fremdaufgaben - wie Bundes- oder Länderprogrammen
- die notwendigen personellen, organisatorischen und sachlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden sollen.


4. Wir begrüßen, dass Arbeitsförderung mehr als bisher zur Chancengleichheit
- auch von Frauen und Männern - beitragen und die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit von Arbeitslosen mit Familienpflichten besser unterstützt werden soll.


5. Die Beitragsfinanzierung soll richtiger Weise durch einen geregelten Bundeszuschuss und durch eine angemessene Beteiligung der Länder und Kommunen ergänzt werden.


6. Wir begrüßen es, dass das Arbeitslosengeld nicht gekürzt wird und die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten bleibt. Die Neuregelung des Arbeitslosengeld II darf nicht zu finanziellen Verschlechterungen oder Einschränkungen des Sozialversicherungsschutzes führen.


7. Zu Recht wird den Arbeitgebern eine zentrale Verantwortung für Beschäftigung und Abbau der Arbeitslosigkeit zugewiesen. Auch die Verpflichtung der Arbeitsämter zur Beschäfti-gungsberatung für Arbeitgeber ist sinnvoll und notwendig. Die Arbeitgeber müssen betriebliche Beschäftigungsbilanzen erstellen, die dazu beitragen, dass Mitnahmeeffekte und Missbräuche vermieden werden.


8. Die Ich-AG soll ein Instrument gegen die Schwarzarbeit und für den Weg von Arbeitslosen in die Selbstständigkeit sein. Dieses Instrument ist dann sinnvoll und für uns akzeptabel, wenn es nicht zu einer Verdrängung von regulärer Beschäftigung führt.


9. Die Mini-Jobs von Arbeitslosen müssen auf den Bereich der Haushalts-Dienstleistungen beschränkt werden. Eine Ausweitung dieser Mini-Jobs auf andere Sektoren und Bereiche wird nachdrücklich abgelehnt.


10. Es ist richtig, Betriebe finanziell zu fördern, soweit damit zusätzliche positive Beschäfti-gungseffekte erzielt werden können. Dies darf aber nicht zu einer Schwächung und Aushöhlung der paritätischen Beitragsfinanzierung führen.


11. Die PersonalServiceAgentur als "vermittlungsorientierte Integrationsfirma" kann eine tragfähige Brücke in den ersten Arbeitsmarkt sein. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Arbeitsbedingungen der PSA-Beschäftigen tariflich geregelt und bei Einsatz im Entleih-betrieb dessen tarifliche bzw. branchenüblichen Bedingungen angewendet werden sowie unseriöser Wettbewerb zwischen Verleihern verhindert wird. In vielen EU-Ländern ist dies bereits Praxis und entspricht dem vorliegenden EU-Richtlinienentwurf. Dies sind insgesamt Voraussetzungen für eine Anpassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes.

12. Wir begrüßen das Ziel der Kommission, allen Jugendlichen eine Ausbildung zu eröffnen, die bisher keine Berufsausbildung haben. Es ist und bleibt die Pflicht der Unternehmen, eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung zu stellen, so wie es auch im Bündnis für Arbeit zugesagt worden ist. Deshalb ist sicherzustellen, dass es weder zu einem Rückzug der Betriebe aus der Verantwortung für die Bereitstellung und Finanzierung von betrieblichen Ausbildungsplätzen oder des Staates aus der vollzeitschulischen Ausbildung kommt, noch zur Privatisierung von Ausbildungskosten führt.


13. Der DGB sieht in der Lohnversicherung für Ältere kein geeignetes Instrument. Die vorge-schlagene Aufhebung des Kündigungsschutzes für über 50jährige wird die Einstellungs-chancen Älterer nicht nachhaltig erhöhen. Diese Einschränkung des Kündigungsschutzes ist nicht akzeptabel.


14. Wir unterstützen Initiativen, die die Kapitalausstattung ostdeutscher Unternehmen verbessern und zugleich die Chancen für mehr reguläre Beschäftigung vermehren.


15. Wir unterstützen eine Stärkung der Investitionskraft der Kommunen und eine bessere Bündelung regionaler Aktivitäten.


16. Es ist richtig, dass die Arbeitsämter zur Stärkung der Dezentralisierung regionale Arbeits-marktprogramme durchführen sollen und dabei die Erfahrungen der Akteure einbezogen werden. Die Gewerkschaften bieten ihre aktive Unterstützung und Mitwirkung an, um eine bessere Verzahnung von
Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zu ermöglichen. Dies setzt
Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte auf Landesebene und örtlicher Ebene voraus.


17. Die Beteiligungsrechte sollen in der BA (neu) durch eine Verbindung von Selbstverwaltung mit Elementen der Unternehmensmitbestimmung neu geregelt werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass dem Aufsichtsrat umfassende Rechte zustehen und den Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgeber eine echte Beteiligung gewährleistet wird.


18. Es ist zu begrüßen, dass das Gesamtkonzept nach drei Jahren einer Zwischenbilanz unterzogen wird. Dabei stehen nicht einzelne Regelungen, sondern das Konzept insgesamt auf dem Prüfstand.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin Telefon: 030/24060-0 Telefax: 030/24060-324

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